Der Markt Predicitive Maintenance (PM) wird laut Roland Berger bis 2022 um 20 bis 40 Prozent pro Jahr auf bis zu 11 Milliarden US-Dollar wachsen. „Zwar beschäftigen sich derzeit schon acht von zehn Unternehmen mit vorausschauender Wartung, um das Kosten-/Leistungsverhältnis ihrer Produkte, Anlagen und Systeme weiter zu verbessern, allerdings erschöpft sich das Engagement vielfach im Sammeln von Betriebsdaten“, so Sebastian Feldmann, verantwortlich für das Service Excellence Geschäft bei Roland Berger. Erfolgsentscheidend bei PM sind aber mehr die Offenheit für neues (Service-)Denken.
Diese Studie Predictive Maintenance – From data collection to value creation ergab auch, dass bei jedem zweiten Unternehmen, das in das Thema investiert, nicht nur das entsprechende Budget fehlt, sondern vor allem noch eine klare Strategie und der Wille, den damit verbundenen Wandel wirklich anzugehen. Wichtigste Voraussetzung für die erfolgreiche Umstellung ist dabei ein „digitales Mindset“. Dazu zählt unter anderem eine flexible, agile und servicebewusste Organisation. „Zum erforderlichen schnellen Aufbau neuer Kompetenzen muss dann auch die Integration geeigneter externer Partner möglich sein, um jeden Kunden so individuell und gut wie möglich zu betreuen“, fasst Feldmann zusammen.
Eine VDMA-Studie von 2017 (Predictive Maintenance Service der Zukunft – und wo er wirklich steht) fand heraus, dass 69 Prozent der Firmen externe Spezialisten zu Rate ziehen und 40 Prozent sogar eine direkte Zusammenarbeit mit Wettbewerbern nicht ausschließen.
Daten möglichst breit sammeln
Basis jeder Form von PM oder Smart Maintenance (SM) ist das Sammeln und Strukturieren von Daten. Dann können die KI-Algorithmen aktiv werden, um Fehlermuster zu finden und ein Vorhersagemodell zu generieren. Letztlich könnte man so nicht nur Maschinen bewerten, sondern auch die Qualität von Produkten vorhersagen. „Genauer gesagt, braucht es dafür ein möglichst breites Feld an Prozessdaten, die sich mit dazu passenden Qualitätsdaten korrelieren lassen“, so Markus Diesner, Product Marketing Manager bei MPDV. Ein solches Datenset besteht also aus einer großen Anzahl von Datensätzen mit jeweils mehreren Prozesswerten sowie den dazugehörigen Qualitätseinstufung.
Bei PM liegt der zentrale Punkt in der Erfassung und Auswertung von Gerätedaten. Dafür ist digitale Kommunikation essenziell, die beispielsweise durch einen Feldbus oder das HART-Protokoll ermöglicht wird. „Das interessante bei HART ist, dass die meisten im Feld installierten Geräte bereits HART unterstützen, ohne dass es genutzt wird und somit PM auch ohne zwangsläufigen Gerätetausch möglich ist“, so Thomas Hilz, Strategic Account Management bei Softing.
Defense in Depth für Sicherheit
Wichtig ist nicht nur, dass Daten erhoben werden, sondern auch wo und wie. Der Grund dafür ist die zunehmende Vernetzung der Anlagen. „Früher gab es die Daten einer autarken Anlage, jetzt überlagern sich interne und externe Vernetzung. Hinzu kommt die wachsende Komplexität der Infrastruktur und Kommunikation innerhalb der Netzwerksegmente“, umschreibt Kristin Preßler, COO bei Rhebo das Problem. Anders gesagt, dem ehemals einfach strukturierten und isolierten Produktionsnetz ohne Bedarf an Cybersicherheit und Network Condition Monitoring stehen jetzt viele Hersteller mit unterschiedlichen Industrieprotokollen, Konfigurationen und Kommunikationsstrukturen sowie eine Öffnung nach außen gegenüber. „Damit steigt auch die Fehleranfälligkeit, und selbst ein anfangs kleiner Fehler kann eine Lawine erzeugen“, warnt Preßler. So muss PM auch die Netzwerke, das Nervensystem von Industrie 4.0, im Blick haben.
