Features wie aktive Spurhalteassistenz und automatische Seitenwindkompensation konnten bisher nur bei EPS-Systemen dargestellt werden. Bei schweren Nutzfahrzeugen und Bussen kamen sie nicht zu Einsatz, da dort aufgrund des hohen Vorderachsgewichts hydraulische Lenkungen verbaut sind, bei denen die Integration von Fahrerassistenzsystemen bisher nicht möglich war. Die üblichen passiven Systeme erlauben zum Beispiel beim Verlassen der Fahrspur lediglich ein akustisches, visuelles oder haptisches Warnsignal an den Fahrer. Sie greifen aber nicht aktiv ein, sodass schwere Unfälle nur bedingt vermieden werden können. Auch Komfortfunktionen wie Rangierhilfen waren nicht möglich.
Hydraulische Lenkunterstützung iHSA
Durch die Integration hydraulischer Lenkunterstützung (iHSA, intelligent Hydraulic Steering Assist) in konventionelle Lkw-Kugelumlauflenkungen werden aktive Anbindungen von Fahrerassistenzsystemen ermöglicht. Sämtliche Sicherheits- und Komfort-Features sind so auch bei Lkw und Bussen darstellbar. Unfallrisiken werden dadurch reduziert. Per Plug&Play lassen sich Funktionen wie aktive Spurhalteassistenz, automatische Seitenwindkompensation, Anhängerstabilisierung oder Rangierhilfe via Joystick zuschalten.
Das iHSA-Modul ist in Verbindung mit hydraulischen Kugelumlauf- aber auch mit Zahnstangenlenkungen modular einsetzbar. In diesen Systemen wird die Lenkunterstützung durch den integrierten Hydraulikzylinder dargestellt. Zur Steuerung der Unterstützung kommt ein Hydraulikventil zum Einsatz. In konventionellen Lenkungen steuert das vom Fahrer eingeleitete Lenkmoment die Hydraulikunterstützung. Im Hydraulikventil wird dann die angeforderte Unterstützung mittels der Umsteuerung des Hydraulikflusses in die entsprechende Zylinderkammer umgesetzt. Das iHSA-System nutzt das vorhandene Hydraulikventil, kann es aber unabhängig vom Fahrer mittels eines kompakten Elektromotors ansteuern. Dieser liefert selbst keinerlei Lenkunterstützung, sondern dient nur der Steuerung des Hydraulikventils. Sein Leistungsbedarf ist dementsprechend gering und belastet das elektrische Bordnetz nur minimal. Veränderungen im Energiemanagement und im Bordnetz sind somit nicht nötig.
Neben dem Motor ist ein zusätzlicher Drehmomentsensor verbaut. Dieser misst den Input des Fahrers und dient der Systemregelung. Ein Steuergerät führt sämtliche Signale zusammen. Dort sind die erforderlichen Algorithmen zur Lenkungssteuerung hinterlegt. Außerdem bietet es eine Schnittstelle zu den Fahrzeugkommunikationssystemen. Somit kann die Hydraulikunterstützung in Verbindung mit den Assistenzsystemen eingeleitet werden, sämtliche Sicherheits- und Komfortfunktionen sind so darstellbar. Dies bedeutet, dass Lkw und Busse mittels der oben beschriebenen Momentenüberlagerung des iHSA-Moduls zum Beispiel fahrerunabhängig aktiv in der Spur gehalten werden können. Das Unfallrisiko wird so reduziert. Spurrillen und Seitenwindeinflüsse können ebenfalls kompensiert werden. Dies geht deutlich über die bereits gesetzlich vorgeschriebenen Spurhaltewarnsysteme hinaus.
