Im Rahmen der Diskussionen um das Strommarktdesign der Zukunft appelliert der Bundesverband Deutscher Wasserkraftwerke (BDW) an die Bundesregierung, das Potenzial der Wasserkraft stärker zu nutzen und hierfür eine Wasserkraftstrategie zu entwickeln. „Das erste Halbjahr dieses Jahres, in dem die Wasserkraft mehr als fünf Prozent zur Nettostromerzeugung in Deutschland beigetragen hat, zeigt eindrücklich das große Potenzial dieser Erneuerbaren“, sagt BDW-Präsident Hans-Peter Lang.
Wasserkraft steht stetig, verlässlich und regelbar zur Verfügung und leistet so einen wichtigen Beitrag für ein stabiles und sicheres Stromsystem. Darüber hinaus bestehen ungenutzte Potenziale in der Modernisierung des Bestands und der Nutzung vorhandener Altstandorte, die aktuell in einer Studie der TU Braunschweig ermittelt werden. „Um diese schlummernden Potenziale der Wasserkraft für die erneuerbare Strom-, aber auch die Wärmeerzeugung zu heben, regen wir die Entwicklung einer übergreifenden, in sich konsistenten Wasserkraftstrategie an“, erklärt Lang.
Stabilisierender Effekt von Wasserkraft
Der Appell richtet sich an die Bundesregierung, vor allem aber an das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), das im Juli ein Optionenpapier zum künftigen Strommarktdesign veröffentlicht und um Stellungnahmen der Verbände gebeten hatte. Diese wurden am 26. September 2024 in der Sitzung der Plattform Klimaneutrales Stromsystem (PKNS) diskutiert.
Nach Ansicht des BDW sollten die Möglichkeiten und Leistungen der Wasserkraft dabei stärker einbezogen und berücksichtigt werden. Neben der verlässlichen Stromerzeugung bietet die Wasserkraft wertvolle Systemdienstleistungen, die angesichts der zunehmenden volatilen Stromerzeugung aus Windenergie- und Photovoltaikanlagen einen stabilisierenden Effekt für die Versorgung mit elektrischer Energie haben. Steuerbare Wasserkraftanlagen bieten durch die Bereitstellung von Regelenergie die Möglichkeit, Flexibilität in das Gesamtsystem einzubringen sowie Momentanreserve oder Blindleistung bereitzustellen.
Steigender Anteil an Nettostromerzeugung
Laut vorläufigen Ergebnissen des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE wurden im ersten Halbjahr 2024 rund 226 Milliarden KWh Strom erzeugt, 65 Prozent davon stammten aus regenerativen Anlagen. Die rund 7.500 Wasserkraftanlagen trugen dazu 11,2 TWh bei. Wie groß das ungenutzte Wasserkraftpotenzial ist, zeigen die vorläufigen Zwischenergebnisse einer noch nicht veröffentlichten Studie der TU Braunschweig: Demnach gibt es durch die Modernisierung und Reaktivierung von Altstandorten eine potenzielle Ausbauleistung von rund 1,9 GW, die eine zusätzliche Jahresstromerzeugung von bis zu 9,3 TWh ermöglichen könnten.
Auch für die Wärmeerzeugung haben Wasserkraftanlagen Potenzial, da sie Strom für Großwärmepumpen an Gewässern erzeugen können. Dies zeigt das Beispiel Bayern. So hat die Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE) in einer im April dieses Jahres veröffentlichten Studie das theoretische Potenzial zur Wärmeversorgung aus Flusswasser in Bayern untersucht. Das Ergebnis: Mindestens die Hälfte der bayerischen Städte und Gemeinden können für die Wärmeplanung Wärmepumpen an ihren Flüssen einbeziehen.
Weniger Bürokratie gefordert
Um das Potenzial der Wasserkraft zu heben, sei aber eine strategische Betrachtung der Wasserkraft dringend erforderlich, wie Lang betont. „Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Kosten für und die Anforderungen an die Anlagenbetreiber gestiegen sind.“
Im Rahmen der Strategie sollten die Rahmenbedingungen für die Wasserkraft verbessert werden, in dem Genehmigungsverfahren erleichtert und beschleunigt sowie die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Anlagen verbessert werden. „Ein künftiger Vergütungsrahmen sollte den Anforderungen gerecht werden und Leistungen wie die Systemdienstleistungen angemessen vergüten“, sagt Lang. Dies solle im Rahmen des künftigen Strommarktdesigns berücksichtigt werden. Bisher fehlen solche Ansätze noch im Optionenpapier des BMWK.