Verbesserung der Wertschöpfungskette Bio-Booster für die Kunststoff-Industrie

Kunststoffgewinnung aus Holz

Bild: iStock, zianlob
04.01.2022

Aus regional verfügbaren Rohstoffen sollen vielfältig einsetzbare Kunststoffe werden und Mitteldeutschland somit zur Vorzeigeregion einer Grünen Chemie machen: Mit diesem Ziel haben sich 18 Partner im Projekt „Rubio“ zusammengeschlossen, das die gesamte Wertschöpfungskette vom Ausgangsmaterial bis zum Recycling abdeckt.

Mehr als 50 Millionen Tonnen Kunststoffe werden pro Jahr in der EU verarbeitet, Tendenz steigend. Stark gefragt sind Ansätze, die bisher üblichen Materialien durch umweltfreundliche und klimaneutrale Kunststoffe zu ersetzen, die in ihren Verarbeitungs- und Gebrauchseigenschaften sowie im Preis mit petrochemischen Produkten konkurrieren können. Rubio will solche bio-basierten und gleichzeitig biologisch abbaubaren Kunststoffe auf den Markt bringen. Diese könnten nicht nur ein wichtiger Baustein für die Grüne Chemie sein, sondern auch Kunststoffabfälle einschließlich Mikroplastik reduzieren und den CO2-Ausstoß der Branche verringern.

Dazu hat sich ein Bündnis von 18 Unternehmen und Forschungseinrichtungen zusammengeschlossen, das für drei Jahre mit insgesamt rund zwölf Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird. Die beteiligten Einrichtungen decken die gesamte Wertschöpfungskette für bio-basierte, kreislauffähige Kunststoffe ab. Sie werden in fünf Kompetenzfeldern gemeinsam an Lösungen für Gewinnung und Aufschluss bio-basierter regionaler Ressourcen, Rezeptierung, Verarbeitungsverfahren bis in den jährlich zweistelligen Kilotonnen-Bereich und Recyclingverfahren arbeiten. In den Teilprojekten Aufbereitungstechnologien, Verarbeitungstechnologien und Recyclingtechnologie ist das Fraunhofer für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS in Halle (Saale) beteiligt.

Ein Bio-Kunststoff überzeugt durch seine vielfältige Anwendung

Das Rubio-Konsortium setzt dabei auf Polybutylensuccinat (PBS). Dieser Bio-Kunststoff ermöglicht eine hohe Variantenvielfalt, bringt gute Verarbeitungseigenschaften mit sich und ist somit für vielfältige Anwendungen in nachhaltigen Produkten geeignet. Nicht zuletzt ist er regional gut verfügbar: Am Beginn des Rubio-Prozesses stehen Cellulose- und Lignocellulose-haltige Stoffe, die bisher als Nebenprodukte anfielen oder gar nicht verwertet wurden, etwa Holz, Gräser, Reststoffe aus der Papierindustrie oder auch Gärreste aus Biogasanlagen.

Aus diesen pflanzlichen Rohstoffen werden über biotechnologische Aufschlussverfahren zunächst Kohlenhydrate gewonnen. Diese werden dann per Fermentation in die Ausgangsstoffe für PBS umgewandelt, nämlich hochreine Bernsteinsäure und bio-basiertes 1,4-Butandiol. Aus diesen Monomeren werden per Polykondensation die PBS-Polymere synthetisiert. Im Rubio-Projekt sollen neben diesen Prozessschritten auch geeignete Verfahren für Compoundierung und Herstellungsverfahren wie Spritzguss sowie geeignete Recyclingprozesse entwickelt werden, mit denen PBS-haltige Materialien aus dem Abfallstrom herausgefiltert und erneut stofflich verwertet werden können.

Ausgangsrohstoffe gut verfügbar

„Einer der großen Vorteile dieser Idee ist es, dass die Ausgangsrohstoffe gut verfügbare pflanzliche Reststoffe sind. Somit besteht keine Konkurrenz zu Nahrungsmitteln, wie etwa bei Bio-Kunststoffen auf Basis von Rohrzucker. Außerdem kann PBS, wenn wir unsere Ziele erreichen, mit einer großen Bandbreite von Verfahren und vergleichsweise wenig Energiebedarf verarbeitet werden. Die gewünschten Materialeigenschaften sollen sich dabei sehr genau für den jeweiligen Bedarf einstellen lassen“, sagt Dr. Patrick Hirsch, der das Rubio-Projekt am Fraunhofer IMWS koordiniert. „Wir streben an, die CO2-Bilanz der hergestellten Produkte sowie den Energieverbrauch bei der Verarbeitung gegenüber den derzeit eingesetzten Kunststoffen zu halbieren. Der Standort in Mitteldeutschland ist ideal, denn neben dem Know-how finden wir hier auch die nötige Rohstoffbasis und Infrastruktur“, sagt Hirsch.

Das Fraunhofer IMWS wird unter anderem seine Erfahrungen in der hochauflösenden Strukturaufklärung und numerischen Simulation für die Rezeptur- und Prozessentwicklung von Bio-Kunststoffen einbringen. Zudem werden hier die morphologischen, rheologischen und mechanischen Verarbeitungs- und Gebrauchseigenschaften analysiert, um effiziente Entwicklungszyklen umsetzen zu können. Auch beim Upscaling wird das Institut mit seiner technischen Ausstattung für die Verarbeitung von thermoplastischen Kunststoffen unterstützen, ebenso wie mit den Kompetenzen zu thermomechanischen, oxidativen und hydrolytischen Abbauprozessen von Kunststoffen und der Reaktivextrusion von Rezyklaten für das Recycling.

PBS bietet entscheidende Vorteile zu Alternativen

Basierend auf den Erfahrungen der Projektpartner sollen leistungs- und kreislauffähige Kunststoffe für Anwendungen wie Verpackungen (Folien, Joghurtbecher oder Shampooflaschen), technische Textilien (etwa für den Autobau) und Geokunststoffe (Vliesstoffe oder Drainagematten für den Straßen- und Tiefbau) möglich werden. PBS bietet auch im Vergleich zu weit verbreiteten Kunststoffen wie Polypropylen (PP) und Polyethylen (PE) gute Eigenschaften hinsichtlich Steifigkeit, Festigkeit, Bruchdehnung und Schlagzähigkeit, und könnte diese aus fossilen Rohstoffen erzeugten Materialien nach und nach ersetzen. Auch gegenüber bereits verfügbaren Biokunststoffen wie Polymilchsäure (PLA) bietet es Vorteile beispielsweise bei der Verarbeitbarkeit und Flexibilität im Einsatz.

Nach der Förderphase ist der Markteintritt von Rubio eines der international führenden Konsortien für die Herstellung und Verarbeitung von technischen Biokunststoffen geplant. Dies wäre auch ein Beitrag zum Strukturwandelprozess mit neuen Wachstums- und Beschäftigungsperspektiven für die regionalen Unternehmen der chemischen Industrie. Dazu wird im Rahmen des Projekts auch ein eigenes Aus- und Weiterbildungskonzept für die benötigten Fachkräfte umgesetzt.

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