Der Faserexperte J. Rettenmaier & Söhne und die Universität Hamburg wollen nun die Rohstoffbasis für diese Fasern verbreitern und mit Stroh ein ohnehin anfallendes, landwirtschaftliches Nebenprodukt dafür nutzbar machen.
Das bis Ende 2024 laufende Vorhaben CRF-Straw wird vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) über den Projektträger Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) gefördert.
Vorarbeiten der Projektpartner haben bereits gezeigt, dass sich hochreine Zellstoffe aus Weizenstroh gewinnen lassen. Für die Weiterverarbeitung zu Textilfasern mit dem Lyocellverfahren erreichten bestimmte Parameter aber noch nicht die erforderlichen Werte. Das Vorhaben CRF-Straw zielt darauf, das Verfahren so weiter zu optimieren, dass der Stroh-Zellstoff künftig die hohen Anforderungen für die Lyocellfaserproduktion erfüllt. Der Ansatz soll dabei nicht nur im Labor funktionieren, sondern auch im industriellen Maßstab. Dazu führen die Forschenden auch Versuche in einem Zellstoffwerk durch.
Die Suche nach dem Holzersatz findet vor dem Hintergrund einer wachsenden Weltbevölkerung und einer steigenden Nachfrage nach Textilfasern statt. Synthetische und Baumwollfasern werden diese Nachfrage allein nicht decken können, so dass auch der Bedarf an Cellulose-Fasern künftig voraussichtlich stark wächst. Doch woher soll die Cellulose kommen?
Ursprung des Rohstoffes
Bäume wachsen langsam, die Holznachfrage für andere Zwecke nimmt ebenfalls zu und Plantagen mit schnellwachsenden Baumarten wie Bambus oder Eukalyptus beanspruchen Flächen und sind mitunter auch mit Umweltproblemen verbunden. Dem gegenüber versprechen agrarische Reststoffe wie Getreidestroh oder Bagasse aus dem Zuckerrohranbau Vorteile. Diese Biomasse ist „eh da“ und wird noch nicht vollständig genutzt.
Als heimischer Reststoff ist Getreidestroh bei uns besonders interessant; das Deutsche Biomasseforschungszentrum (DBFZ) schätzt, dass das ungenutzte Strohpotenzial in Deutschland zwischen gut 4 und gut 9 Millionen Tonnen pro Jahr beträgt. Zum Vergleich: Die Weltproduktion von holzbasierten Chemiezellstoffen lag 2021 bei 8,6 Millionen Tonnen. Die Zellstoffausbeute aus einem Kilogramm Stroh liegt bei rund 40 Prozent.
Warum nicht Holz?
Vorteilhaft gegenüber Holz wäre schließlich auch der deutlich geringere Energie- und Chemikalienverbrauch beim Faseraufschluss von Stroh und anderen Einjahrespflanzen. Damit würde das neue Verfahren nicht nur Landwirten zusätzliche Wertschöpfungsoptionen bieten und zur Rohstoffversorgung der Textilindustrie beitragen, es würde die Textilproduktion auch umweltfreundlicher machen.
Das Vorhaben CRF-Straw fokussiert aus wirtschaftlichen Gründen zunächst auf Stroh. Perspektivisch wollen die Forscher auch weitere potenzielle Cellulosequellen untersuchen, wie zum Beispiel Gras beziehungsweise Heu, Hanf, Flachs und weitere Faserpflanzen.
In Asien wird Zellstoff unter anderem aus Bambus bereits im größeren Maßstab gewonnen. 2021 nahm in Mannheim das erste strohbasierte Zellstoffwerk Europas seinen Betrieb auf, das Papierzellstoff unter anderem für Hygienepapiere produziert. Eine ähnliche Anlage gibt es in den USA. Für Textilfasern ist die Nutzung von strohbasierter Cellulose bislang noch nicht etabliert.