Interview mit Fred Donabauer und Dr. Sönke Kock von ABB „Umrichter sind die Datenzentrale der Zukunft“

„Die Ultra Low Harmonic Drives stehen für ein sauberes Stromnetz, hohe Usability, Kompaktheit und letztendlich auch für Kosten sparen“, betont Fred Donabauer Leiter Produktmanagement Motors & Drives, ABB.

Bild: Mathias Ernert
24.08.2017

Warum Frequenzumrichter nicht nur das Stromnetz sauber halten sollten, sondern auch zunehmend zu einer zentralen Einheit für die Datensammlung und digitale Services werden, erläutern Fred Donabauer, Leiter Produktmanagement Motors & Drives und Dr. Sönke Kock, Leiter Digitalisierung, Geschäftsbereich Antriebe, von ABB im Gespräch mit A&D.

A&D:

Was war ABBs Intention, die Ultra Low Harmonic Drives zu entwickeln?

Donabauer:

Generell ist unsere Strategie, Umrichter auf den Markt zu bringen, die die wesentlichen Komponenten integriert haben. Wir verfolgen die Philosophie, alles kompakt in einem Gerät zu verarbeiten, denn Platzmangel ist in Schaltschränken immer ein Thema. Und Baukastenlösungen haben den Nachteil, dass der Kunde sich überlegen muss, welcher Filter zu welchem Gerät passt und welche Komponenten bestellt werden müssen. Unsere Kunden haben den Wunsch nach Einfachheit. Und durch die zunehmende Anzahl von Umrichtern ist ihnen sehr wohl bewusst, dass sie Vorkehrungen für saubere Signale treffen müssen. Unsere Ultra Low Harmonic Drives sind die Antwort auf diese Anforderungen.

Wie schwer sind „weiche Faktoren“ wie längere Lebensdauer durch saubere Si­gnale vermittelbar?

Donabauer:

Gerade in der Prozessindustrie und bei kritischen Produktionsanlagen ist die Verfügbarkeit entscheidend, Stillstand ist fatal. Die Betreiber sind sich dessen schon bewusst. Allerdings muss bei vielen Unternehmen tatsächlich erst etwas passieren, bis eine Sensibilisierung für eine saubere Stromversorgung erfolgt und Maßnahmen ergriffen werden. Es gibt Normen mit Empfehlungen hinsichtlich der Verträglichkeitspegel, hier lässt sich ein guter erster Überblick verschaffen. Wir bieten unseren Kunden aber auch an, basierend auf den Netzdaten gemeinsame Lösungen zu erarbeiten.

Haben auch Ihre normalen Industrial Drives schon Vorkehrungen, um Netzrückwirkungen zu vermeiden?

Donabauer:

Wir haben schon immer, und das ist auch eine Philosophie von uns, darauf geachtet, die Netzrückwirkungen auf ein verträgliches Niveau zu reduzieren. Deshalb bauen wir bei unseren Industrieumrichtern generell Drosseln ein. Es gibt aber viele Umrichter ohne Drosseln auf dem Markt. Der Kunde merkt das erst, wenn es Probleme gibt. Schließt er einen Umrichter an, läuft der Motor zunächst prima. Nutzt er jedoch viele davon, wird sich das früher oder später an anderen Verbrauchern im Netz oder dem Motor bemerkbar machen. Im Kundeninteresse haben wir bei unseren konventionellen Umrichtern Vorkehrungen getroffen.

Bieten sich Frequenzumrichter durch die primäre Koppelung besonders für Condition Monitoring von Motoren an?

Dr. Kock:

Genau. Wir bieten Condition Monitoring für jeden Frequenzumrichter als Option an. Über eine automatisierte webbasierte Monitoring-Plattform sind die Antriebe stets überwacht. Beispielsweise können Alarme konfiguriert werden, die eine Benachrichtigung auf das Smartphone schicken. Wir haben aber auch einen Premium-Service, bei dem Service-Personal die Umrichter im Blick behält und bei Warnungen per Remote-Zugriff reagiert. Das nutzen unsere Kunden primär bei Umrichtern aus höheren Leistungsklassen, die in kritischen Prozessen laufen.

Ist der Remote Service eine zusätzliche Komponente, die für jeden Umrichter geeignet ist?

