Drehgeber sorgen für Präzision bei Tiefbohranlagen Auf die richtige Position kommt es an

Bis zu 8.000 Meter tief können die so genannten Terra Invader-Anlagen in die Erde vordringen, um Öl-, Gas- oder Geothermie-Vorkommen anzuzapfen.

Bild: iStock, luismmolina
16.11.2021

Um den stetig wachsenden Energiebedarf der Welt auch in Zukunft decken zu können, ist die Erschließung neuer Quellen unerlässlich. Diese Aufgabe übernehmen modernste Tiefbohranlagen. Absolutwertgeber sorgen für die nötige Präzision der Bohrungen.

Bis zu 8.000 Meter tief können die so genannten Terra Invader-Anlagen in die Erde vordringen, um Öl-, Gas- oder Geothermie-Vorkommen anzuzapfen. Letztere gewinnen in Zeiten knapper werdender fossiler Ressourcen immer mehr an Bedeutung. Das hängt mit ihrer hohen Verfügbarkeit zusammen: Weltweit gibt es sehr große Mengen geothermischer Energie.

Die auch als Erdwärme bezeichnete Energie unterhalb der Erdoberfläche wird auf zwei Arten genutzt: Zum einen entzieht man dem Thermalwasser durch Wärmetauscher die Wärme und speist sie in ein Fernwärme-Netz ein. Diese Nutzung von Geothermie-Ressourcen ist am weitesten verbreitet. Eine weitere Möglichkeit ist die Stromgewinnung. Dazu wird die thermische Energie in einem Geothermie-Kraftwerk über Turbinen in Strom umgewandelt. Die Idee dazu hatte erstmals 1913 der Italiener Piero Ginori Conti, der in der Toskana eine 220 kW-Anlage mit wasserdampfbetriebenen Turbinen errichtete.

In Deutschland gibt es mittlerweile einige geothermische Kraftwerke. Da die Temperatur des geförderten Thermalwassers hierzulande aber zu niedrig ist, um den für den Turbinenbetrieb nötigen Wasserdampf zu erzeugen, werden Hilfsmittel benötigt. Diese sogenannten Arbeitsfluide haben einen deutlich niedrigeren Siedepunkt als Wasser und gehen deshalb schon bei relativ geringen Temperaturen in den gasförmigen Zustand über.

Erste Tiefbohranlage von Herrenknecht brach alle Rekorde

Der Hersteller für Tunnelbohrmaschinen Herrenknecht stieg 2005 in das Geschäft mit Tiefbohranlagen ein. Die ersten Anlagen arbeiteten in Deutschland und Brasilien, inzwischen sind die Systeme in vielen Ländern der Welt in Betrieb. Entwickelt und gefertigt werden die Vertikalbohranlagen von der Tochtergesellschaft Herrenknecht Vertical – und zwar individuell für jeden Kunden. „Das unterscheidet uns von unseren Wettbewerbern, die fast ausschließlich in Serie produzieren“, beschreibt der Technische Leiter von Herrenknecht Vertical, Jürgen Binder, das Alleinstellungsmerkmal seines Unternehmens.

Bei der Fertigung der Anlagen arbeitet das Unternehmen nach den hohen Standards der Offshore-Technik, denn die Systeme kommen auch auf See zum Einsatz. Zudem verfügen die Anlagen über eine Vielzahl von Neuentwicklungen, zu denen auch ein optimiertes Sicherheitskonzept gehört (Hands-off-Technologie). Weitere Features der hochmodernen Bohranlagen sind ein flexibles Energiemanagement und integrierte Schallschutzmaßnahmen. Der Hauptvorteil der Herrenknecht-Tiefbohranlagen gegenüber konventionellen Systemen ist aber ihr hoher Automatisierungsgrad. Dadurch können Anwender die Anlagen mit lediglich vier Mann pro Schicht betreiben, was eine deutliche Kostenersparnis zur Folge hat.

Drehgeber mit idealer Feldtauglichkeit

Bei der Konstruktion der Bohranlagen legt Herrenknecht großen Wert auf optimalen Explosionsschutz. Das hat seinen Grund, denn mit den Tiefbohranlagen können auch Öl- und Gasvorkommen erschlossen werden. Ihre Komponenten müssen deshalb absolut explosionssicher sein. Die Suche nach einem geeigneten Drehgeber für die Positionierung des Bohrantriebs (Top Drive) und des Hebewerks war unter diesen Voraussetzungen schwierig.

