Wenn technisches Tüftlergemüt, fachliches Spitzen-Know-how und Unternehmergeist aufeinandertreffen, verspricht das spannende Entwicklungen. Sind diese Eigenschaften in einem Menschen vereint, ist das ein echter Turbo für neue Ideen und deren reale Umsetzung. So ist das auch bei Andreas Melkus, dem Gründer und 50 Prozent Eigentümer des Elektronikunternehmens Sigmatek, der seit 2014 mit Melkus Mechatronic im Markt für Fahrerlose Transportsysteme im wahrsten Sinne des Wortes für Bewegung sorgt.
Die Geschäftsführungsagenden bei Sigmatek hat Andreas Melkus seinem Sohn Alexander übergeben. Eine Nachfolge und ein Generationenwechsel, der ihn merklich mit Stolz erfüllt, denn es ist durchaus nicht selbstverständlich, dass solch ein Übergang derart erfolgreich verläuft. Aber Andreas Melkus hatte ja auch nicht vor, seine Zukunft schwerpunktmäßig mit Rasenmähen oder dem Zusammenräumen seiner Garage zu verbringen. Als Rentner sah er sich jedenfalls noch lange nicht. Aufgaben voraus! Aber wie kommt ein Elektronik-Spezialist in die Logistik?
Andreas Melkus: „Als Geschäftsführer von Sigmatek war ich für die Entwicklung und den Vertrieb zuständig. Dazu kam die jahrzehntelange Erfahrung in der Antriebstechnik und der Elektronik. Das wollte ich mit etwas Neuem, einer Herausforderung mit großem Potential verbinden. Am besten wäre es natürlich, wenn das auch für Sigmatek Geschäft bringen würde. Das brachte mich auf das Thema AGVs. Ein Markt, der mit Industrie 4.0 immer mehr in den Fokus rückt. Die Idee der mobilen Fabrik hat mich in ihren Bann gezogen und lässt mich nicht mehr los.“
Vision von Inseln nach Bedarf
Flexibilität wird immer mehr zum entscheidenden Erfolgsfaktor in der Fertigung – der Schlüssel zur wirtschaftlichen Realisierung von Losgröße 1. Für Andreas Melkus ist klar: „Zukünftig wird es in vielen Produktionen keine feste Verkettung mehr geben, sondern flexible Fertigungsprozesse, bei denen sich nach Bedarf Arbeitsinseln bilden und wieder auflösen. Diese Vision hat mich fasziniert und zur innerbetrieblichen Logistik geführt“.
Mit dem 2014 gegründeten Unternehmen Melkus Mechatronic schuf Andreas Melkus die Voraussetzungen für den betrieblichen Einstieg in die Welt der AGVs. Technologie von Sigmatek war natürlich von Beginn an dabei. „Wir hatten Zugriff auf die elektronischen und mechanischen Komponenten von Sigmatek und eine top Entwicklungsabteilung, die bereit war, Lösungen zielgerichtet weiterzuentwickeln – eine perfekte Partnerschaft.“
Geringe Flächenbelastung
Agumos, so heißen die flinken AGVs, mit denen Melkus Mechatronic Bewegung in die Fertigung bringt. Wesentliche Aspekte bei ihrer Konstruktion waren die Wendigkeit, eine kleine Bauform, eine geringe Flächenbelastung und vor allem Modularität, sodass basierend auf einem Konzept unterschiedlichste AGVs realisiert werden können – vom Transport kleiner und großer Kisten bis hin zur vollbeladenen Palette.
Die Antriebstechnik verteilt sich auf acht Räder, damit entsteht bei Agumos eine relativ geringe punktuelle Bodenbelastung und durch die drehenden Fahrwerke dreht sich nie ein Rad am Stand.
Auf die „Range“ kommt es an
Die zurückgelegte Strecke bis zum nächsten Aufladen ist bei AGVs ein entscheidender Faktor. Besonderes Augenmerk lag bei der Entwicklung der Transportfahrzeugplattform daher auf geringem Eigengewicht und der Energierückgewinnung, um mit den Akkus eine möglichst hohe Reichweite zu erlangen.