Virenscanner und Firewall sind da nur sehr begrenzte hilfreich, denn sie sitzen am Rand der Netzwerke. Das Schlagwort ist hier „Defense in Depth“. Klassische Firewalls und Virenscanner gehen zudem nach einer Blacklist vor. Die andere Möglichkeit ist dem System über eine Whitelist zu sagen, was durch darf. Nachteil bei beiden ist, man muss „es“ kennen. Aber wie detektiert man das bislang Unbekannte?
Der Produktionsbereich ist hier relativ einfach zu analysieren, da die Steuerungskommunikation vorhersehbar ist. „Das System benötigt zuerst den Innenblick. Dann lässt sich für jede Fertigung das spezifische Kommunikationsmuster evaluieren und für die ‚Grundreinigung‘ als Standard definieren. So kann ein System alles Neue, Untypische in Echtzeit aufspüren“, berichtet Preßler. Dabei schaut das System auch in Datenpakete und prüft, ob diese fehlerfrei und erwartungsgemäß sind. So lassen sich auch schleichende Veränderungen aufspüren, was wichtig ist, weil Fehlerzustände im Netzwerk seltener zu direkten Ausfällen führen. Und es gibt hier noch ein wichtiges Arbeitsfeld: Der Erfolg von KI hängt sehr stark von fehlerhaften, fehleranfälligen Algorithmen und einer schlechten Datenlage ab.
KI bei Predicitive Maintenance
Wie der Einsatz von Künstlicher Intelligenz bei PM das Leben erleichtern kann, zeigt die Zusammenarbeit von Fraunhofer IPA, der ESB Business School Reutlingen und der AX Semantics mit einer Software zum smarten Troubleshooting. „Sie spielt detaillierte Anleitungen aus, sobald eine Maschine einen Fehler meldet, und verkürzt kostspielige Ausfallzeiten“, berichtet Prof. Daniel Palm, Leiter des Reutlinger Zentrums Industrie 4.0. Fehlermeldungen von Maschinen sind mitunter sehr knapp formuliert, im Extremfall beschränken sie sich auf die Fehlernummer.
Die neue Software erstellt, dank Künstlicher Intelligenz, ausführliche und verständlich formulierte Fehlermeldungen. Je mehr Fehlerchroniken eingepflegt sind, desto detaillierter und genauer sind diese Anleitungen. Denn die Algorithmen kombinieren die Daten verschiedener Fehlerchroniken. „So kann die Software mit der Zeit sogar bei Fehlern, die bisher noch nie aufgetreten sind entscheidende Hinweise geben, um Maschinen schneller und kostengünstiger in Betrieb zu setzen. Außerdem versuchen wir über Mustererkennung im nächsten Schritt auch komplexeren Fehlerzusammenhängen auf die Spur zu kommen“, erläutert Palm.
„KI funktioniert gut, aber Produktionsanlagen sind einmalig, so ist es mitunter schwierig, gefundene Lösungen auf andere Anlagen zu übertragen“, bringt es Dr. Siegfried Stender, Wissenschaftler am Fraunhofer IPA auf den Punkt. Eine Möglichkeit sieht er hier im modularen Aufbau. Das heißt, man fängt bei den Komponenten an, denn die sind bei vielen Maschinen die gleichen. Sammelt man die Daten unternehmensübergreifend, lässt sich hier ein für die PM individueller Maschinen wichtiger Datenschatz generieren. „Das hat aber rechtliche Grenzen“, weiß Stender.
Die Veränderungen zu beurteilen, die unter Industrie 4.0 kommen, ist schwierig. Hier sollen einmal intelligente, sich selbst steuernden Objekte agieren, die Aufträge selbstständig durch ganze Wertschöpfungsketten hindurch leiten, mit Buchen von Bearbeitungsmaschinen und Material bis zur Auslieferung zum Kunden. Logisch wäre dann auch ein sich selbst steuerndes SM. Für eine so digitalisierte Industrie muss dabei ein absoluter Schutz vernetzter Systemstrukturen garantiert werden.