Lithium zählt derzeit zu den begehrtesten Rohstoffen und die Nachfrage nach dem weißen Gold wird weiter steigen. Allein die Umstellung von Verbrennungsmotoren auf Elektroantriebe für Fahrzeuge wird Lithium zu einer knappen Ressource machen. Zwar lagern beachtliche Reserven in chilenischen Salzwüsten oder in australischen Minen, doch langfristig müssen neue Quellen erschlossen werden, um den wachsenden Bedarf zu bedienen. Ideal sind dabei regionale Lithium-Quellen, da sich durch verkürzte Transportwege auch der CO2-Fußabdruck von Lithium-Technologien deutlich verbessern ließe.
Ein Erfolg versprechender Ansatz ist auch das Recycling von Lithium-Ionen-Batterien, das allerdings erst dann einen nennenswerten Ertrag bringt, wenn genügend Batterien an ihrem Lebensende angekommen sind. Die Extraktion des Alkalimetalls aus wässrigen Lösungen ist eine weitere Methode, an der intensiv geforscht wird. So gibt es einige Ansätze, Lithium aus Thermalwasser oder sogar aus Grubenwasser zu gewinnen. Und nicht zuletzt stellen die Weltmeere ein schier unerschöpfliches Reservoir dar. Zwar ist die Lithiumkonzentration im Meerwasser äußerst gering, doch in Summe bringen es die 1,4 Milliarden km3 Wasser auf einen Lithiumgehalt von 230 Milliarden Tonnen.
Die Mischung macht's
Basis des in ACS Energy Letters vorgestellten Verfahrens zur Lithiumgewinnung aus wässrigen Lösungen ist eine Kombination aus einer Redox-Fluss-Batterie, einer Polymermembran für den Austausch von Anionen und zwei lithiumselektiven keramischen Membranen (Lisicon). Im Gegensatz zu herkömmlichen Batterien speichern Redox-Fluss-Batterien Energie durch Oxidation und Reduktion eines flüssigen Elektrolyten und nicht durch eine elektrochemische Reaktion in festen Elektroden. Der flüssige Zustand hat den Vorteil, dass der Redox-Elektrolyt gepumpt und so das System kontinuierlich betrieben werden kann. Je nachdem, wie groß das System sein muss, kann die Größe der Elektrolyt-Tanks einfach angepasst werden.
Die elektrochemische Zelle besteht aus zwei Kammern: eine für die elektrochemische Oxidation und eine zweite für die Reduktion. Zwischen diesen beiden Kammern befindet sich eine Ionentauschmembran. Das Neue am INM-System ist, dass sich zwischen den beiden Kammern für den Redox-Elektrolyten zwei weitere Kanäle für den Zustrom von lithiumhaltigem Wasser und zur Anreicherung von Lithium-Ionen befinden. Damit kommt das Gesamtsystem auf vier Kammern. Die enorme Selektivität von Lithium-Ionen verdankt das System den keramischen Lisicon-Membranen, die andere Kationen, wie Natrium- oder Kalium-Ionen, effektiv blockieren.
„Man kann sich unser Verfahren wie einen im Kreis fahrenden Bus vorstellen. Lithium-Ionen, zum Beispiel aus Meerwasser, werden durch die Reduktion einer Rotkali-Lösung in der einen Kammer aufgenommen und bei der Oxidation in einer anderen Kammer wieder abgegeben“, erläutert Volker Presser und ergänzt: „Dieses ‚Ein-und-Aussteigen‘ hat viele Vorteile: Zum einen können wir das System kontinuierlich laufen lassen, ganz wie jede andere Redox-Fluss-Batterie. Das ist sehr wichtig für eine beständige Lithium-Ernte. Und zum anderen können wir damit verschiedene Lithium-Ionen-Quellen nutzen.“
Verfahren vielseitig einsetzbar
Stefanie Arnold, Doktorandin in der Energie-Materialien-Gruppe des INM, führt weiter aus: „Das Verfahren eignet sich für natürliches Wasser, beispielsweise aus den Ozeanen oder aus Hydrothermalquellen. Wir können es aber auch für Grubenwasser oder für die Extraktion von Lithium-Ionen beim hydrometallurgischen Recyclen von gebrauchten Batterien nutzen“.
Im nächsten Schritt soll das elektrochemische System weiter verbessert werden. „Derzeit ist die keramische Lisicon-Membran im Fokus unserer Optimierungsstrategie. Dünnere und auf anderen Materialien basierende Lithium-Ionen-Membranen werden den Prozess deutlich schneller ablaufen lassen und ergeben geringere Kosten bei gleichzeitig verbesserter mechanischer Stabilität“, so Prof. Presser. Eine solche Technologie kann perspektivisch einen wichtigen Beitrag zur Lithium-Kreislaufwirtschaft leisten.