Schritte in die moderne Produktion Cloud im Traditionsunternehmen

Bild: iStock, altmodern
04.05.2018

Google in der Industrie? Im Siegerland setzt ein Traditionsunternehmen erfolgreich die Cloud-Technologien des US-Konzerns ein. Das nächste Ziel: Anwendungen, die „unsupervised machine learning“, mit anderen Worten „unüberwachtes Lernen“, zur Verbesserung der Maschinenleistung einsetzen.

Mit technischen und gesellschaftlichen Revolutionen kennen sie sich bei Achenbach Buschhütten im Siegerland aus. 1452 gründeten die drei Brüder Busch das Unternehmen. Ein großer Eisenhammer war lange ihr Arbeitswerkzeug. Seit den 1950er Jahren ist das Unternehmen insbesondere mit Folienwalzwerken in Asien, Südamerika und Europa erfolgreich. Die Automatisierung hielt Ende der 1970er Jahre Einzug in den Walzwerkbau, heute sind es digitale Lösungen und morgen die künstliche Intelligenz – auch dank der Software-Werkzeuge, die Google zur Verfügung stellt.

Welche Fragen stellen wir den Daten?

Der Aufgabenbereich von Roger Feist knüpft an die Automatisierungstechnik bei Achenbach an, die er lange Zeit leitete. Seit etwa drei Jahren kümmert er sich nun intensiv um die Digitalisierung der Achenbach-Walzwerke und -Schneidmaschinen. „Unsere Kunden, aber auch wir wollten die Produktionsschritte genauer nachvollziehen und beispielsweise Daten aus dem Folienwalzwerk mit der Schneidmaschine und der Rückmeldung des Kunden korrelieren.“ Die Fertigung sollte transparenter werden. War dies alles 2014 noch der Wunsch von Roger Feist und seinem Team, haben sie dieses Ziel zusammen mit ihren Partnern Scitis, Google und Bachmann electronic heute fast geschafft: Achenbach Optilink läuft nun schon seit mehreren Monaten im Testbetrieb bei einem Kunden.

Alle Daten der Bachmann-Steuerung M1 werden via OPC UA einem kleinen Ein-Platinen-Rechner zur Verfügung gestellt, der die Informationen dann abonnieren kann und in einem Cloud-Speicher ablegt. Zugriff von der Cloud auf die Maschine? Keine Chance!
„Unser Sicherheitskonzept garantiert, dass Daten nur auf Verbindungen übertragen werden, die aus dem Maschinennetzwerk heraus aufgebaut werden. Die Maschinensteuerung ist aus dem Internet also weder sichtbar noch ansprechbar. Der Maschinenbetreiber hat also die alleinige Hoheit darüber, welche Daten in die Cloud übertragen werden und welche nicht“, erklärt Feist. Rund drei Gigabyte können da an einem Tag pro Maschine zusammenkommen – im Wesentlichen sind es OPC-UA- und SQL-Daten. Und weil in der Cloud praktisch unbegrenzt Speicherplatz genutzt werden kann, müssen aus Platzgründen Daten niemals gelöscht werden. „Weder unser Kunde noch wir können heute sagen, welche Fragen wir an die Daten zukünftig haben werden. Erst wenn konkrete Probleme mit einem bestimmten Material auftreten oder ein Kunde mit Ausfällen eines bestimmten Teilsystems kämpft, wissen wir, welche Daten relevant sind, um das Problem zu lösen. Würden diese im Vorfeld nicht gespeichert oder aus Speicherplatzgründen zu früh gelöscht, fällt eine Problemlösung oft deutlich schwerer.“

Innerhalb eines halben Tages kann eine Maschine mit Achenbach Optilink ausgestattet werden – in Abhängigkeit von der in der Maschine vorhandenen Hardware. „Die Bachmann-Steuerungen haben hier einige sehr nützliche Eigenschaften, die die Installation unseres Systems vereinfachen“, lobt der Ingenieur. Derzeit sammelt Optilink die Daten einzelner Maschinen, doch die übergreifende Prozessanalyse ist das nächste Ziel.

