Branchenreport Biofuels Der New Deal für die Biofuels

Bild: Joerg Simanowski, Holger Vonderlind, Yves Sucksdorff, Matthew Dixon, Bill Oxford, Rudmer Zwerver,Creative Natures NL, Fotobauer, tobb8, Hoffotografen
22.09.2015

Es dürfte kaum eine Industrie geben, die zurzeit so stark von politischen Vorgaben abhängig ist wie die Biokraftstoff-Branche. Jede Änderung von Messmethoden oder Gesetzen schlägt sich unmittelbar in der Bilanz nieder. Schaden kann es da auch, wenn man die Ziele zu gut erfüllt.

Bis 2014 mussten 6,25 Prozent Bio-Diesel im Tankstellengemisch sein. Das bedeutete, dass der Absatz gesichert war. Seit dem 1. Januar 2015 ist dagegen der Ausstoß an Treibhausgasen der Maßstab. Demnach muss die Mineralölindustrie den CO2-Ausstoß ihrer Produkte in diesem und nächstem Jahr um 3,5 Prozentpunkte, ab 2017 um vier und ab 2020 um sechs Prozentpunkte senken.

Die Neuregelung kann zwar den Absatz einzelner Produzenten steigern, die besonders hochwertigen Biosprit produzieren, insgesamt ist aber eher eine Senkung zu befürchten, heißt es beim Verband deutscher Biokraftstoffproduzenten. Denn deutscher Biodiesel ist schlicht zu gut. Allein Biodiesel aus Raps reduziert den CO2-Ausstoß um bis zu 60 Prozent. Von daher wundert es nicht, dass den Produzenten die Ziele zu niedrig sind. „Wir befürchten, dass es zu Absatzeinbrüchen kommen wird, weil das Treibhausgas-Reduktionsziel zu niedrig angesetzt wurde. Biokraftstoffe vermindern den Treibhausgasausstoß viel stärker, als zunächst angenommen“, sagt Robert Figgener von der Firma Ecomotion. „Dieses Potenzial für noch mehr Klimaschutz sollte der Gesetzgeber durch Anpassung der Zielwerte auch ausnutzen.“

Vonseiten der Mineralölkonzerne ist das Interesse am Biokraftstoff gering, zumal der Preis für Mineralöl aufgrund der Überproduktion der OPEC-Staaten gerade im Keller liegt. Also mischen die Konzerne möglichst wenig und möglichst klimatisch hochwertigen Biodiesel bei, um die vorgegebenen Ziele preisgünstig zu erreichen. Die Produzenten, die immer besseren Kraftstoff herstellen, sind somit Opfer des eigenen Erfolges.

Die schwachen Marktbedingungen in der ersten Jahreshälfte 2015 drückten das Verkaufsvolumen von Biodiesel bei der Borkener Petrotec auf 64.542 t, ein Rückgang um ca. 30 Prozent gegenüber 92.972 t im Jahr 2014. Die Handelsmargen fielen fast vollständig weg, hauptsächlich aufgrund des veränderten Regelwerks für den deutschen Markt. Der durchschnittliche Verkaufspreis pro Tonne für das Produkt des Unternehmens fiel um mehr als zwölf Prozent in 2015 im Vergleich zu 2014, was sich negativ auf die Umsatzerlöse des Unternehmens auswirkte. Der Rückgang der Rohstoffpreise konnte den Rückgang der Altspeisefettmethylester-Preise nicht vollständig kompensieren.

Upcycling von altem Speisefett

Das Borkener Unternehmen setzt auf einen besonders klimafreundlichen Rohstoff: Gebrauchtes Speisefett, das mithilfe von Kalilauge und Methanol zu Kraftstoff wird. Die Verwendung dieses Biodiesels reduziert den CO2-Ausstoß um 85 Prozent. In Deutschland entstammen 2013 acht Prozent des Biodiesels aus altem Speisefett. „Das Potenzial ist bei Weitem nicht ausgeschöpft“, sagte schon 2009 Roger Böing von der Petrotec AG. In Deutschland decken die Petrotec und die Ochsenfurter Tecosol den Markt ab. Die Borkener lassen in ganz Europa 200.000 Restaurants absammeln und verarbeiten es weiter.

Das Unternehmen ist ein Global Player in Sachen Frittenfett. Viel weiter in der Verwendung von altem Speisefett sind die Niederlande, was angesichts des Stellenwertes, den Pommes Frites dort einnehmen, nicht verwundert. Hier gibt es ein flächendeckendes Entsorgungssystem für altes Frittierfett. „Eine hohe zweistellige Anzahl von Betrieben sammelt altes Frittierfett und -öl ein und bringt es zum Fettverwerter. Der sorgt für Reinigung und Verflüssigung“, sagt Nicole Vervaet vom niederländischen Speisefetterzeugerverband MVO.

Inzwischen wird aus 95 Prozent des in der Gastronomie anfallenden Fettabfalls Kraftstoff. Die entstandenen Abfälle vergären die Niederländer gemeinsam mit sonstigen organischen Betriebsabfällen zu Biogas. Auch Bioglycerin, Bioheizöl und Kompost sind Nebenprodukte des Fettrecyclings, die ihren Platz in der weiterverarbeitenden Industrie finden. Selbst die Kunststoffindustrie verarbeitet aufbereitetes Altfett. Die Niederländer gehen sogar noch weiter und haben rund 3.000 Sammelstellen für Privatkonsumenten im Land. Der Endverbraucherbereich hat eine Rücklaufquote von 20 Prozent. Nach Angaben der Amsterdamer Simdan Holding, deren Tochterbetriebe von der Altfettentsorgung bis hin zur Produktion alles in der Hand haben, entstehen aus 99,9 Prozent des alten Frittenfettes und der übrigen organischen Abfälle Biodiesel und Nebenprodukte.