Dr. Kock:

Wir können im Prinzip jeden Umrichter über ein Gateway, das wir dafür entwickelt haben, mit der Cloud verbinden. Wir arbeiten an Lösungen, diese Konnektivität nativ in den Umrichter zu integrieren. Wenn wir den gesamten Antriebsstrang betrachten, ist der Frequenz­umrichter das intelligenteste Gerät, er „weiß“ am meisten. Der Unterschied zu früher ist, dass wir die Daten einer Regelschleife nicht mehr nach jedem Zyklus löschen, sondern speichern. Diese Daten aus dem Frequenzumrichter eignen sich entweder für eine Diagnose oder für nachgelagerte Analysen. So wird der Frequenzumrichter zu einer noch viel wertvolleren Komponente, als er sowieso schon ist. Der Frequenzumrichter erzeugt viele Daten, also gilt es zu optimieren, welche Daten lokal behandelt und welche langfristig gespeichert werden.

Das heißt, Sie generieren mehr digitale Services wie Prozessoptimierung?

Dr. Kock:

Absolut. Wir haben schon vielfach verifiziert, wo und wie sich anhand dieser Messdaten Prozessoptimierung betreiben lässt. Bei einem Mix- oder Rührprozess beispielsweise erfährt man anhand von Drehzahl und Drehmoment viel über die Viskosität und den Widerstand, der bei diesem Prozess auftritt. Das kann man über einen Frequenzumrichter wunderbar messen, spezielle Sensoren sind nicht notwendig. Mehr und mehr Kunden verstehen das, denn Sensorik für solche Prozesse ist teilweise extrem komplex und teuer. Irgendwann, das ist meine Vision, baut man den Frequenzumrichter vielleicht nicht mehr wegen seiner energiesparenden Eigenschaften ein, sondern wegen seiner prozesssensorischen Fähigkeiten.

Müssen Sie sich durch die Vernetzung der Antriebe auch verstärkt um Security-Aspekte kümmern?

Dr. Kock:

Ja, das machen wir! Noch haben wir das Gateway dazwischen, das die Security abdeckt. Wenn die Konnektivität direkt in den Umrichter wandert und dieser künftig direkt mit der Cloud kommuniziert, fließt automatisch auch die Security-Anforderung in den Umrichter.

Donabauer:

Unabhängig von der Konnektivität haben wir schon Security-Funktionalitäten in unsere Umrichter implementiert. Zum Beispiel gibt es verschiedene Passwort-Levels, damit nicht jeder Anwender die Parametrierung ändern kann. Wir haben Check-Summen eingebaut, mit denen man erkennen kann, ob überhaupt jemand etwas geändert hat. Mit unserer Software können wir auch Änderungen generell verhindern. Bei prozesskritischen Komponenten wie unseren Antrieben hat bei ABB Security immer eine hohe Priorität.

Was planen Sie im Kontext Antriebe noch für digitale Services?

Dr. Kock:

Extrem wichtig ist uns der Ausbau der vorausschauenden Wartung, um Fehler und Schäden vorhersehen und die Lebensdauer abschätzen zu können. Dann wollen wir die Services auf den ganzen Antriebsstrang, also Motor und Frequenzumrichter ausweiten. Der nächste große Schritt für uns ist, den Antriebsstrang wie aus einem Guss zu behandeln und daraus einen Mehrwert für den Kunden abzuleiten.

Werden Frequenzumrichter überhaupt als Verschleißteile wahrgenommen?

Dr. Kock:

Es ist sicherlich so, dass vielen, vor allem Neukunden, nicht bewusst ist, dass auch elektrische Komponenten wie der Frequenzumrichter Verschleiß unterliegen. Man muss viele Kunden erst dafür sensibilisieren, was für Vorteile für ihn entstehen, wenn er von Anfang an darauf achtet. Umrichter halten lange durch, aber nicht ewig.

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  • „Meine Vision ist, dass Frequenz­umrichter künftig wegen ihrer prozesssensorischen Fähigkeiten verwendet werden.“Dr. Sönke Kock, Leiter Digitalisierung, Geschäftsbereich Antriebe, ABB.

    „Meine Vision ist, dass Frequenz­umrichter künftig wegen ihrer prozesssensorischen Fähigkeiten verwendet werden.“Dr. Sönke Kock, Leiter Digitalisierung, Geschäftsbereich Antriebe, ABB.

    Bild: ABB

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