Andreas Melkus: „Eine durchgängig durchdachte Konstruktion, die Verwendung von State-of-the-Art Akku-Technik, eine zuverlässige und schnelle W-LAN-Technologie und etliche andere wichtige Entwicklungen, haben derart kompakte AGVs erst möglich gemacht. Mit Agumos haben wir ausgezeichnete Karten. Die Plattform beruht auf einem optimal abgestimmten Paket aus Antriebstechnik, Bauform, Wirkungsgrad und Sicherheitstechnik. Damit können wir bei Anwendungen in unterschiedlichsten Bereichen punkten.“
Die komplette Antriebstechnik und die Elektronik kommen – mit Ausnahme der Laser-Scanner – von Sigmatek. Die Konstruktion, Softwareentwicklung, Montage und der Versand erfolgen bei Melkus. Die mechanische Fertigung der Einzelkomponenten erfolgt durch sorgfältig ausgewählte Partner.
Safety an Bord
Top Sicherheitstechnik ist unerlässlich bei einem AGV. Ist man früher noch teilweise davon ausgegangen, dass diese Fahrzeuge nur in abgeschotteten Bereichen zum Einsatz kommen, weiß man heute, dass das in der Praxis und auf Dauer
unrealistisch ist, denn der Mensch muss hin und wieder Hand anlegen.
Andreas Melkus: „Heute würde man kaum in eine Transportlösung investieren, bei der man im Service-Fall die ganze Anlage abschalten muss. Die Fahrzeuge müssen daher einen personensicheren Betrieb garantieren. Da kommt es natürlich auf entsprechend hochkarätige Sensorik an. In Sick haben wir den richtigen Partner dafür gefunden.“
Sind Menschen im Spiel, müssen Sensor, Auswerteeinheit und Aktor – also die gesamte Kette innerhalb des Systems – dem hohen Performance-Level d entsprechen, sonst heißt es „runter vom Gas“. Andreas Melkus: „Wenn die geforderte Sicherheit nicht gewährleistet ist, muss die Geschwindigkeit der AGVs auf unter 300 mm pro Sekunde reduziert werden. Diese ‚Schleichfahrt‘ ist bei größeren Entfernungen seitens der Betreiber natürlich nicht erwünscht. Also braucht man einen höchst zuverlässigen Sicherheits-Scanner. Sick hat mit dem Sicherheits-Laserscanner S300 Expert die perfekte Lösung für uns – er erlaubt das Erreichen von Performance-Level d nach EN ISO 13849. So kann Agumos ordentlich Tempo machen.“
Scanner mit 48 Schutzfeldern
Die Varianten der S300 Scannerfamilie unterscheiden sich in erster Linie durch die Anzahl der zu konfigurierenden Schutzfelder. Das eröffnet unterschiedlichste Anwendungsmöglichkeiten. Werner Zipperer, Market Product Manager Industrial Safety & Motion Control Sensors bei Sick Österreich: „Die Ausprägungen ‚Professional‘ und ‚Expert‘ kommen vor allem in mobilen Anwendungen zum Einsatz, da sie über die höchste Anzahl an frei konfigurierbaren Feldsätzen verfügen, eine Rohdatenschnittstelle haben und auch dynamische Eingänge, über die Encoder-Signale vom Antrieb direkt verarbeitet werden können – ideal für die AGVs von Melkus Mechatronic.“ Der S300 Expert verfügt über 48 zu definierende Schutzfelder mit bis zu 32 Überwachungsfällen. Der Scanwinkel liegt bei 270 Grad, die Schutzfeldreichweite beträgt drei Meter, das Warnfeld kann auf bis zu acht Meter konfiguriert werden.
