Katalytischen Übertragung von Ammoniak Ammoniak-Forschung eröffnet neue Möglichkeiten für die Chemieindustrie

Die reversible Aktivierung und katalytische Übertragung von Ammoniak durch eine Hauptgruppenelementverbindung

Bild: Frank Breher, KIT
29.09.2023

Ein großes Ziel der Chemie ist es, auf einfachem Weg Amine aus Ammoniak und ungesättigten Kohlenwasserstoffen zu erzeugen. Während der katalytischen Addition, bei der Ammoniak aktiviert und anschließend übertragen wird, entsteht zudem kein Abfall und so ist sie besonders nachhaltig. Forschende am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) sind dem Ziel nun ein Stück nähergekommen.

Das Molekül Ammoniak (NH3), eine Verbindung von Stickstoff und Wasserstoff, ist eine der meistproduzierten Chemikalien weltweit und bildet den Ausgangsstoff für die Herstellung vieler weiterer stickstoffhaltiger Verbindungen. Wenn es gelänge, durch Addition von Ammoniak an ungesättigte Kohlenwasserstoffe auf einfachem Weg Amine zu erzeugen, wäre der Chemie ein entscheidender Durchbruch gelungen.

Denn Amine, organische Derivate von Ammoniak, sind in vielen verschiedenen Bereichen gefragt: Sie dienen beispielsweise als Bausteine für Agro- und Pharmachemikalien sowie für waschaktive Substanzen, Farbstoffe, Schmierstoffe und Beschichtungen. Als Katalysatoren werden Amine auch bei der Produktion von Polyurethanen eingesetzt. Eine weitere wichtige Anwendung ist die Gaswäsche in Raffinerien und Kraftwerken.

Durch das Brechen der starken Bindung zwischen Stickstoff und Wasserstoff, die sogenannte Aktivierung, kann das Ammoniakmolekül zumindest theoretisch auf andere Moleküle wie ungesättigte Kohlenwasserstoffe übertragen werden. So würde beispielsweise bei der Übertragung von Ammoniak auf das Alken Ethylen, einem wichtigen Stoff in der chemischen Industrie, Ethylamin entstehen. Chemiker bezeichnen diese Addition als Hydroaminierung. Allerdings reagieren Ammoniak und Ethylen nicht einfach so miteinander – ein Katalysator muss die Reaktion vermitteln. Die üblichen und auf Übergangsmetallen basierenden Katalysatoren haben jedoch den Nachteil, dass sie selbst mit Ammoniak reagieren und dadurch inaktiv werden.

„Die Hydroaminierung von nicht aktivierten Alkenen mit Ammoniak gilt daher als große Herausforderung, sozusagen als Heiliger Gral der Katalyse“, erklärt Professor Frank Breher, Forschungsgruppenleiter der Abteilung Molekülchemie am Institut für Anorganische Chemie (AOC) des KIT.

Aktivierung und katalytische Übertragung von Ammoniak

Professor Frank Breher und Dr. Felix Krämer vom AOC des KIT, unterstützt von Forschenden der Universität Paderborn und der Universität Complutense Madrid, sind dem herausfordernden Ziel nun ein großes Stück nähergekommen. „Wir haben ein System zur Aktivierung von Ammoniak entwickelt, das nicht auf Übergangsmetallen basiert, sondern auf Hauptgruppenelementen. Beim ,atomökonomischen‘ Prozess der Aktivierung und bei der anschließenden Übertragung von Ammoniak wird kein Abfall erzeugt – dies ist unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit natürlich besonders interessant“, so Breher.

Das Team erzeugte ein sogenanntes frustriertes Lewis-Paar (FLP), bestehend aus einer Säure als Elektronenpaarakzeptor und einer Base als Elektronenpaardonor. Beide reagieren üblicherweise miteinander und erzeugen ein Addukt. Wird die Adduktbildung verhindert oder zumindest eingeschränkt, ergibt sich sozusagen eine frustrierte Situation und das Molekül reagiert bereitwillig mit kleinen Molekülen wie beispielsweise Ammoniak.

„Entscheidend ist dabei aber, die Reaktivität so zu dämpfen, dass die Reaktion mit kleinen Molekülen möglichst reversibel ist, denn nur dann ist es möglich, ein solches FLP auch in der Katalyse einzusetzen. Dies ist uns erstmals mit Ammoniak als Substrat gelungen“, berichtet Breher. Die Forschenden zeigten, dass die Titelverbindung leicht mit nichtwässrigem Ammoniak thermoneutral reagiert und die Stickstoff-Wasserstoff-Bindung von Ammoniak bei Raumtemperatur reversibel spaltet.

Darüber hinaus stellen sie in ihrer Veröffentlichung erstmals NH3-Übertragungsreaktionen vor, die durch einen auf Hauptgruppenelementen basierenden Katalysator vermittelt werden. „Zwar haben wir bislang nur aktivierte Substrate und noch keine ungesättigten Kohlenwasserstoffe umgesetzt, aber wir sind der ,Traumreaktion‘ deutlich nähergekommen“, sagt Breher. „Wir erwarten, dass unser erstmals erbrachter Grundsatzbeweis weitere Arbeiten zur Nutzung von N–H-aktiviertem Ammoniak als leicht verfügbare und nachhaltige Stickstoffquelle anstoßen wird.“

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