Industrie- und Fertigungsunternehmen führen aktuell Planspiele durch, wie sich in einer wiederholenden globalen Krise wie Covid-19 die Produktion resistenter gestalten lässt. Eine reduzierte Abhängigkeit von nur einem Produktionsstandort und vernünftige Sicherheitsbestände als Puffer werden ebenso diskutiert wie Alternativen zu einer 100-prozentigen Just-in-Time Produktion und einer Steigerung der Digitalisierung.
„Wir müssen schauen, dass wir nicht von einer Region in dieser Welt abhängig sind”, erklärte kürzlich Ralph Brinkhaus, Chef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit Blick auf Lieferprobleme bei Medikamenten.
Regionale Produktion dort, wo sie sinnvoll ist
Regionale Produktionen sind vielerorts auf dem Vormarsch. Neben Fertigungsunternehmen gehen auch immer mehr Service-Einrichtungen dazu über, für die Zeit nach der Corona-Krise regionale Lagerkapazitäten aufzubauen, Depots einzurichten und vernünftige Reservebestände in Deutschland sicherzustellen. Jörg Wuttke, Präsident der Europäischen Handelskammer in China, äußerte sich jüngst im Economist: “Die Globalisierung, alles dorthin zu bringen, wo die Produktion am effizientesten ist, das ist vorbei.”
Aktuell stellen einige Firmen ihre Produktionsprozesse auf das Fertigen dringend benötigter Schutzkleidung gegen Covid-19 wie Atemmasken, OP-Masken oder Schutzkittel um. Der deutsche Staat greift mit bereitgestellten Fördergeldern in Millionenhöhe und zugesicherten Abnahmegarantien ein. Ein wichtiger Beitrag, um Deutschland ein Stück weit unabhängiger vom Weltmarkt zu machen.
Die Maskenproduktion soll wohl langfristig in Deutschland anlaufen. In diesem Zusammenhang kann man darüber nachdenken, auch in anderen Bereichen Teile einer Produktion für bestimmte Waren regional aufzubauen und einen sinnvollen Mix aus globalen und regionalen Standorten und Prozessketten zu erreichen. Denkbar ist das in vielen Branchen, angefangen von der Zulieferindustrie für Automobil und High Tech bis zur Bekleidungs- und Lebensmittelindustrie.
Abhängigkeiten reduzieren
Für die Zukunft gilt es, die Abhängigkeit von einzelnen Ländern, Lieferanten und hochsensiblen, globalen Transportketten zu reduzieren. Je nach Branche für deutsche Kunden regional, für europäische Kunden in Europa, für asiatische Kunden in Asien. Denn kürzere Lieferketten und mehrere regionale Standorte mit einem vernünftigen Lagerbestand machen unabhängiger und schaffen mehr Stabilität: für das Unternehmen und für den Verbraucher.
Von Glokalisierung ist die Rede, also von einem gesunden Verhältnis zwischen der globalen Ausrichtung eines Unternehmens und seinen lokalen industriellen Produktionsstandorten. “Wir werden künftig mehr Lagerhaltung sehen”, sagt Gabriel Felbermayr, Wirtschaftsforscher und Chef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, und sieht einen Trend zu regionalen Lieferketten.
Durchbruch einer digitalen Arbeitswelt für jeden einzelnen
Jede Krise birgt Chancen. Durch die Corona Krise wird sich der Digitalisierungsgrad in Unternehmen und Haushalten deutlich steigern. Menschen, Unternehmen, Behörden und Organisationen sind durch Covid-19 gezwungen, sich mit digitalen Technologien intensiver auseinanderzusetzen. Es ist Zeit für ein neues und zeitgemäßes Technologieverständnis – quer durch alle Branchen. Es gilt, neue digitale Geschäftsmodelle, Kommunikationsformen und visionäre Ideen in der gesamten Breite in die Tat umzusetzen.
Seit Beginn der Corona Krise wächst in der deutschen Bevölkerung das Bewusstsein für digitale Techniken, nahezu jeder von uns ist davon betroffen. Im Rahmen von „Home-Schooling“ entstehen Online Learning Plattformen und digitale Bildungsangebote für Schüler, der Gitarrenunterricht findet mit dem Musiklehrer jetzt über das Web Tool Zoom oder Skype statt ebenso wie die wöchentliche Yoga- und Tanzstunde im heimischen Wohnzimmer.
In der Arbeitswelt kommen Kollegen über Videokonferenztools wie Cisco WebEx oder GoToMeeting zusammen. Das Einführen von Kollaborationssoftware wie Microsoft Teams ist mancherorts auf dem Vormarsch und könnte die Effizienz und Zusammenarbeit von Teams abteilungsübergreifend signifikant verbessern.
Flexibler durch Digitalisierung
Blockchain-Technologie und Künstliche Intelligenz gelten als wichtige Digitalisierungstechnologien. Blockchain wird unter anderem mehr und mehr in Supply-Chain-Management, Einkauf und Logistik eingesetzt und beeinflusst nachhaltig Datentransfer, Lieferprozesse und ganze Wertschöpfungsketten von Unternehmen.
Der Einsatz von KI vernetzten IT-Systemen und Maschinen, die „menschenähnliche Intelligenzleistungen“ erbringen, wird in Zukunft Unternehmensabläufe entscheidend prägen. Das gilt vor allem für Unternehmen, die große Datenmengen (aus Maschinen und Systemen) generieren, zum Beispiel Fertigungs- und Industriebetriebe.
Beim Autokauf pushen Automobilhersteller die Digitalisierung mit dem Ziel, einen Teil des Handels zukünftig über das Internet abzuwickeln. Das bedingt, verschiedene Servicedienstleistungen wie den Hol- und Bringservice bei einer Testfahrt auszubauen und Strukturen dafür zu etablieren.
Covid-19 offenbart das enorme Digitalisierungsdefizit in öffentlichen Einrichtungen, doch in Zukunft könnten Beamten/innen effektiv vom Heimarbeitsplatz aus papierlos mit E-Akten arbeiten und von digitalisierten Arbeitsabläufen profitieren.
Sicher ist, dass sich Unternehmen und Organisationen in der Breite für die Zukunft neu aufstellen werden. Mit digitalisierten Prozessen und Technologien lässt sich zukünftig punkten, denn: Ein hoher Digitalisierungsgrad, verschiedene regionale Standorte, eine Produktion vor Ort und kurze Transportwege machen Unternehmen und Einrichtungen in der nächsten Krise flexibler und unabhängiger.