Nein, sagt Christian Geubert lachend, einen typischen Arbeitstag gebe es bei ihm nicht. „Das ist ja das Spannende an dieser Position.“ Dass Routine aufkommt, verhindern beim Global Technology Consultant Process Industry des Dichtungsspezialisten Freudenberg Sealing Technologies schon die wechselnden Einsatzorte: Allein in dieser Woche verbringt er nur zwei Tage im Büro im baden-württembergischen Weinheim, wo das international aufgestellte Unternehmen seinen Hauptsitz hat.
Den Rest der Zeit verbringt Geubert unterwegs, spricht als Reisender in Sachen Dichtungstechnik diesmal vor einer staatlichen Fachschule für den Lebensmittelbereich, führt Projektgespräche oder veranstaltet sogenannte Tech Days – speziell auf die Bedürfnisse von Kunden zugeschnittene Schulungs- oder Vortragsformate, die meist vor Ort bei den jeweiligen Unternehmen stattfinden. Manchmal kommen Anwenderfirmen auch nach Weinheim – dann organisiert Christian Geubert Besuche bei den Fachabteilungen oder führt im Freudenberg-eigenen Museum durch die Unternehmensgeschichte.
Showtalent gefragt
Geuberts Jobprofil mit einem Begriff zu beschreiben, ist nicht ganz einfach. „Der Außendienst ist verantwortlich dafür, technisch und kaufmännisch den Überblick zu behalten“, erklärt er die Aufteilung. „Ich unterstütze ihn, wenn es um chemische, regulatorische Details oder Spezialthemen geht.“ Viel von seiner Bürozeit verbringt der studierte Chemieingenieur damit, vorab zu ermitteln, welche Hintergründe im jeweiligen Unternehmen gefragt sind, Vorträge zu verfassen, anzupassen oder zu aktualisieren. Zu 100 Prozent vorbereiten lassen sich diese allerdings nicht.
„Man hat jedes Mal ein anderes Publikum“, sagt Geubert. „Da müssen Sie die Leute erst einmal abholen und zum Thema Dichtungen hinführen.“ Am besten funktioniere das über eine gewisse Betroffenheit. „Geht es zum Beispiel um Lebensmitteldichtungen, nehme ich mir das Wasser, das auf dem Tisch steht und spreche darüber, welche Dichtungen im Spiel waren, bevor es ins Glas kam.“
Manchmal sind dabei auch echte Showqualitäten gefragt – zum Beispiel, wenn es darum geht, nachmittags um 16 Uhr die Maschinenbau-Studenten der Vorlesung „Lebensmitteltechnik“ an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg zu erreichen. Dozent Geubert, der dort seit mittlerweile eineinhalb Jahren unterrichtet, versucht es mit einer Mischung aus Schauspielerei, Wissensvermittlung und Coaching. Dass ein ehemaliger Student vor Kurzem eine Stelle bei Freudenberg Sealing Technologies angetreten hat, freut ihn.
A-Teil mit Imageproblem
Überzeugungsarbeit am anderen Ende des Themenkreises leistet Christian Geubert in den verschiedenen Arbeitskreisen des VDMA, in denen er sich engagiert. Beispielsweise war er federführend an der Erarbeitung einer milchwirtschaftlichen Norm beteiligt. Bei der EHEDG, die sich die Förderung des hygienischen Designs auf die Fahnen geschrieben hat, will Geubert auf die zentrale Rolle aufmerksam machen, die Verbindungen für Hygienic Design haben. „Dichtungstechnik steht für viele immer noch an untergeordneter Stelle – funktionsmäßig ein A-Teil, aber vom Wert her ein C-Teil. Bei vielen Bauteilen im Lebensmittelkontakt ist das Hygienic Design verbesserungswürdig. Oft müssen noch Toträume minimiert und die Gestaltung sicherer werden.“
Im vergangenen Jahr wurde Christian Geubert zum Sekretär der deutschen Regionalsektion der EHEDG gewählt. Als Vorstandsmitglied nimmt er repräsentative Aufgaben wahr und organisiert das Sektionstreffen mit, das im Juni 2016 in Weinheim stattfindet – Freudenberg ist Gastgeber. „Food & Beverage ist ja in der Prozessindustrie der Hauptanwendungsfall von Freudenberg Sealing Trechnologies“, erklärt Christian Geubert. „Entsprechend tief haben wir uns in das Thema eingearbeitet.“ Geubert und seine Kollegen der Anwendungstechnik sogar so tief, dass er regelmäßig Beiträge für Fachzeitschriften verfasst, in denen er sich mit regulatorischen Freigaben und den chemischen Besonderheiten der Werkstoffe beschäftigt.
