Anlagenbau & Betrieb Baukasten für die Pharmabranche

19.09.2013

Seit den achtziger Jahren hat die Laborautomatisierung die chemische und pharmazeutische Forschung grundlegend verändert. Ein Hersteller überträgt nun sein Konzept für Laborautomation und Handling auf den Pharmamarkt.

Mischen, rühren, dosieren, applizieren: Unabhängig vom Ergebnis bildet eine Maschine bestimmte Prozesse ab. Am Ende dieser Prozesse kann ein Lack, ein Pflanzenschutzmittel, ein Klebstoff oder auch eine pharmazeutische Formulierung stehen. Die Pharmaindustrie kann also von solchen Verfahren und Systemen, die in der Chemie lange schon bewährt sind, lernen und profitieren. Während pharmazeutische Labore ihre Prozesse zunehmend automatisieren, steigt der Bedarf an individuellen Lösungen und hochkomplexen Sondermaschinen. Bosch Packaging Technology entwickelt und vermarktet Hochdurchsatztechnologien und Laborautomation zur effizienten und schnelleren Ausarbeitung von neuen Materialien und Formulierungen. Im Mittelpunkt steht die Überführung kundenspezifischer Entwicklungsprozesse in industrietaugliche, flexible und modular aufgebaute Automationslösungen für den Pharmamarkt - von der Grundlagenforschung bis zur Produktions- und Qualitätskontrolle. Über viele Jahrzehnte erarbeiteten chemische und pharmazeutische Laboranten ihre Proben in zahllosen manuellen Versuchsreihen. Veränderung brachten Methoden der Kombinatorischen Chemie, die vor allem für die Entwicklung neuer Medikamente in der pharmazeutischen Forschung von großer Bedeutung sind. Automatisierung vereinfachte die verfahrenstechnischen Operationen und steigerte zudem die Reproduzierbarkeit der Versuchsergebnisse erheblich: Im Vergleich zum klassischen Labor führten automatisierte Prozesse und damit parallel durchführbare Versuche zu einer enormen Verbesserung der Ergebnisse, da die Tests mit verhältnismäßig geringem Aufwand beliebig oft wiederholt werden konnten. Bosch belieferte mit seinen Automationslösungen zunächst den Chemiemarkt mit seinen speziellen Anforderungen, etwa an hohe Viskositäten oder Temperaturen.

Schnellere Ergebnisse, weniger Rohstoffverbrauch

Nun sind auch in der pharmazeutischen Industrie neue Lösungen gefragt, die über den bisherigen Standard hinausgehen. Hier kann Bosch auf umfangreiche Erfahrungen mit hochwirksamen Substanzen in der chemischen Industrie zurückgreifen. Mithilfe automatisierter Verfahren im Labor verfügen Anwender über ein breiteres Spektrum an Prozessen und analytischen Möglichkeiten. Dank der nun erhältlichen großen Anzahl an Proben führen automatisierte Prozesse weitaus schneller zum Produkt, während sie den Verbrauch an Rohstoffen deutlich senken. Lösungen zur Laborautomation wie die Anlagen für High-Throughput-Synthesis and Screening liefern so rasch höheren Durchsatz. In der chemischen Industrie erhöht die Automatisierung die Effizienz im Labor schätzungsweise um den Faktor 2,5, was eine Einsparung von 60Prozent in Bezug auf Zeit und Kosten bedeutet. Und noch einen weiteren entscheidenden Vorteil liefert das automatische Labor: Oftmals werden bei manuell durchgeführten Versuchen zur Formulierungsentwicklung geeignete Reaktionen und Prozessparameter gar nicht gefunden. Manche Additive hat das manuelle Labor als nicht verwertbar eingestuft und ausgesondert. Bei automatisierten Versuchsreihen stellen sich genau solche Additive in Kombinationen mit anderen Stoffen, zum Beispiel bei der Suche nach der Löslichkeit von Wirkstoffen, als sehr hilfreich heraus. Auch die ursprünglich für die Chemieindustrie entwickelte BLS-Spritze (Bosch Lab Systems) verspricht dem pharmazeutischen Labor große Fortschritte. Die Spritze bildet gemeinsam mit der Pulverformulierung die Basis der Formulierungstechnologie. Als Rohstoffe für die Mischung dienen, sowohl im chemischen als auch im pharmazeutischen Bereich, Flüssigkeiten mit unterschiedlicher Viskosität sowie verschiedene Pigmente und Zusatzstoffe. Herkömmliche Dosiertechnologien applizieren die verschiedenen Flüssigkeiten, indem sie das Material ansaugen. Medien mit hoher Viskosität können mit dieser Technologie nicht verarbeitet werden. Die BLS-Spritze bietet hier eine große Erleichterung, denn ihr Zylinder kann Medien mit verschiedener Konsistenz aufnehmen. Durch Einsetzen eines Kolbens mit separatem Auslass wird die Spritze zu einer sehr präzisen Dosiervorrichtung. Mit der luftfrei gefüllten Spritze hat der Anwender zudem Rohstoffbehälter und Reaktionsprozessgefäß in einem. Die gleiche Spritze kann sowohl zur Herstellung der Formulierung als auch zum Applizieren der Rezeptur auf einer Oberfläche eingesetzt werden, um die Eigenschaften der Formulierung realitätsnah zu testen. Dergestalt lassen sich auch hochkomplexe Formulierungen wie beispielsweise Öl/Wasser-Emulsionen produzieren. Bei der verwendeten Wegwerfspritze entfällt nicht nur der Reinigungsaufwand, es entstehen auch deutlich geringere Mengen Flüssigabfall.

