Wie kann man winzige mechanische Kräfte in elektrische Signale umwandeln? Und wie kann man umgekehrt elektrische Signale in mechanische Bewegungen übersetzen? Solche Herausforderungen löst man oft mit Hilfe winziger piezoelektrischer Bauelemente. In ganz unterschiedlichen Arten von Sensoren spielen sie heute eine Rolle – vom Beschleunigungsmessgerät bis zum Mikrophon.
An grundlegenden Fragen zu piezoelektrischen Materialien und Bauelementen wird nun im neuen Christian-Doppler-Labor geforscht, das am 13.07.2023 am Institut für Sensor- und Aktuatorsysteme der TU Wien eröffnet wurde. Finanziert wird es vom Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft und von zwei Industriepartnern: Infineon Technologies und Scia Systems.
Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher betont das große Potential der Forschungsarbeiten: „Sie sind unsichtbare Alltagsbegleiter in unserer digitalisierten Welt, und weder moderne Fahrzeuge noch Smartphones würden ohne sie funktionieren: Mikroskopisch kleine Geräte, die ihre Umwelt sowohl messen als auch auf sie einwirken können. Beide Funktionen – das Messen und das Einwirken – müssen verbessert werden, um angestrebte zukünftige Anwendungen zu ermöglichen: Autonomes Fahren, Echtzeit-Überwachung von Partikelbelastung, Ultraschallsensoren und vieles mehr. Dieses CD-Labor wird mit seiner Grundlagenforschung einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, dass diese Ziele erreicht werden, und gleichzeitig den Standort Österreich stärken.“
Mechanische Bewegungen, elektrische Signale
Als „mikroelektromechanische Systeme“ (kurz „MEMS“) bezeichnet man Bauteile, typischerweise mit Abmessungen im Mikrometer-Bereich, die elektrische und mechanische Effekte miteinander verbinden. So kann zum Beispiel das Stauchen oder Dehnen bestimmter Materialien ein elektrisches Signal hervorrufen – oder man erzeugt umgekehrt durch das Anlegen einer elektrischen Spannung eine mechanische Bewegung eines Bauteils.
„Piezoelektrische MEMS erleben seit Jahrzehnten einen kontinuierlichen Aufschwung, für immer mehr Anwendungen werden sie eingesetzt“, sagt Michael Schneider, der Leiter des neuen Labors. „Das liegt mitunter auch daran, dass man immer neue Materialien und Bauelementkonzepte entwickelt, aus denen sich MEMS mit immer besseren Eigenschaften herstellen lassen.“ Moderne Materialien wie Aluminiumnitrid und Scandium-Aluminiumnitrid sind zudem kompatibel mit etablierter Mikrochip-Technologie, wodurch extrem kompakte und leistungsfähige Kombinationen von Sensorik und Datenverarbeitung möglich werden.
Zwei Probleme, zwei Lösungen
Allerdings hat man bei der Arbeit mit solchen Bauteilen immer mit gewissen Problemen zu kämpfen – etwa mit unerwünschtem Rauschen. „Jeder Sensor hat ein gewisses Rauschen, das lässt sich niemals ganz verhindern. In unserem neuen Labor möchten wir aber der Frage auf den Grund gehen, woher das Rauschen bei unseren piezoelektrischen Silizium-MEMS tatsächlich kommt, von welchen Materialeigenschaften es abhängt und wie man es am besten reduzieren kann“, sagt Michael Schneider.
Ein zweites Problem, das man im neuen Labor unter die Lupe nehmen möchte, sind die extrem geringen mechanischen Bewegungen, die man insbesondere mit piezoelektrischen MEMS hervorrufen kann: Sie bewegen sich oft in Größenordnungen unterhalb von einem Mikrometer. Für viele technische Anwendungen ist es aber wünschenswert, elektrische Signale in größere mechanische Bewegung übersetzen zu können.
Das soll mit Hilfe sogenannter bistabiler Systeme gelingen, hofft Michael Schneider. Das sind Systeme, die sich in zwei verschiedenen stabilen Zuständen befinden können – wie etwa ein Kippschalter, den man von „an“ auf „aus“ schalten kann, und wieder zurück. Ihn auf einer Position dazwischen zu balancieren, ist aber nicht möglich.
Solche bistabilen Systeme will Michael Schneider in MEMS nachbauen und mit Hilfe von piezoelektrischen Wandlern von einem Zustand in den anderen schalten – dadurch ließe sich eine viel größere mechanische Wirkung erzeugen als mit herkömmlichen rein linearen mechanischen Mikrostrukturen.
Über Christian-Doppler-Labors
In Christian-Doppler-Labors wird anwendungsorientierte Grundlagenforschung auf hohem Niveau betrieben, hervorragende Forschende kooperieren dazu mit innovationsbereiten Unternehmen. Für die Förderung dieser Zusammenarbeit gilt die Christian Doppler Forschungsgesellschaft international als Best-Practice-Beispiel.
Christian-Doppler-Labors werden von der öffentlichen Hand und den beteiligten Unternehmen gemeinsam finanziert. Wichtigster öffentlicher Fördergeber ist das Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft (BMAW).