Umweltfreundlicher Kraftstoff aus Tierfetten

In Deutschland ist hingegen der Raps Hauptlieferant für Biodiesel, mit 64 Prozent. Außergewöhnlich war 2013 der mit 13 Prozent hohe Anteil des aus ökologischer Sicht problematischen Palmöls, was dem niedrigen Weltmarktpreis geschuldet war. Der Marktanteil von Biodiesel beträgt sechs Prozent, in absoluten Zahlen um 2,2 Mio. Tonnen.

Die politischen Vorgaben schlagen auch bis auf die Rohstoffe durch. So produziert der Biodieselanbieter Ecomotion unter anderem aus Tierfetten der Kategorie 1 den nach eigenen Angaben wohl klimafreundlichsten und nachhaltigsten Biodiesel, der derzeit in industriellem Maßstab hergestellt wird. Unter „Kategorie 1“ fallen Fette, die in der Nahrungsmittelindustrie nicht oder kaum verwertet werden dürfen wie etwa Fett aus Verwertungsanstalten oder Talge. „Wir müssen unseren gesamten Diesel aus tierischem Fett ins Ausland verkaufen“, sagt Reinhard Willmer von Ecomotion.

In Deutschland darf dieser Diesel nicht als Berechnungsgrundlage für die Treibhausgasreduktion verwendet werden. Tierfettdiesel ist juristisch das Gleiche wie Mineraldiesel. Das Umweltbundesamt sagt, dass Tierfette bisher höherwertig in der Oleochemie und Futtermittelindustrie Verwendung finden. Wenn man Tierfettdiesel auf die Biokraftstoffquote anrechnet, hätte das zum einen zur Folge, dass diese Industrien auf nicht zertifiziertes Palmöl zurückgreifen und Tierfette höherer Kategorien zu Kategorie 1 umdeklariert werden, um so Subventionen zu kassieren, befürchtet Sprecher Jan Seven.

Konkurrenz zur Nahrungskette

Traditionell heiß diskutiert in der Politik ist die Frage „Tank oder Teller“. Hat die Produktion biologischer Kraftstoffe einen negativen Einfluss auf die Nahrungsmittelproduktion? Der Verband Deutscher Biokraftstoffproduzenten verneint das. Biodiesel trage zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise bei. Aus einheimischen Raps entstehen nicht nur 2,3 Mio. l Öl, sondern auch 2,8 Mio. t hochwertiges Eiweißfuttermittel, das den Bedarf an importiertem und oftmals gentechnisch modifiziertem Sojaschrot reduziert. Somit sei der Sojaanbau und damit verbunden die Regenwaldabholzung, etwa in Brasilien, unattraktiver geworden. Zudem seien die Biokraftstoffhersteller durch die Nachhaltigkeitsverordnung verpflichtet, ausschließlich Rohstoffe aus nachhaltigem Anbau zu verarbeiten. Kritik äußert Verbandssprecher Frank Brühning allerdings daran, dass die Lebensmittelindustrie nicht zur Nachhaltigkeit verpflichtet ist. Der indonesische Bauer mit nachhaltigem Palmöl holzt Regenwald ab und verkauft das nachhaltige Öl als Kraftstoff und das nicht nachhaltige an Lebensmittel- und Kosmetikkonzerne.

Eine Lösung des Nachhaltigkeitsproblems schien die Jatropha-Pflanze zu sein, die auf sehr armen Böden wächst und einen hohen Ölgehalt aufweist. Der ist allerdings bei dieser Wildpflanze stark schwankend. Hinzu kommt, dass die Pflanze ganzjährig trägt und somit nur mit äußerst hohem Personalaufwand angebaut werden kann. „Das würde zu Lohndrückerei sowie Kinderarbeit führen“, befürchtet Frank Brühning.Die Zukunft der Biokraftstoffe liegt in innovativen Verfahren wie etwa der Komplettverarbeitung etwa von Pappeln zu biologischem Erdöl und anderen Stoffen, aus denen unter anderem auch Kraftstoff gemacht werden kann. Ein anderer Weg ist es, dem Kohlendioxid selbst den Garaus zu machen. Das Gas wird mithilfe überflüssigen Stroms aus Wind und Sonne zu Methan umgewandelt, aus dem seinerseits flüssige Kohlenwasserstoffe werden, ein Grundstoff für Kraftstoff und andere Produkte der chemischen Industrie.

Firmen wie Clariant oder auch der Exzellenzcluster „Maßgeschneiderte Kraftstoffe aus Biomasse“ an der RWTH Aachen mit Vertretern der Chemie, Biologie, Verfahrenstechnik und Maschinenbau arbeiten inzwischen an dieser dritten Generation von Biokraftstoffen. Es geht in Aachen darum, ganze Pflanzen zu biologischem Kraftstoff und anderen Chemiegrundstoffen zu machen, um maßgeschneiderten Kraftstoff zu schaffen, der nicht in Konkurrenz zur Nahrungskette steht. Die Branche dürfte also auch in Zukunft nichts an ihrer Innovationskraft einbüßen.

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