„Die wenigsten Anbieter haben ex-geschützte Drehgeber im Programm“, sagt Binder. Beim Automatisierungstechnik-Spezialisten Hengstler wurde man schließlich fündig. Der Absolutwertgeber ACURO AX71 erfüllt nicht nur die hohen Ansprüche an den Explosionsschutz. „Er hat von allen getesteten Drehgebern auch von der Feldtauglichkeit her am besten abgeschnitten“, erinnert sich Jürgen Binder. Unter anderem überzeugte der ACURO AX71 durch einen sehr guten EMV- und Blitzschutz, aber auch Temperaturen von -40 °C bis
+60 °C und den Kontakt mit Salzwasser überstand er am besten. Damit war es beschlossene Sache, dass der absolute optische Winkelencoder ab sofort in allen Herrenknecht-Tiefbohranlagen verbaut wird.

Präzise Positionierung

Die Aufgabe des ACURO AX71 an der Anlage ist es, den Bohrantrieb und das Hebewerk, die sogenannte Rack-and-Pinion, exakt zu positionieren. „Der Antrieb muss genau wissen, wo er gerade ist“, erklärt der Herrenknecht-Ingenieur. Da immer neue Bohrstangen nachgesetzt werden, muss am Hebewerk die Höhenposition genau festgehalten und weiter aufaddiert werden, um die genaue Meißeltiefe zu bestimmen. Für diese Aufgabe empfiehlt sich der ACURO AX71 von Hengstler in jeder Hinsicht, denn er gibt binär codierte Positionswerte aus und zeigt die Achslage in Bezug zu einem Referenzpunkt an. Der Drehgeber zeichnet sich nicht nur durch Auflösungen von bis zu 12-Bit in der Multiturn- und bis zu 22-Bit in der Single Turn-Version aus. Er ist mit einem Durchmesser von nur 70 mm und einem Wellendurchmesser von nur 10 mm (Vollwelle) auch sehr kompakt. Für eine umfassende Kompatibilität der Drehgeber sorgen ihre zahlreichen Schnittstellen wie SSI/BiSS und SSI (programmierbar) sowie Profibus,
CANopen und DeviceNet.

Hengstler hat den Drehgeber mit Edelstahlgehäuse entsprechend der ATEX- und IECEx-Richtlinien speziell für den Einsatz in explosionsgefährdeten Bereichen entwickelt (EN 60079). Der ACURO AX71 eignet sich deshalb für die ATEX-Zonen Ex II 2 G Ex d IIC T4 Gb beziehungsweise Ex II 2 D Ex tb IIIC T135°C Db IP6X. Solche Zonen finden sich zum Beispiel in Lackier-, Abfüll-, Misch- oder Siloanlagen sowie in der Petrochemischen Industrie oder in Mühlen.

Für Herrenknecht wurde der ACURO AX71 zudem individuell angepasst. So erhielt der Drehgeber eine Skalierung, auch Restwertverrechnung oder Rundtakt-Funktion genannt. Sie bewirkt, dass der Encoder nach einer bestimmten Anzahl an Drehungen auf 0 zurückgesetzt wird. Der Restwert wird gespeichert und steht nach dem Einschalten des Drehgebers sofort wieder zur Verfügung.

Über 10 Jahre im Bohr-Einsatz

Herrenknecht setzt die Hengstler-Drehgeber bereits seit über 10 Jahren erfolgreich ein und wird sie auch an einer neuen Geothermie-Anlage verbauen, die gerade designt wird. „Wir sind sehr am neuen ACURO AX73 interessiert“, sagt Jürgen Binder, der der Technische Leiter von Herrenknecht Vertical. Kein Wunder: Das Gehäuse des druckfest gekapselten Drehgebers, bei dem der Anwender sein eigenes Kabel durch ausgereifte Verschlusstechnik bequem selbst installieren kann, würde sogar eine Explosion in seinem Innern überstehen. Eventuell auftretende Funken verlöschen zudem, bevor sie nach außen gelangen können.

Bildergalerie

  • Der Absolutwertgeber ACURO AX71 von Hengstler sorgt in den Tiefbohranlagen für die exakte Positionierung des Bohrantriebs und des Hebewerks.

    Der Absolutwertgeber ACURO AX71 von Hengstler sorgt in den Tiefbohranlagen für die exakte Positionierung des Bohrantriebs und des Hebewerks.

    Bild: Hengstler

  • Die Tiefbohranlagen von Herrenknecht können Energievorkommen in Tiefen von bis zu 8.000 Metern erreichen.

    Die Tiefbohranlagen von Herrenknecht können Energievorkommen in Tiefen von bis zu 8.000 Metern erreichen.

    Bild: Herrenknecht Vertical

  • Terra Invader-Tiefbohranlagen von Herrenknecht eignen sich auch für den Offshore-Einsatz.

    Terra Invader-Tiefbohranlagen von Herrenknecht eignen sich auch für den Offshore-Einsatz.

    Bild: Herrenknecht Vertical

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