Interview über die Bedeutung von Informationsmodellen „Data Analytics endlich wirtschaftlich“

Karsten Schneider, Chairman von Profibus & Profinet International, erklärt im Interview, was Informationsmodelle für eine erfolgreiche Digitalisierung sind leisten.

Bild: PNO
29.04.2020

Sensoren, Geräte und Maschinen generieren Daten ohne Ende in modernen Fertigungsbetrieben. Um daraus – bei einem wirtschaftlich vertretbaren Aufwand – echten Mehrwert generieren zu können, werden standardisierte Informationsmodelle benötigt. Karsten Schneider, Chairman von Profibus & Profinet International, erläutert im Gespräch mit A&D, warum Informationsmodelle entscheidend für eine erfolgreiche Digitalisierung sind und wie seine Organisation Anwender unterstützt.

Bei der industriellen Kommunikation geht es meist um IO-Link, Profinet, TSN, OPC UA, Protokolle & Co. Interessiert künftig nur noch, dass standardisierte Datenmodelle ungehindert vom Sensor bis in die Cloud kommen?

Die Wichtigkeit steigt deutlich. Wir haben ein absolut zuverlässiges, sicheres und sehr funktionales Profinet. Mit TSN hieven wir das Protokoll gerade auf die Gigabit-Ebene. Aber was nützen IO-Link, TSN, Profinet, OPC UA und all die Protokolle und Netzwerk-Layer, wenn die transportierten Daten sich an keine Standards halten. Deshalb erweitert sich unser Aufgabenbereich und wir setzen einen Fokus auf die Informationsmodelle, anstatt nur die reinen Übertragungsmechanismen.

Wie kam es aber dazu, dass die deutsche Profibus Nutzerorganisation (PNO) sowie der weltweite Dachverband Profibus & Profinet International (PI) sich federführend in der Entwicklung von Informationsmodellen zeigen?

Wir verfügen über ein superstarkes Netzwerk. Die Organisation ist in den 25 wichtigsten Industrieländern der Welt vertreten. Wir haben 1700 aktive Mitgliedsfirmen. In unseren Arbeitsgruppen sind über 600 Experten momentan aktiv. Mit diesem einmaligen Kompetenznetzwerk können wir am schnellsten und am besten die richtigen Informationsmodelle entwickeln und gleichzeitig den Konsens zwischen den Herstellern finden – denn alle müssen an einem Strang für den Erfolg ziehen. Mit den Profilen wie zum Beispiel dem PA Profil oder PROFIenergy haben wir das ja schon viele Jahre erfolgreich praktiziert. Unsere Arbeitsgruppen sind dabei geprägt von der Fragestellung, wie können wir die in der Industrie wichtigsten Anwendungen und Problemstellungen durch Informationsmodelle vereinfachen und lösen. Bei den Informationsmodellen müssen exakt die richtigen Daten enthalten sein, um Mehrwert für die Anwendung zu generieren. Ziel ist immer ein herstellübergreifender Standard, damit sich Anwender keine Gedanken mehr über die Art und Menge der Daten machen müssen. Und unsere Kunden fragen uns auch genau nach diesen hersteller­unabhängigen Informationsmodellen.

Nicht alle Daten, die man sammeln kann, helfen also weiter. Sprechen wir hier nicht von der Aufgabe smarter Sensoren, nur notwendige Daten weiterzugeben?

Sensoren liefern jede Menge Informationen und zunehmend findet eine Vorverarbeitung für die essenziellen Daten statt. Die Informationsmodelle erstrecken sich aber über alles in der Anlage. Das ist nicht nur der Sensor, sondern Geräte, Maschinen und ganze Anlagenteile müssen Informationen bereitstellen; beispielsweise Diagnose-, Asset- oder Statusinformationen. In einer modernen Fabrik sind tausende Sensoren, alle Daten zu sammeln, würde nicht nur die Netzwerke überfordern, sondern auch die Suche nach wertschöpfenden Informationen wird sehr komplex und aufwendig. Deswegen entwickeln wir die Informationsmodelle immer von der Anwendung her. Was will ich eigentlich für ein Problem lösen? Und dafür brauche ich dann ein Informationsmodell mit standardisierten und strukturierten Daten. Dieses muss dann nicht mehr notwendigerweise an ein Gerät oder an einen Sensor gebunden sein, sondern kann eine Abstraktionsstufe höher liegen.

Wenn wir von Anwendungen sprechen, so geht es oft beispielsweise um Predictive Maintenance und Asset Management – welche standardisierten Informationsmodelle sind hier notwendig?

Asset-Management ist ein sehr gutes Beispiel. Jedes Gerät besitzt Asset-Informationen wie Hersteller, Seriennummer, Hardware- oder Firmwarestand. Diese Informationen kann natürlich jeder Hersteller für sich standardisieren. Aber wenn es jeder Hersteller anders macht, hilft das dem Anwender in der Anlage nichts, weil er dann sehr individuell die Auswertung erstellen muss. Hier brauche ich für alle Geräte und Maschinen in der gesamten Anlage das identische Asset-Informationsmodell – herstellerunabhängig. Denn nur dann lassen sich Tools verwenden, die zuverlässig alle Geräte mit allen Informationen auslesen. Für Anlagenbetreiber bedeutet dies eine große Zeitersparnis und minimiert Fehlerraten, weil dann keine ungeprüften oder veraltete Firmware-Versionen beispielsweise im Einsatz sind. Letzteres kann schon passieren, wenn sie nur einen Sensor austauschen. Genau deshalb haben wir bei der PNO ein Asset-Informationsmodell entwickelt, das über Profinet diese Daten in standardisierter und strukturierter Form an einen übergeordneten Software-Layer spielt. In meinen Augen machen erst all diese Informationsmodelle ein ganzheitliches Asset-Management, Predictive Maintenance, Energiemonitoring oder unzählige Data Analytics Szenarien wirtschaftlich möglich.

Sind Informationsmodelle auch dringend notwendig, um künftig „Plug & Produce“ Konzepte realisieren zu können – mechatronische Module einfach per Plug & Play zusammenstellen mit automatischer Konfiguration und Kommunikation?

In meinen Augen absolut. Die Plattform Industrie 4.0 geht mit der Verwaltungsschale und den Teilmodellen ja genau in diese Richtung. Die Teilmodelle sind nichts anderes als Informationsmodelle in einem standardisierten Format. Damit werden Maschinen und Geräte auskunftsfähig und sie ermöglichen eine gegenseitige Interpretation der Informationen. Es geht also immer um strukturierte Daten in Informationsmodellen – wie beispielsweise auch in den OPC UA Companion Specs für Applikationen wie Vision oder Robotik.

Informationsmodelle sind also entscheidend für eine erfolgreiche Digitalisierung der Industrie. Hält aber bei der derzeitigen Dynamik das Verständnis der Anwender noch Schritt und welche Hilfe bieten Sie an?

Unterstützung für den Anwender ist ein extrem wichtiger Punkt, insbesondere bei der von Ihnen angesprochen Dynamik, die die Digitalisierung mit sich bringt. Bei der PNO haben wir uns dieser Herausforderung aber schon bei den Feldbussen gestellt und für alle Spezifikationen von Profinet auch Design- und Netzwerk-Guidelines sowie Trainings angeboten. Und genau das werden wir natürlich auch für Informationsmodelle mit begleitender Dokumentation und Trainings machen. Und hier sehe ich wieder den Vorteil einer Organisation wie der PNO, weil wir herstellerunabhängig den Anwender beraten können – und auch die Ressourcen dazu haben.

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