Anlagenbetreiber, die ihre Windkraftanlagen vor Vereisung schützen wollen, mussten bisher tief in die Tasche greifen: In die Flügel integrierbare Heizmatten oder Systeme, die warme Luft in die Rotoren pumpen, sind – genau wie der Einsatz von Hubschraubern, die Enteisungsmittel versprühen – mit hohen Kosten verbunden. „Drohnen, die nur im Bedarfsfall eingesetzt werden, sind eine preiswerte Alternative“, betont Andreas Stake, Projektleiter am Fraunhofer IFAM.
Um sie für die Prävention von Vereisung nutzen zu können, müssen jedoch mehrere Voraussetzungen erfüllt sein: Man braucht umweltverträgliche Beschichtungsmaterialien, die gut haften und ausreichend beständig sind, damit sie über Wochen auf den Rotoren verbleiben und diese vor Vereisung schützen. Benötigt wird ferner eine Spritzvorrichtung, die sehr genau arbeitet, aber wenig wiegt. Und zu guter Letzt müssen Drohnen bereitgestellt werden, die sich sehr präzise steuern lassen und dazu noch eine große Tragkraft haben.
Umweltverträgliche Materialien und punktgenaue Applikationsgeräte
Im Projekt „TURBO: Temporäre Beschichtung mittels Drohnen“ entwickelten die Fraunhofer-Forschenden einen Prototyp, der all diesen Anforderungen gerecht wird: Am Fraunhofer IFAM in Bremen erarbeiteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein Beschichtungsmaterial aus Harnstoff und Wachs, das umweltverträglich ist und gut haftet. Das entwickelte Beschichtungsmaterial kann schnell und einfach mittels Spritzapplikation aufgetragen werden und trocknet schnell an. Dass die Beschichtung zuverlässig vor Reifbildung schützt, wurde in einer Eiskammer am Institut getestet und nachgewiesen.
Das Team am Fraunhofer IPA baute das Applikationsgerät, mit dem sich die Beschichtung aufbringen lässt. Es besteht aus einer kleinen Pumpe, die das flüssige Harnstoff-Wachs-Gemisch mit hohem Druck in eine lange, dünne Lanze presst. An deren Spitze befindet sich eine Düse mit einem Durchmesser von nur 0,3 mm. Mit diesem „airless“-Pumpsystem, das ohne Beimischung von Luft arbeitet, lassen sich Tröpfchen mit 100 Mikrometern Durchmesser erzeugen. Diese können sogar bei Wind von 35 Stundenkilometern noch punktgenau auf die Kanten der Rotorblätter gespritzt werden, wo sie erstarren. Die Kanten sind besonders wichtig, denn hier beginnt der Vereisungsprozess, wenn nasse, kalte Luft auf die Anlage trifft.
Mit Simulationen zum Erfolg
Die technischen Parameter – beispielsweise den benötigten Druck, die effiziente Zerstäubung und die optimale Tröpfchengröße – ermittelte das Team von Dr. Oliver Tiedje, Projektleiter am Fraunhofer IPA, mithilfe fluid-dynamischer Simulationen. „Dabei hat uns die jahrzehntelange Erfahrung mit der Modellierung von Lackierprozessen sehr geholfen. Auf dieses Know-how konnten wir zurückgreifen“, erinnert sich der Physiker. „Wir mussten die Prozessparameter allerdings an die komplexe Geometrie der Windkraftanlagen anpassen.“
Im nächsten Schritt wollen die Forschenden die Technik zusammen mit Partnern aus der Industrie bis zur Serienreife weiterentwickeln. Für die Beschichtungstechnik durch Drohnen gibt es eine Vielzahl von Anwendungen: Das Spektrum reicht vom Vereisungsschutz für Windkraftanlagen und Oberleitungen im Bahnverkehr bis zur Sanierung von Gebäuden, beispielsweise für das Ausbessern von Defekten im Verputz an schwer zugänglichen Stellen von Gebäuden.
Begleitet wurde „TURBO: Temporäre Beschichtung mittels Drohnen – Vereisungsschutz von Windenergieanlagen als Fallbeispiel“ zudem von 19 Firmen aus den Bereichen Lack- und Rohstoffhersteller, Herstellern von Lackiergeräten, Drohnen und Betreibern von Windenergieanlagen. Das Projekt wurde über die Forschungsgesellschaft für Pigmente und Lacke bei der „Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke“ als industrielle Gemeinschaftsforschung (IGF) eingereicht und wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert.