Bei der Automatisierung von Prozessen in der Industrie werden die Elektromotoren heutzutage ausschließlich mittels Frequenzumrichter betrieben. Neben dem Vorteil der variablen Drehzahl, bietet diese Art der Ansteuerung beachtliche Verbesserungen im Hinblick auf Energie- und Prozesseffizienz. Prinzipbedingt bilden sich aufgrund der Ansteuerung allerdings unterwünschte Nebeneffekte aus und es entstehen Ableitströme auf den Potentialausgleichsleitungen (PA) oder Schutzerdleitungen (PE).
Je mehr Komponenten beteiligt sind, desto größer ist das Risiko von solchen Störungen. Gleichzeitig werden die Bauräume in Maschinen und Anlagen immer kleiner. Um teure Produktionsausfälle in der Smart Factory zu vermeiden, muss daher am besten schon während der Planungsphase das Thema EMV berücksichtigt werden.
„PEPA“-Forschungsprojekt
Wie Störungen innerhalb von Verbindungslösungen nahezu eliminiert werden können wurde kürzlich im Rahmen des „PEPA“-Forschungsprojektes des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz genau untersucht. Neben Lapp sind an dem Projekt die Firmen SEW-Eurodrive, Block, Danfoss, Magnetec und die Technische Universität Darmstadt beteiligt. Hier führt Lapp das Arbeitspaket 4: Kopplungen zwischen benachbarten Leitungen sowie mit Anlagenteilen. Messungen und Verbesserung der Kabelkonstruktion. Dessen Ziel ist es, eine firmenübergreifende Forschung an einem komplexen Thema aus der Automatisierungs-/Antriebswelt, bei dem es insbesondere auf die korrekte Auswahl der Verbindungskomponenten sowie der fachgerechten Installation dieser ankommt, zu forcieren.
Aber was ist eigentlich die Ursache, wenn es in Industrieanlagen, in denen Frequenzumrichter-gesteuerte Motoren eingesetzt werden, sehr oft zu unerwünschten Strömen auf den Potentialausgleichsleitungen (PA) oder Schutzerdleitungen (PE) kommt? Antwort: Durch die getaktete Ansteuerung (Pulsweiten-Modulation) werden Störströme im Bereich von rund 3 kHz bis 1 MHz angeregt, welche über Gehäuseteile, PA-/PE-Leiter/-Netze und im schlimmsten Fall über die Schirmung von Datenleitungen in Richtung Erdpotential beziehungsweise zur Quelle abfließen. Hochfrequente Ausgleichströme mit einer Amplitude von 10 A oder mehr sind hierbei keine Seltenheit. Die Folgen sind unzulässig hohe Ströme auf der Schutzerde und dadurch vermeintlich fehlerhaft auslösende FI-Schutzschalter (RCD) oder Beeinträchtigung der Datenkommunikation, wenn beispielsweise die Ausgleichsströme über den Kupferschirm einer Datenleitung fließen. Diese Fehler sind schwer zu finden, da sie keiner Systematik folgen.
Kabeltechnik hinterfragt
Daher hat Lapp zunächst die physikalischen Kopplungsmechanismen innerhalb von Motor-Anschlussleitungen untersucht und daraus eine neuartige Kabelkonstruktion abgeleitet. Das Ergebnis dieser Entwicklung ist die zeroCM-Technologie. Ursprung der Neuerung war es, den Status-Quo in der Kabeltechnik auf den Prüfstand zu stellen: so waren bisherige Konstruktionen eher auf geringe Außendurchmesser und eine optische Symmetrie getrimmt. Das Problem EMV wurde bis dato immer durch Schirmung gelöst. Lapp ging mit der zeroCM-Technologie einen anderen Weg: die Leitung ist vom visuellen Erscheinungsbild unsymmetrisch, jedoch wird 100-prozentige elektromagnetische Symmetrie erzielt. Letztendlich wird dadurch sogar weniger Schirmung benötigt.
