Michael Marhofer, ifm Das Ende der Verlässlichkeit

Michael Marhofer ist co CEO der ifm-Unternehmensgruppe. 1997 stieg er im Bereich Produktmanagement des Familienunternehmens ein und übernahm im Jahr 2001 in zweiter Generation die Leitung. Als einer der Pioniere des Bereichs Industrie 4.0 und mit weltweit über 9.000 Mitarbeitenden zählt die Unternehmensgruppe zu den Branchenführern.

Bild: ifm
23.10.2024

Weltweit sind Demokratien ein bedrohtes Gut und zunehmend etablieren sich neue Autokratien. Gleichzeitig sind wir mit einer globalen wirtschaftlichen Vernetzung konfrontiert, die zunehmend unter Druck gerät. Wenn wir bestehen wollen müssen wir Weltwirtschaft neu denken – für unsere Generationen ist das ungewohnt.

Neben den geopolitischen Spannungen in Europa stellen die aggressiven Wirtschaftstaktiken Chinas und die unberechenbaren Handelskonflikte zwischen den USA und China große Herausforderungen dar. Auch die geopolitischen Unsicherheiten, insbesondere der Konflikt zwischen China und Taiwan, werfen große Fragen auf. Durch einen möglichen Angriff auf Taiwan würden nicht nur politische und wirtschaftliche Turbulenzen ausgelöst, sondern auch die globale Lieferkette massiv beeinträchtigt. Die Vorstellung, dass wir in Europa Vieles nicht mehr produzieren könnten, ist keine Übertreibung, sondern eine Realität, der wir uns stellen müssen. Dadurch sind wir gezwungen, unsere Produktionsstrategien zu überdenken und auf lokale Märkte zu setzen. Wie können wir als Unternehmer in diesen unsicheren Zeiten Vertrauen schaffen und gleichzeitig unsere Wettbewerbsfähigkeit sichern?

Ein zentraler Ansatz ist die Lokalisierung unserer Märkte. In der Vergangenheit haben viele Unternehmen Produktion und Entwicklung zunehmend ins Ausland verlagert. Inzwischen beobachten wir jedoch ein verstärktes Umdenken und damit auch eine Regionalisierung, um den regionalen Anforderungen besser gerecht zu werden. Zum Beispiel investieren wir bei ifm in China in lokale Produktionsstätten und entwickeln Produkte, die speziell auf den chinesischen Markt zugeschnitten sind. Ähnliches gilt für Mexiko, Europa, die USA und Singapur. Diese Lokalisierung hilft nicht nur, Risiken in der Lieferkette zu minimieren, sondern auch, besser auf lokale Marktbedürfnisse eingehen zu können.

Allerdings bringt die Lokalisierung nicht nur Vorteile, sondern auch Herausforderungen mit sich. So steigen die Kosten für die lokale Produktion, und wir müssen uns darauf einstellen, dass unsere Produkte teurer werden. Denn in einem globalen Markt, in dem der Preis oft der entscheidende Faktor ist, wird es immer schwieriger, wettbewerbsfähig zu bleiben. Insbesondere in Ländern wie China und den USA, in denen der Preis eine entscheidende Rolle spielt, müssen wir sicherstellen, dass unsere Produkte nicht nur nachhaltig, sondern auch kosteneffizient sind.

Ein weiteres großes Thema ist die Digitalisierung. Sie bietet enorme Chancen zur Verbesserung unserer Geschäftsprozesse, bringt aber auch Herausforderungen mit sich. Um unsere Prozesse zu verbessern, investieren wir bei ifm stark in Cloudlösungen und Software. Doch trotz unserer hohen Investitionen in Forschung und Entwicklung werden wir immer wieder mit der Realität konfrontiert, dass viele Unternehmen die Digitalisierung nur langsam umsetzen. Oft ist die Implementierung digitaler Lösungen langwierig und teuer, was die Akzeptanz in der Breite der Industrie erschwert.

Auch das Thema Nachhaltigkeit stellt Unternehmen weltweit vor große Herausforderungen. Während wir in Europa und Nordamerika einen gewissen Markt für nachhaltige Produkte sehen, ist dieser in vielen anderen Regionen noch nicht ausgereift. In Asien, insbesondere in China, zählt oft der niedrigste Preis und nachhaltige Produkte haben es schwer. Wir müssen daher Lösungen finden, um unsere Produkte so zu entwickeln, dass sie sowohl nachhaltig als auch kostengünstig sind. Der Trend zu höheren Preisen für nachhaltige Produkte ist in vielen Märkten noch nicht stark genug, um die höheren Kosten zu rechtfertigen.

Als Unternehmen stehen wir vor der Aufgabe, in einer Welt voller Unsicherheiten und Herausforderungen nicht nur zu überleben, sondern auch zu wachsen. Verlässlichkeit in der Wirtschaft bedeutet heute mehr denn je, ehrlich und transparent zu sein und gleichzeitig flexibel auf sich verändernde Rahmenbedingungen zu reagieren. Die Lokalisierung, die digitale Transformation und die nachhaltige Entwicklung stellen dabei Schlüsselstrategien dar, die uns helfen können, in einem immer unberechenbareren globalen Markt erfolgreich zu bleiben.

Wir brauchen den Mut, uns diesen Herausforderungen zu stellen und proaktiv Lösungen zu entwickeln. Denn nur mit ehrlicher Kommunikation, innovativen Ansätzen und kontinuierlicher Anpassung können wir Vertrauen schaffen und unsere Unternehmen erfolgreich führen. Packen wir diese Herausforderungen gemeinsam an und stellen wir die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft.

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