Dr. Sebastian Durst, Weidmüller Operations neu gedacht

Als CEO der WEIDMÜLLER GRUPPE verantwortet Dr. Sebastian Durst unter anderem die Bereiche Strategie, HR, Produktion und Supply Chain Management. Zuvor war er bei Weidmüller als Vorstand für Operations tätig sowie als Divisionsleiter für das globale Geschäft mit Komponenten und Lösungen für den Schaltschrankbau zuständig. Er arbeitete zehn Jahre als Unternehmensberater bei Roland Berger.

Bild: Weidmüller
23.10.2024

Das internationale Geschäftsumfeld ist mehr denn je geprägt von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambivalenz (VUCA). Damit stehen die Operations vieler Unternehmen vor einem Paradigmenwechsel. Wettbewerbsfähigkeit in puncto Lieferservice, Qualität und Kosteneffizienz genügt nicht mehr. Resilienz, Nachhaltigkeit und Kundennähe müssen ebenfalls adressiert werden. Wie kann dies gelingen? Am Beispiel des Familienunternehmens Weidmüller werden Antworten aufgezeigt.

Um mit einem Beispiel aus dem privaten Bereich zu beginnen: Vor einigen Wochen kam meine Tochter mit der Hausaufgabe aus der Schule, den Brandschutz in unserem Haus zu überprüfen. Dabei stellten wir fest, dass wir zwar über wesentliche Brandschutzelemente wie Rauchmelder und Feuerlöscher verfügen, es aber an einer intelligenten Vernetzung und klaren Notfallstrategien fehlt. Was genau passiert im Ernstfall? Wo greife ich den Feuerlöscher? Welchen Fluchtweg nehme ich? Auch technologisch haben wir nicht alle Möglichkeiten wie etwa vernetzte Rauchmelder ausgereizt. Das Beispiel macht deutlich, dass es nicht nur darum geht, die richtigen Einzelelemente konsequent auszuprägen, sondern diese vielmehr im Rahmen eines Gesamtsystems intelligent zu vernetzen und in einen ganzheitlichen Plan zu integrieren.

Womit wir bei der zentralen Herausforderung für die Operations vieler Unternehmen heute sind: Die Ausrichtung an den traditionellen Faktoren für Wettbewerbsfähigkeit – Kosten, Service und Qualität – wird einer von Unsicherheit und Komplexität geprägten Welt immer weniger gerecht. Unternehmen müssen sich mehr denn je an sich dynamisch veränderte Rahmenbedingungen anpassen. An eine Welt also, die von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität (VUCA) geprägt ist. In der Konsequenz werden weitere Faktoren relevant, wie etwa Resilienz, Nachhaltigkeit und Kundennähe. Das sogenannte magische Dreieck (Service, Kosten, Qualität) muss weitergedacht werden.

Als Firma Weidmüller haben wir darauf mit einer Neuformulierung unserer Operations Strategie geantwortet. Diese umfasst neben einer klaren Vision und messbaren Zielen vor allem einen integrierten Transformationsplan in Richtung Regionalisierung, Simplifizierung, Digitalisierung und Automatisierung. Damit adressieren wir im Sinne unserer Kunden nicht nur die oben genannten Dimensionen des magischen Dreiecks, sondern machen unsere Operations resilienter, nachhaltiger und kundennäher.

Eine wichtige Säule ist die regionale Wertschöpfung nah am Kunden in Kombination mit einfachen und damit kurzen Wertschöpfungsketten. Daher steuern auch wir als mittelständisches Unternehmen eine regionalisierte Wertschöpfung für Europa, Asien und Amerika an. Größtes Einzelprojekt in diesem Zusammenhang ist der laufende Neubau eines Werkes für unsere Elektronikprodukte wie Remote I/O, Relais und elektronische Sicherungen am Standort Deutschland. Damit verkürzen wir Durchlaufzeiten für unsere Kunden, verbessern den CO2-Footprint unserer Produkte und tragen durch „Made in Germany“ zum De-Risking für unsere Kunden in Europa und Nordamerika bei. Nachteile auf der Herstellkostenseite kompensieren wir mittels Verbundvorteilen durch kurze Wege zwischen Entwicklung und Produktion sowie ein konsequentes Design for Manufacturing and Testing.

Eine zweite Säule ist die konsequente Digitalisierung und Automatisierung unserer direkten und indirekten Prozesse. Im Zentrum steht dabei eine Systemarchitektur, die die nahtlose Integration verschiedener Systeme und Datenquellen ermöglicht. Damit können Unternehmen ihre Produktions- und Logistikprozesse effizienter gestalten und flexibler auf Veränderungen reagieren. Ein konkretes Beispiel mit greifbaren Vorteilen ist der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) im Risikomanagement von Wertschöpfungsketten. Moderne KI-gestützte Systeme analysieren umfangreiche Datenmengen zu Lieferketten, Transportwegen und anderen kritischen Faktoren. Damit werden potenzielle Störungen frühzeitig erkannt und es können schneller als in der Vergangenheit passende Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Dies stärkt Resilienz, Effizienz sowie die Kundennähe durch bessere Lieferleistungen.

Fazit: Viele Unternehmen stehen heute vor der Herausforderung, ihre Operations an die erweiterten Anforderungen einer VUCA-Welt anzupassen. Dabei genügt es nicht, nur einzelne Elemente zu optimieren. Vielmehr sind die intelligente Vernetzung und der Einsatz fortschrittlicher Technologien wie künstlicher Intelligenz entscheidend, um Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und auszubauen. Es gilt Kosteneffizienz, Service, Qualität und Flexibilität mit Antworten auf zusätzliche Anforderungen wie Resilienz, Nachhaltigkeit und Kundennähe zu kombinieren. Oder um im Bild des eingangs eingeführten Beispiels zu sprechen: Ein Feuerlöscher ist kein Brandschutzkonzept.

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