Augmented Reality – was ist das konkret? Wo liegt eigentlich der Unterschied zwischen Virtual Reality und Augmented Reality? Eine kurze Definition und Abgrenzung: Während mit Virtual Reality die reale Welt vollständig ausgeblendet und durch eine synthetisch erzeugte Umgebung ersetzt wird, bleibt die Realität bei Augmented Reality weiterhin erhalten und wird lediglich um virtuelle Elemente ergänzt. Wir sehen das fast täglich im Fernsehen, wenn bei Sportübertragungen eingeblendete Pfeile oder Kreise die strategischen Bewegungen erklären. Oder im Auto, wenn Navigationshinweise auf der Windschutzscheibe erscheinen. Auch künftige Gebäude oder ganze Zimmereinrichtungen lassen sich mit Augmented Reality visualisieren.
Auch bei Lapp konnten mit der AR-Technologie bereits viele Arbeits- und Abstimmungsprozesse erleichtert werden. „Für uns ist Augmented Reality ein wichtiges Hilfsmittel, um vor Ort zu sein, ohne tatsächlich körperlich anwesend zu sein“, sagt Markus Liller, Leiter Supplier Management bei der Lapp. Gerade für die Auswahl geeigneter Lieferanten wird Augmented Reality immer häufiger genutzt.
In der Corona-Pandemie fing alles an. Der Besuch von potentiellen Lieferanten und die Überprüfungen von bestehenden Lieferanten war damals kaum mehr möglich, weil Reisen untersagt waren oder mit immens hohem Aufwand verbunden waren. Das Team vom Supplier Management konnte damit seinen Job nicht mehr sorgfältig ausüben. Vor-Ort-Begehungen waren nicht mehr machbar. Unter der Projektleitung von Markus Liller wurde daher nach alternativen Technologien gesucht, um wenigstens eine digitale Qualitätssicherung zu ermöglichen.
Als neuer Partner wurde hierfür der italienische Softwareanbieter OverIT mit seiner cloudbasierten Software Space1 gefunden. Mit einer geliehenen vorkonfektionierten AR-Brille fing alles an. Heute hat Lapp mit OverIT einen mehrjährigen Vertrag mit Lizenzen für die ganze Lapp-Gruppe weltweit geschlossen und an den vielen Produktions- und Vertriebsstandorten kommen die Augmented-Reality-Brillen immer öfter zum Einsatz. „Rein theoretisch könnte zwar auch das Smartphone mit der AR-Software genutzt werden, aber durch die AR-Brille hat jeder seine Hände frei und kann so Instruktionen besser folgen“, so Liller.
Digitales Fernrohr
Aber wie funktioniert das eigentlich konkret? Die Augmented-Reality-Brille ist quasi ein megastarkes digitales Fernglas, mit dem man über hunderte oder tausende von Kilometern Entfernung auf die genauen Buchtitel eines Wohnzimmerregals sehen kann – wo auch immer auf der Welt. Dafür braucht man lediglich einen Laptop mit entsprechender Software und eine Person, die sich in diesem weit entfernten Wohnzimmer befindet und die gerade mit der entsprechend konfigurierten AR-Brille auf dem Kopf auf das Bücherregal blickt. Die Person am Laptop kann dem AR-Brillenträger dann genau sagen oder auch mit digitalen Zeichen am Laptop mitteilen, welches Buch aus dem Regal gezogen werden soll und welche Seite im Buch aufgeschlagen werden soll. Genauso funktioniert es auch in der Fabrik. Der „Spezialist“ sitzt am Laptop und sieht genau, was der AR-Brillenträger gerade sieht. Er kann mit dieser Person sprechen und ihr genau mitteilen, was gezeigt werden soll. Wenn es sprachliche Barrieren gibt, sind auch Symbole möglich. Den Pfeil oder Kreis auf dem Laptop sieht auch der Brillenträger vor Ort und kann entsprechend handeln.
Sehr erfolgreich wird die AR-Technologie seit der Corona-Pandemie im Supplier Management eingesetzt. Hier geht es nicht nur um Produktionsstandards, sondern auch um die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutz nach dem neuen deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. So hat das Supplier-Management-Team beispielsweise zur Überprüfung eines potentiellen Lieferanten aus Indien eine vorkonfigurierte Augmented-Reality-Brille dem Lieferanten zugeschickt, womit dieser dann durch sein Werk gehen konnte. Der Termin war sehr kurzfristig angesetzt, da hier der besondere Fokus auf die Einhaltung von Arbeitssicherheits-Maßnahmen bestand. Am „anderen Ende“ saß in Deutschland ein Mitarbeiter aus dem Supplier Management vor seinem Laptop und sah genau das, was der andere mit seiner Brille sah. Er konnte mündlich oder auch digital mit Zeichen genau vorgeben, welche Bereiche in der dortigen Produktion gezeigt werden sollten. Gleichzeitig konnte er die entsprechenden Bilder und Videos abspeichern, um die Prüfung zu dokumentieren. Fazit: Der Kabelhersteller hat das Audit bestanden und konnte als neuer Lieferant bei Lapp aufgenommen werden.
AR-Einsatz auch in der Produktion
Auf Grund der guten Erfahrungen im Supplier Management wird die AR-Technologie auch immer häufiger in der Produktion angewendet. Vor allem dann, wenn schnell Hilfe nötig und kein Experte vor Ort ist. So musste beispielsweise eine große Maschine aus China zur Erweiterung der Produktionskapazität in Indien innerhalb kürzester Zeit aufgebaut werden. Da noch Reiseverbot herrschte, unterstützte der chinesische Hersteller den Aufbau, indem alle Schritte über die AR-Brille vor Ort auf sein Laptop übertragen wurde und er die nächsten Aufbau-Schritte mitteilen konnte.
Auch bei einem ungeplanten nächtlichen Ausfall einer Maschine half die AR-Technologie. Der Maschinenbediener alarmierte einen Experten, der nicht vor Ort war. Mit Hilfe der AR-Brille konnte der Experte trotzdem einen genauen Blick auf die Maschine werfen und dem Bediener genaue Anleitungen geben, um die Produktion wieder zu starten.
Die AR-Software bietet noch zahlreiche weitere Möglichkeiten: Sie kann auch zusätzliche Informationen wie Wartungsanweisungen, Zeichnungen oder Fehlerdiagnosen anzeigen, um den Brillenträger zu unterstützen. Vor allem bei Fehlerbehebungen ist das sehr hilfreich. „In der AR-Technologie steckt noch viel Potential. Wir bei Lapp werden die Nutzung sicher weiter ausbauen“, betont Liller.