Eine Halle kann ein Karrieresprungbrett sein. Zumindest wenn die Halle 4.800 m² groß ist, elf Millionen Euro gekostet hat und Platz bietet für 50 Mitarbeiter. Für Stefan Kern brachte die Elastomer-Fertigungshalle, die Netzsch 2013 neu eröffnete, eine gewisse Eigendynamik. Er leitete die Montage beim Waldkraiburger Pumpenspezialist, als sein Vorgesetzter ihn fragte, ob er nicht Lust habe, das Projektteam zu verstärken, das die Halle entwickelte. „Ursprünglich waren 10 Prozent meiner Arbeitszeit für die Halle eingeplant, aber schon in der Planungsphase hat sich das verstärkt und als dann der Startschuss gegeben wurde, wurde ich gefragt, ob ich nicht Gesamt-Projektleiter werden will“, erklärt Stefan Kern die Zusammenhänge. Heute ist er verantwortlich für die Elastomerproduktion des Unternehmens.
Waschen, aufrauen, gummieren
Kern ist somit Leiter derjenigen bei Netzsch, welche die verschiedenen Elastomerbauteile für Exzenterschnecken- und Drehkolbenopumpen herstellen. Fast allen ist gemeinsam, dass jeweils Elastomere mit anderen Komponenten wie beispielsweise Metallen oder Glasfasern verbunden werden. „Elastomer und Metall verträgt sich im Regelfall nicht“, erläutert Stefan Kern. „Deswegen sind dafür relativ aufwendige Vorprozesse notwendig.“ Einige dieser Vorprozesse hat das Unternehmen auch erst mit dem Bau der Halle in seine Fertigungskette übernommen.
So wird das Metall entfettet und gewaschen, bevor die Oberfläche aufgeraut und die Gummierung mittels Extruder-, Pressen- oder Spritzguss aufgebracht wird. „In einen Stator, ein längliches Metallrohr, wird das Elastomer beispielsweise einvulkanisiert, also mit Druck eingepresst und anschließend im Becken mit heißem Wärmeleitmedium ausvulkanisiert, bevor es abgekühlt und entformt wird“, weiß der Hallenchef. Zurzeit baut man bei Netzsch etwa 70.000 Statoren pro Jahr. Es sollen aber mehr werden und die Anwendungsgebiete will man ebenfalls ausweiten.
Technik mit wirtschaftlichem Nutzen
So ist die Halle auch vor dem Hintergrund entstanden, dass das Unternehmen, das bisher vor allem für seine Industrie-Exzenterschneckenpumpen bekannt ist, nun auch für die Erdölförderung Statoren am Strandort im oberbayerischen Waldkraiburg fertigen will. Solche Statoren können bis zu 15 Meter Länge aufweisen. Weil es teuer ist, Komponenten im Ölfeld auszuwechseln, gelten hier besondere Qualitätsanforderungen – schließlich liegt die Pumpe bis zu drei Kilometer in der Erde verborgen. „An Bauteile heranzukommen ist unter diesen Bedingungen teurer als die Geräte selbst“, beschreibt Stefan Kern die Verhältnisse.
Wirtschaftliche Zusammenhänge und technisches Know-how zusammenzubringen ihm. Er ist gerne das Bindeglied zwischen den beiden Welten. Dezidierte Fachkenntnisse in der Elastomer-Technik musste er sich dagegen erst erarbeiten – hier ist der gebürtige Haager schließlich Quereinsteiger. Früher hat er in der Automobilindustrie gearbeitet, wo er für die kontinuierliche Verbesserung von Gasgeneratoren in Airbag-Systemen zuständig war.
„Da galt eine Null-Fehler-Strategie, da Produktionsfehler Menschenleben gefährdet hätten“, blickt der Ingenieur zurück. Die Ausbildung zum Qualitätsmanager, die in er in dieser Zeit gemacht hat, kommt ihm heute zugute. In der Strahlerei hat er erst kürzlich eine sogenannte Qualitätsreglerkarte eingeführt, mittels derer Streuung und wirkliche Mittelwerte von Messergebnissen visualisiert werden.
Listen und Glücksräder
„So werden wir frühzeitig auf systematische Prozesseinflüsse aufmerksam gemacht“, sagt Kern. Sogenannte 7-S-Audits evaluieren Ordnung, Sauberkeit und systematisches Arbeiten in den einzelnen Abteilungen – welcher Bereich sich einer genauen Inspektion unterziehen muss, wird übrigens per Glücksrad ermittelt. Und im Rahmen eines Ideenmanagements gibt es Prämien für Mitarbeiter, die Verbesserungsvorschläge einbringen, die dem Unternehmen Geld einsparen.
Seinen eigenen Arbeitsstil hat Stefan Kern übrigens auch optimiert. Er geht strukturierter an Projekte heran. Schließlich gilt es, 50 Mitarbeiter und ein Dreischichten-Modell, das über 24 Stunden läuft, zu korrdinieren. Ihm sei es wichtig, das Aufgabenpaket klar abzustecken, Teilprojekte zu definieren und dann zusammen im Team eine gemeinsame Herangehensweise zu entwickeln.
„Ab einer gewissen Komplexität eines Projekts ist es wichtig, dass man Aktionslisten mit definierten Verantwortlichkeiten erstellt“, sagt Kern. Vor allem sei es auch wichtig, dass man offen über Fehler reden könne. „Jeder muss sich trauen, die Hand zu heben, wenn es irgendwo Probleme gibt.“ Doch der Zusammenhalt im Team ist sehr gut uns lösungsorientiert.
Work-Life-Balance
50 Mitarbeiter, eine große Halle und die Herausforderungen des wachsenden Down-Hole-Geschäfts – so schnell wird Stefan Kern die Arbeit nicht ausgehen. Ab und zu falle da schon einmal ein Wochenende aus, gibt er zu: „Aber das sind Ausnahmen.“ Schließlich reist der Leiter der Elastomerproduktion gern. Und er hat auch eine Familie: Tochter Saskia ist 16 Jahre alt und geht noch aufs Gymnasium. „Das ist eine spannende Phase, aber die Pubertät hat sie zum Glück schon hinter sich.“ Jetzt will Saskia Ingenieurin werden – genau wie der Vater.