Bei Verletzung des Schutzfeldes durch eine Person wird eine entsprechende Sicherheitsfunktion ausgelöst. Werner Zipperer: „Verlangsamen der Fahrt, akustische und visuelle Warnungen sowie das komplette Anhalten sind – je nach Bedarf – implementiert. Zusätzlich bieten die Sicherheits-Laserscanner auch eine RS422-Schnittstelle, die zur Übertragung von Rohdaten und zur Navigationsunterstützung verwendet wird.“ Andreas Melkus: „Wir haben hier insgesamt 17 sicherheitsgerichtete und acht übergeordnete Prozessoren verbaut, die die einzelnen Fahrwerke, die Fahrwerke zueinander und auch die Kinematik überwachen.“ Bei einer Fahrt im Kreis dreht jedes Rad in einer anderen Geschwindigkeit. Das ergibt einen Einschlag, damit ein Kreis entsteht. „Wenn das in Summe nicht stimmt, greift die Sicherheitssteuerung ein. Das heißt: Wir fahren hier nicht nur mit sicherer Geschwindigkeit, sondern auch mit einer sicheren Richtung“, so Melkus.
Kein Fremdlichteinfluss
Der Bauraum ist bei AGVs ein wichtiger Faktor – das gilt nicht nur für den schlanken S300. Besonders wenig Platz ist auch in den für den Palettentransport unerlässlichen Kufen, die bei der Palettenaufnahme präzise unter der Palette einfahren müssen. Dabei kommt es auf jeden Millimeter an.
Insbesondere in der Höhe wird es eng, da die Kufen nirgendwo anstehen dürfen. Also hat sich Melkus auch hier an die Sensorspezialisten von Sick gewandt: „Die Experten haben einen 2D-LiDAR-Sensor für uns so modifiziert, dass wir ihn direkt in die Gabel einbauen können – eine Lösung, die es so bisher nicht gab.“
Exakte Positionierung
Während bei voller Fahrt der S300 Expert für die Sicherheit von Mensch und Maschine sorgt, geht es beim 2D LiDAR (Light detection and ranging) Sensor TiM5 um die exakte Positionierung beim langsamen Einfahren der Kufen unter der Palette. Je Kufen-Spitze ist ein Sensor zur Erfassung verbaut.
René Klausrigler, Market Product Manager Identification & Measurement bei Sick Österreich: „Bei der Einfahrt unter die Palette, die im Rückwärtsgang erfolgt, liefert der 2D LiDAR-Sensor TiM5 die Daten für die Feinpositionierung der AGVs. Die zur Verfügung stehende Einbauhöhe innerhalb der Kufe war eine echte Herausforderung. Dies konnten wir mit einer speziell für diese Anwendung entwickelten Sonderausführung unseres TiM-Sensors realisieren. Dieser wurde in seiner Bauform speziell für die Kufe adaptiert. Da war echtes Teamwork gefragt.“
Zudem ist der Sensor dank HDDM (High Definition Distance Measurement) besonders fremdlichtsicher und äußerst kommunikativ – eine Ethernetschnittstelle ermöglicht eine einfache Integration und Fernwartung.
Flexible Lösung
Auch wenn das Ziel bei Melkus Mechatronic die Serienfertigung ist, gibt es hier längst nicht nur AGVs „von der Stange“. Auf Kundenwünsche wird eingegangen. Andreas Melkus: „Bei uns wird laufend individuell modifiziert. Ein rotes Sicherheitslicht oder ein blaues, ein Mast von 2,5 oder – wegen einer niedrigen Durchfahrt – maximal 1,2 Metern, unterschiedlichste Navigationssysteme und Bedienfelder – wir haben Agumos von Beginn an modular entwickelt. Das ist der Schlüssel zu echter Flexibilität, wie man sie in der Fertigung 4.0 benötigt. Nicht nur die gesamte Transportlösung ist flexibel, sondern auch der Aufbau jedes einzelnen AGVs. Zudem gibt es Kunden, die ihre eigene Lösung zusammenstellen und weiterentwickeln wollen. Sie kaufen die Komponenten von uns und bauen sich das restliche Fahrzeug selbst. Das modulare Konzept lässt viel Freiraum für Kreativität.“
Stationäre Fördertechnik ade
AGVs haben in den letzten Jahren einen großen Sprung in Richtung Zukunft gemacht und werden – da ist sich Andreas Melkus sicher – dank ihrer Flexibilität und sinkenden Anschaffungskosten immer mehr stationäre Fördertechnik ersetzen. Ein wichtiger Baustein zur Realisierung von Industrie 4.0. Volle Fahrt voraus!