Module flexibel kombiniert

Die Kompetenzen von Bosch umfassen auch größere Anlagen, die das Handling signifikant vereinfachen. Notwendige komplexe Bewegungen können über Handling-Roboter realisiert werden, die sich entlang einer Linearachse bewegen. Diese Roboter werden mit standardisierten Modulen auf die Belange des Kunden angepasst. Maßgebend für die Flexibilität der verschiedenen Modulkombinationen ist deren technologische Ausgangsbasis: Die kundenspezifischen Lösungen stützen sich auf ein gemeinsames Baukastensystem, aus dem die erforderlichen Module miteinander verknüpft werden. Mit diesem Verfahren können durch die Kombination verschiedener Baugruppen entlang der Wertschöpfungskette von der Grundlagenforschung bis zur Qualitätskontrolle komplexe Spezialkonstruktionen angeboten werdem. Dies schließt die Integration externer, kundeneigener Prozesse mit ein. Um die entsprechenden Prozesse reibungslos zu koordinieren, setzt der Hersteller eine eigene Labor- und Anlagensteuerungssoftware ein, den Workflow-Manager. Jedes einzelne Maschinenmodul wird über einen SPS-Baustein gesteuert, während der Workflow-Manager die komplexen Prozesse aufeinander abstimmt und kontrolliert. Die Software kann sowohl Anlagen, Labor- und Messgeräte als auch einzelne Arbeitsplätze ansteuern. Neben der Technologieentwicklung werden für den Kunden verschiedene Anwendungsmöglichkeiten getestet und Machbarkeitsstudien durchgeführt: Wie passen die Produktionsprozesse zusammen? Wie lassen sich spezifische manuelle Prozesse im Labor automatisieren? Wie kann man großtechnische Prozesse auf den Labormaßstab übertragen? Das beschriebene Konzept hat in den letzten Jahren in der chemischen Industrie vielfach erfolgreich Anwendung gefunden. So kooperierte Bosch beispielsweise mit der BASF bei der Entwicklung einer High-Throughput-Screening-Anlage für die Lackentwicklung, auf der bis zu hundert verschiedene Lacksysteme in kürzester Zeit bearbeitet werden können. Ein Schlüssel zum Erfolg, angesichts der Breite der zu untersuchenden Lacksysteme, war das BLS-Spritzen-Dosiersystem. Auch im Pharmamarkt haben diese Leistungen bereits Fuß gefasst. So verwendet beispielsweise ein Unternehmen einen Kommissionier- und Kuvertierroboter für die Einlagerung und Versendung von DNA-Proben.

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