Neue Länder im Jahresrhythmus
Das Thema begleitet ihn spätestens seit 2005, als er im Trainee-Programm in der Werkstofftechnik des Freudenberg-Konzerns anfing. 2006 wechselte er in die Process-Industry-Sparte, die damals als Start-up innerhalb des Unternehmens aufgebaut wurde. „Ich durfte den Auftritt auf der Achema 2006 organisieren“, erinnert er sich. „Das war ein dynamisches Umfeld, das mich sehr angesprochen hat.“ Waren die Aktivitäten der Sparte damals noch auf Deutschland beschränkt, kamen bald – mehr oder weniger im Jahresrhythmus – weitere Länder hinzu: die Schweiz, Dänemark, Schweden, Frankreich, Spanien, die USA und andere. „Die Firma wird global und ich bin quasi ein Teil dieser Globalität, weil ich diese Länder mitbegleiten durfte“, sagt Geubert. „Man ist jetzt nicht mehr eine kleine Firma, sondern ist richtig groß.“
Mehrere Wochen im Jahr verbringt er mittlerweile im Ausland, besucht Kunden, stellt auf Messen aus. Zuletzt stand eine größere USA-Reise an. Ziel war unter anderem: Der Jahreskongress der IBDEA (International Beverage Dispensing Association), auf welchem man sich einem sehr konzentrierten Fachpublikum präsentierte. Hinzukam ein Kundentermin bei einem global agierenden Hersteller von koffeinhaltigen Getränken. „Ein Tech-Day, den wir bei einem Mitbewerber veranstaltet haben, hat schon zu einer Initialzündung geführt“, erläutert Geubert. „Jetzt hoffen wir, dass sich auch bei diesem Hersteller etwas bewegt.“
Langzeiterfolge und Schockmomente
Kommt es auf dieser Reise zum Durchbruch, könnte der Consultant sie als enormen persönlichen Erfolg verbuchen. Vergleichbar vielleicht mit einer neuen Ventilreihe eines namhaften Unternehmens. Die mittlerweile etablierte Serie, die im F&B- und Pharmabereich zum Einsatz kommt, verwendet Dichtungen von Freudenberg. Geubert hat ihre Entwicklung damals mitbetreut: „Die Einführung dieser neuen Produktserie war sehr spannend, da wir hier etwas völlig Neues schaffen konnten.“ Dass sich dieses Ventil zum Longseller gemausert hat, darauf ist Geubert stolz.
Weniger gute Erinnerungen hat er an eine Brauerei in Südafrika. In Filtern wurden plötzlich Kunststoffteile gefunden, deren Ursprung keiner ausmachen konnte. Der Verdacht, dass sie vielleicht etwas mit den im Brauprozess eingesetzten Freudenberg-Dichtungen zu tun haben könnten, strapazierte zunächst die Nerven der Kunden ebenso wie die von Geubert. „Wir konnten dann in einer Analyse zeigen, dass das auf keinen Fall unsere Produkte sind, sondern sich ein Gehäuse gelöst hatte. Trotzdem war es nicht einfach, das betroffenen Kunden klar zu machen.“
Ohne Outlook unmöglich
Gute Nerven gehören zu Geuberts Jobprofil eben dazu. Fast noch wichtiger ist jedoch ein ausgeprägtes Planungsvermögen. Denn wer gleichermaßen Tech Days organisiert, den Außendienst berät, Vorträge schreibt, Uni-Lesungen hält, Verbandsarbeit leistet, muss höchst organisiert sein. „Ich bin zwar selbst ziemlich strukturiert, aber ohne Outlook wäre das alles nicht möglich“, gibt Christian Geubert zu. Kundentermine können sich ja auch verschieben.“ Trotz digitaler Unterstützung verbringt er noch genug Zeit mit Telefonieren und Nachfassen.
Selbst in seiner Freizeit kommt er manchmal vom Planen nicht los: Zusammen mit seiner Partnerin hat Christian Geubert ein denkmalgeschütztes Haus saniert – umfangreiche Korrespondenz mit den Baubehörden inklusive. Zum Segeln, Skifahren und Tauchen braucht es all das zum Glück weniger.