Die zeroCM-Technologie basiert auf einer speziellen, neuen Verseiltechnik: Drei Phasenleiter sind symmetrisch angeordnet und in einer Innenlage verseilt. Ergänzend wird mindestens ein Schutzleiter in einer Außenlage mit entgegengesetzter Verseilschlagrichtung um die drei Phasenleiter in einem bestimmten Schlaglängenverhältnis verseilt. Die Isolation der Leiter ist kapazitätsoptimiert und besteht aus Polyethylen, Polypropylen oder aus einer geschäumten Variante. Zwischen der Innenlage und der Außenlage befindet sich ein trennendes Fleece. Durch diese Konstruktion erreicht man perfekte elektrische Symmetrie, welche die magnetische Abstrahlung reduziert und die internen Kopplungen stark verringert. Die erste Prototyp-Leitung mit neuem Kabeldesign ist die Ölflex Servo FD zeroCM. Sie ist speziell für den Einsatz in Verbindung mit Frequenzumrichtern geeignet.
Prototyp im Test
Der Prototyp der neuartigen Leitung Ölflex Servo FD zeroCM wurde bei Versuchsaufbauten bei den Projektpartnern des PEPA-Forschungsprojekts bereits erfolgreich getestet. Neben der Untersuchung einer EMV-optimierten Installation von Komponenten wurde unter anderem die Rolle der Ausgangsleitung bewertet. Zum Vergleich wurden ein identischer Versuchsaufbau mit einem Antriebssystem mit Potentialausgleich sowie paralleler Signalleitung (Profinet) gewählt. Verglichen wurden eine geschirmte PVC-isolierte Standardleitung, eine niederkapazitive Servoleitung, eine symmetrische Motorleitung mit drei Schutzleitern sowie die neuartige zeroCM-Leitung mit weiterentwickeltem Aufbau. Dabei ergaben sich eindeutige Ergebnisse. Die besten Werte hinsichtlich Ableitstrom am Umrichter-Ausgang wurden durch den kapazitätsarmen Aufbau der zeroCM-Leitung erreicht.
Die generierten Ableitströme stellen eine zusätzliche Belastung für den Frequenzumrichter und alle beteiligten Komponenten dar und sollten daher so gering wie möglich gehalten werden. Weiterhin wurde der über eine parallel liegende Signalleitung fließende Störstrom untersucht: Auch hier begünstigt der Einsatz der zeroCM-Leitung die Ausprägung von möglichst geringen Störströmen. Aus den Untersuchungen bei den Projektpartneren ergaben sich darüber hinaus klare Empfehlungen für die EMV-optimale Installation von Frequenzumrichtern, wie beispielsweise ein niederimpedanter, HF-tauglicher und ein durchgängiger Potentialausgleich zwischen Frequenzumrichter und Antrieb. Eine wesentliche Bedeutung kommt hierbei dem Schirmanschluss mit EMV-gerechten Steckern oder flächiger Schirmauflage, wie beispielsweise bei den eingesetzten EMV-Verschraubungen Skintop Brush zu.
Viele Vorteile
Einerseits ermöglicht der neuartige Kabelaufbau um bis zu 80 Prozent reduzierte Ausgleichsströme am Frequenzumrichter-Ausgang und auf parallelen Pfaden wie beispielsweise Datenleitungen. Andererseits sorgen reduzierte Kabel-Umladeströme (cable-charging current) für verringerte Last am und im Umrichter selbst: So können beispielsweise längere Kabellängen verlegt werden, ohne dass der Frequenzumrichter außerhalb seiner (EMV-)Spezifikation betrieben wird. Zudem unterbindet die zeroCM-Technologie das Entstehen von Spannungspegeln auf dem Masse-/Erdpotential (Ground-Voltage) auf der Verbraucherseite. Dies ist besonders wichtig, wenn beispielsweise empfindliche Sensorik wie Analoggeber zum Einsatz kommen.
Obwohl die neue Leitung beim ersten Konfektionieren vielleicht ungewohnt erscheinen mag, bleibt die Verkabelung gewohnt einfach, beziehungsweise der Aufwand reduziert sich sogar im Vergleich zu den Erd-symmetrischen Leitungen mit gedritteltem Schutzleiter. Zusammengefasst beseitigt die zeroCM-Technologie zwar nicht die Ursache von EMV-Störungen, adressiert jedoch genau eine der signifikanten Stellen, an der Störungen in das Systemumfeld eingebracht werden. Ziel von Lapp ist es nun ein Portfolio mit der zeroCM-Technologie auszustatten; als nächstes sind Hybridleitungen dran.