Die pharmazeutische Produktion ist einer der größten Verursacher von Treibhausgasen (THG) in der Fertigungsindustrie. Die Emissionen übertreffen sogar diejenigen des weltweiten Automobilsektors. Daten zufolge beliefen sich die globalen Gesamtemissionen der beiden Branchen 2015 auf etwa 52 Millionen t CO2e beziehungsweise 46,4 Millionen t CO2e. Einer der Gründe für die starken Umweltauswirkungen der pharmazeutischen Herstellung sind die eingesetzten Chemikalien. Hierbei handelt es sich häufig um Gefahrstoffe, die vor der Entsorgung aufbereitet werden müssen, was den CO2-Fußabdruck und die Abfallmenge erhöht.
Es gibt noch einen weiteren Unterschied zwischen dem Pharma- und dem Automobilsektor, der wesentlich zu den ungleich höheren Emissionen beiträgt: den Grad der Digitalisierung. Sie ist seit Jahren ein Eckpfeiler der effizienten Automobilproduktion, der den Pharmaunternehmen noch weitestgehend fehlt. Die Automobilindustrie arbeitet schon lange mit hochgradig vernetzten Robotern und Automatisierungssystemen, prädiktiven und workflow-steuernden Algorithmen, Prozess- und Produktvisualisierung sowie Überwachungs- und Steuerungstechnologien.
Diese Lösungen spielen eine Schlüsselrolle für Ressourcen- und Energienutzung und reduzieren gleichzeitig Zykluszeiten, Abfall, Nacharbeit und Ausschuss. Das Resultat ist eine verbesserte Effizienz der Produktionslinien und hohe Produktqualität bei gleichzeitiger Rentabilitätssteigerung. Da Politik und Gesetzgebung weltweit eine bessere CO2-Bilanz der Unternehmen fordern, dürfen Arzneimittelhersteller mit der Umsetzung zukunftsorientierter, digitaler Transformationsstrategien nicht zu lange warten, um ihren Betrieb und ihre Produkte umweltfreundlicher zu machen.
Ein Blick auf die Analysegeräte
Datengestützte Lösungen wie PAT haben für Pharmahersteller besonders viele Vorteile: Sie können Maschinen, Prozesse und Produkte optimieren, indem sie deren Visualisierung, Überwachung, Steuerung und Transparenz verbessern. Diese Fortschritte ermöglichen schnellere und präzisere Entscheidungen. Für die Konfiguration muss das Unternehmen zunächst feststellen, welche Informationen benötigt werden und welche Datensätze diese Informationen liefern können.
Angesichts der Vielfalt an Sensoren und Analysegeräten gilt es nun zu ermitteln, mit welchen Optionen die angestrebten Ziele am besten zu erreichen sind. Hierbei sind auch weitere Rahmenbedingungen zu berücksichtigen wie zeitliche Aspekte, Budgets oder besondere Anforderungen bestimmter Prozesse, Anlagen oder Unternehmen. Pharmaunternehmen müssen beispielsweise definieren, welche Art von Informationen das Instrument liefern soll. Darüber hinaus müssen sie die Nachweisgrenze, die Genauigkeit und die Ansprechmerkmale festlegen, die das jeweilige Analysegerät bieten muss. Außerdem sind die Umgebungsbedingungen zu beschreiben, die zu tolerieren und für erfolgreiche Test erforderlich sind.
Für einen umfassenden Überblick über das Geschehen in der Produktion gilt es, Sensoren und Instrumente auszuwählen, die sich in eine größere Netzwerkinfrastruktur einbinden lassen, um die Entstehung von „Automatisierungsinseln“ zu verhindern, die der gemeinsamen Datennutzung im Wege stehen. Herstellerspezifische PAT-Lösungen sind oft nur begrenzt kompatibel mit Geräten anderer Hersteller und die Unternehmen somit auf Produkte einer bestimmten Marke festgelegt.
Diese Lösung ist angesichts der damit verbundenen Kosten und des begrenzten Geräteangebots des jeweiligen Herstellers nicht immer ideal. Alternativ können Pharmahersteller eine herstellerunabhängige Software implementieren, um die Daten von verschiedenen Sensoren und Instrumenten zu erfassen, zu speichern, zu verarbeiten und zu interpretieren.
Alle Fäden zusammenführen
Diese zweite Lösung hat den großen Vorteil, dass immer das für die jeweilige Anwendung am besten geeignete Analysegerät gewählt werden kann. Außerdem ist sie ein wichtiges Instrument für vollständige Prozesstransparenz sowie für Überwachungs- und Prozesslenkungsstrategien. PAT-Wissensmanagement-Plattformen wie synTQ von Optimal ermöglichen den Aufbau einer Drehscheibe für alle Daten von Sensoren und Analysegeräten. Derartige Managementsysteme können Informationen dann sogar mittels Datenfusionsstrategien kombinieren.