Google im Siegerland

Über ein Webinterface kann der Kunde den aktuellen Zustand seiner Maschine abfragen: Achenbach liefert dem Kunden dazu einen Basissatz an Analysetools. Darüber hinaus kann er auch selbst Analysen erstellen und durchführen. „Seit einigen Wochen vermarkten wir Achenbach Optilink als Add-on für unsere Kunden“, berichtet Feist. Das System stößt auf reges Interesse. Die chinesischen Kunden müssen allerdings noch auf die Anbindung warten, da Google-Dienste dort gesperrt sind. „Aber wir arbeiten bereits an einer Lösung“, meint Feist optimistisch.

Was macht Google nun konkret in dem Projekt aus dem Siegerland? Die Amerikaner liefern die Cloud-Technologie und der Partner Scitis hat das Wissen über die Technik aus dem Silicon-Valley mit in das Projekt gebracht. In Verbindung mit dem Wissen und der Erfahrung des Maschinenbauers hat man ein leistungsfähiges Portal zur Analyse von Produktionsdaten aufgebaut. „Alle Daten liegen auf europäischen Servern“, erklärt Feist. Hatte er nie ein ungutes Gefühl in Bezug auf Cloud-Dienste? „Das Bauchgefühl stimmt in diesem Falle nicht“, ist er überzeugt. Feist hält die Datacenter der großen Cloud-Anbieter für sicherer als die IT-Systeme der allermeisten mittelständischen Unternehmen: „Es wird ein enormer Aufwand getrieben, um höchsten Sicherheitsstandards zu genügen, und dabei werden die zahlreichen Maßnahmen transparent dargestellt und von unabhängigen Stellen zertifiziert. Mehr als 700 Mitarbeiter kümmern sich bei Google um die IT-Security. Wenn ein Angreifer die Mittel hätte, um Google erfolgreich anzugreifen, dann könnte er vermutlich auch in fast jedes klassische Unternehmensnetzwerk eindringen und dort ebenso Daten stehlen, manipulieren oder zerstören.“

Vertrauen in hohe Datensicherheit

Das Vertrauen in Datensicherheit bei Google scheint also berechtigt. Und Achenbach will noch mehr mit den Daten machen. Künstliche Intelligenz lautet das Stichwort, und das nicht nur mit Fokus auf das von Google stark promotete „deep learning“. Achenbach setzt in vielen Lösungsansätzen auf „unsupervised machine learning“. Die Idee dahinter: Das Walzwerk versucht, in den Daten Muster zu erkennen, die vom strukturlosen Rauschen abweichen, um im Idealfall eine Handlungsempfehlung an den Betreiber abzugeben – wie die Bestellung eines Ersatzteils bei Achenbach. „An diesen und ähnlichen Applikationen arbeiten wir derzeit mit unseren Partnern“, berichtet Feist, und dabei spürt man auch etwas Stolz auf die Leistung seines hochmotivierten Entwicklungsteams.

„Heute bieten viele Automatisierer Cloud-Lösungen und Datenanalyse am Markt an. Wir bei Achenbach haben da vielleicht einen gewissen Vorsprung und arbeiten intensiv daran, diesen nicht nur zu halten, sondern weiter auszubauen“. Denn Roger Feist hat das Ziel, gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen, grundlegend und in einem umfassenden Sinn neue Möglichkeiten für die Produktionsverbesserung in Walzwerken zu schaffen – eben echte Innovationen auf den Markt zu bringen.

Bildergalerie

  • Achenbach Buschhütten liefert weltweit Walzwerkanlagen und Schneidmaschinen für die NE-Metallindustrie.

    Achenbach Buschhütten liefert weltweit Walzwerkanlagen und Schneidmaschinen für die NE-Metallindustrie.

  • Roger Feist von Achenbach Buschhütten setzt auf Datenanalyse, um die Produktivität der Maschinen zu erhöhen.

    Roger Feist von Achenbach Buschhütten setzt auf Datenanalyse, um die Produktivität der Maschinen zu erhöhen.

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