Grenzen der EPS-Technologie
Die bislang in Pkw eingesetzte EPS-Technologie ist auf ein leistungsstarkes elektrisches Bordnetz angewiesen. Mit steigenden Vorderachslasten reichen die vorhandenen Bordnetzressourcen aber nicht mehr aus. Somit können Fahrzeuge mit hohen Vorderachslasten nicht mit elektromechanisch unterstützen Lenksystemen ausgestattet werden. Diese Schwelle liegt für EPS-Systeme aktuell bei Fahrzeugen der leichten Nutzfahrzeugklasse. Da beim iHSA-System die Lenkunterstützung auf dem vorhandenen Hydrauliksystem aufbaut, ist es völlig achslastunabhängig.
Zunächst war die Entwicklung der iHSA-Technologie von Tedrive auf das Pkw-Segment zugeschnitten, also auf Zahnstangenlenkgetriebe. Da sich aber das Grundprinzip der Steuerung der Hydraulikunterstützung zwischen einer Zahnstangenlenkung und einer Kugelumlauflenkung nicht unterscheidet, konnte das Konzept der „intelligenten“ hydraulischen Lenkunterstützung auch für Kugelumlauflenkgetriebe adaptiert werden. Durch die Technologie können somit leichte, aber auch schwere Nutzfahrzeuge sowie Busse mit aktiven Lenkungsfunktionen ausgestattet werden.
Neben den Sicherheitsfunktionen lassen sich auch zusätzliche Komfortfunktionen darstellen. Beispielsweise kann die Lenkunterstützung abhängig von der Fahrgeschwindigkeit geregelt werden. Ist das Fahrzeug im Rangierbetrieb oder Stadtverkehr, kann die Lenkunterstützung erhöht werden und sorgt somit für ein bequemeres Lenken. Steigt die Geschwindigkeit des Fahrzeugs, wird die Lenkunterstützung zurückgefahren. Der Fahrer erhält ein direkteres, präziseres Lenkgefühl, das das Fahren bei höheren Geschwindigkeiten sicherer macht. Außerdem kann für den Rangierbetrieb ein Joystick zum Einsatz kommen. Dieser ermöglicht die vollen Lenkbewegungen mittels eines kleinen Eingabeelements und reduziert den Aufwand des Rangierens mit dem großen Lkw-Lenkrad deutlich.
Das System wurde gemäß den Regeln der funktionalen Sicherheit nach ISO 26262 entwickelt. Ein Vergleich des iHSA-Systems mit einem EPS-System zeigt, dass die Einstufung in punkto funktionaler Sicherheit bei der iHSA-Lenkung unkritischer ist. Dies begründet sich auf der Tatsache, dass das maximal aufgeschaltete Überlagerungsmoment mechanisch begrenzt ist und geringer ausfällt als bei einem EPS-System. Somit ist der Fahrer selbst im Fehlerfall immer in der Lage, das Fahrzeug zu lenken. Wird zur iHSA-Lenkung auch noch eine bedarfsgeregelte Hydraulikpumpe eingesetzt, kann der Volumenstrom im System geregelt werden. Wird keine Lenkunterstützung gefordert, kann der Volumenstrom und somit die Verlustleistung reduziert werden. Durch den Einsatz der iHSA-Technologie kann der Volumenstrom auch bei kleinen Lenkbewegungen auf dem niedrigen, sprich CO2-optimierten, Niveau gehalten werden.
Alternative Lenkunterstützung
Die Entwicklung des iHSA-Moduls verbessert die Leistungsparameter hydraulischer Lenksysteme und ist so eine leistungsfähige Alternative zur EPS-Technologie. Wo EPS-Systeme momentan selbst mit aufwendigen Eingriffen in das bordinterne Energiemanagement nur begrenzte Lenkunterstützungskräfte realisieren können, kann das iHSA-Lenksystem weit höhere Kräfte realisieren. Ein aktiv unterstützendes Lenksystem, das alle Funktionen einer elektromechanischen Lenkung abdeckt. Die aktive hydraulische Lösung ist variabel und unabhängig von der Vorderachslast. Neben den verbesserten Lenkfunktionalitäten zählen optimierte Einbaumaße, Kosten- und Designvorteile für Plattformstrategien sowie ein CO2-Einsparpotenzial zu den Pluspunkten.