Durch die gemeinsame Analyse mehrerer miteinander verbundener Datensätze, die sich ergänzende Einblicke in dasselbe Phänomen bieten, lassen sich genauere Rückschlüsse ziehen als durch die Analyse eines einzelnen Datensatzes allein. Dadurch ist es möglich, hochpräzise Vorhersagemodelle für die Produktqualität zu erstellen. Diese erkennen Negativtrends wie übermäßigen Prozessaufwand, der in Bezug auf die Ressourcennutzung und die Durchlaufzeiten ineffizient ist.
Basierend auf mithilfe dieser Modelle gewonnenen Erkenntnisse kann der PAT-Wissensmanager mittels automatisierter Prozesslenkungslösungen Sollwertänderungen der Prozessparameter direkt an die Automatisierungssteuerung, zum Beispiel eine speicherprogrammierbare Steuerung (SPS) oder eine verteilte Steuerung (Distributed Control System, DCS), signalisieren. Außerdem kann er Bedienpersonal über erforderliche manuelle Anpassungen der Betriebsbedingungen informieren, um Qualitätsmängel, Verschwendung, Nacharbeiten und Ausschuss zu vermeiden.
Ein anschauliches Beispiel für die Vorteile sind Bioreaktoren, wie sie in biotechnologischen und biowissenschaftlichen Einrichtungen zum Einsatz kommen: Um optimale Bedingungen für Zellkulturen zu schaffen, können in situ Sensoren für Temperatur, pH-Wert und Sauerstoff sowie Analysegeräte zur Messung des Glukosespiegels und der Konzentration anderer Stoffwechselprodukte eingerichtet werden.
Wenn all diese Faktoren durch eine PAT-Wissensmanagement-Software vernetzt werden, lassen sich die Informationen aus diesen verschiedenen Quellen korrelieren und zu klaren Erkenntnissen darüber zusammenführen, durch welche Änderungen der Prozessfaktoren die optimalen Zellkulturbedingungen am effektivsten aufrechtzuerhalten sind. Bei einer automatisierten Prozesslenkung werden diese Erkenntnisse zur entsprechenden Anpassung der Parameter an die Automatisierungssteuerungen weitergeleitet.
Auf diese Weise lassen sich unter anderem bei Prozessen wie dem Mischen und Vermengen sowohl eine unzureichende als auch eine übermäßige Verarbeitung vermeiden, die verminderte Qualität, erhöhten Energieverbrauch und verlängerte Durchlaufzeiten zur Folge haben können, das heißt, mehr Nacharbeit, mehr Abfall und weniger Effizienz.
Unterstützung der gesamten Wertschöpfungskette
Bei Produktionslinien für die Abfüllung/Verpackung von Arzneimitteln liegen die Vorteile datengestützter Technologien auf der Hand, aber auch die Herstellung von Arznei- und Hilfsstoffen sowie Forschungslabors und Pilotanlagen profitieren hiervon: Durch dieselben Prinzipien der vernetzten Instrumentierung und Datenfusion können F&E-Abteilungen ihr Prozesswissen bereits in den frühen Phasen der Arzneimittelentwicklung verbessern. Außerdem lassen sich dank der verwertbaren Erkenntnisse Experimente virtuell durchführen, was Zeit, Energie und Ressourcen spart und gleichzeitig die Abfallmengen reduziert.
Letzten Endes können Industrieautomatisierung und innovative Technologien die gesamte Wertschöpfungskette positiv beeinflussen und den Sektor umweltfreundlicher und effizienter machen.
Um nachhaltiger zu werden – zur Erfüllung regulatorischer und kundenseitiger Anforderungen – sollte die pharmazeutische Industrie automatisierte Strategien wie PAT einführen, um Daten zu erfassen und einzigartige Geschäftserkenntnisse zu generieren. Durch umfassende Vernetzung von Analysegeräten und Unterstützung fortschrittlicher Big-Data-Lösungen, die häufig auf Datenfusion beruhen, können Pharmahersteller klaren Aufschluss über den Ablauf ihrer Prozesse gewinnen, verschiedene Qualitätsattribute in Echtzeit messen und sicher wissen, wie diese gegebenenfalls wieder in den gewünschten Zustand zu versetzen sind. Durch Ausmerzung von Ineffizienzen lassen sich nachhaltigere und rentablere Verfahren verwirklichen, die dem Unternehmen, den Patienten und der Umwelt zugutekommen.