Stickstoff gehört zu den wichtigsten Bausteinen unserer Zellen. Der größte Teil des Stickstoffs auf der Erde liegt jedoch in Form von gasförmigem elementarem Stickstoff (N2) vor, der für Zellen chemisch nicht verwertbar ist. Nur eine einzige Familie von Enzymen, die ausschließlich von mikrobiellen Organismen produziert wird, ist in der Lage, diesen in bioverfügbares Ammoniak (NH3) umzuwandeln: die Nitrogenasen.
Forschende um Dr. Johannes Rebelein vom Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg haben vor kurzem entdeckt, dass einige Nitrogenasen auch mit einem anderen wichtigen Substrat umgehen können: Sie reduzieren das Treibhausgas CO2 zu Kohlenwasserstoffen (Methan, Ethylen, Ethan), Kohlenmonoxid und Ameisensäure. Alle diese Stoffe haben gemeinsam, dass sie potenzielle Energieträger und industriell relevante Chemikalien sind.
Im Hinblick auf eine nachhaltige, kohlenstoffneutrale Bioproduktion wollte das Team wissen: Wie gut können die Enzyme zwischen CO2 und N2 unterscheiden? Und findet die CO2-Reduktion bei Bakterien, die auf N2 wachsen, auch unter normalen Bedingungen statt?
Im Fokus: Bakterium Rhodobacter capsulatus
Um diese Fragen zu beantworten, konzentrierten sich die Forscher auf das photosynthetische Bakterium Rhodobacter capsulatus, das zwei Isoenzyme beherbergt: neben der Molybdän (Mo)-Nitrogenase auch die Eisen (Fe)-Nitrogenase, die das Bakterium als Reserve bei Molybdänmangel benötigt.
Die Forscher isolierten beide Nitrogenasen und verglichen deren CO2-Reduktion mittels biochemischer Tests. Dabei stellten sie fest, dass die Fe-Nitrogenase tatsächlich dreimal effizienter CO2 reduziert als ihr Molybdän-haltiges Gegenstück und auch bei atmosphärischen CO2-Konzentrationen Ameisensäure und Methan produziert.
Wurden beiden Enzymen gleichzeitig CO2 und N2 angeboten, zeigte sich ein weiterer wichtiger Unterschied: Während die Mo-Nitrogenase selektiv N2 reduziert, wählt die Fe-Nitrogenase eher CO2 als Substrat. „Normalerweise geht bei Enzymen eine höhere Reaktionsgeschwindigkeit auf Kosten der Genauigkeit. Interessanterweise ist die Mo-Nitrogenase sowohl schneller als auch selektiver, was ihren Vorteil bei der Stickstofffixierung zeigt. Die geringere Spezifität der Fe-Nitrogenase und ihre Vorliebe für CO2 macht sie zum vielversprechenden Ausgangspunkt für die Entwicklung neuartiger CO2-Reduktasen“, sagt Frederik Schmidt, Doktorand im Labor von Rebelein und Mitautor der Studie.
Dies war nicht die einzige Überraschung. „Wir haben geprüft, welcher Anteil der Elektronen in welchem Produkt landet. Dabei stellten wir fest, dass die Bakterien auch dann Methan und Ameisensäure ausscheiden, wenn der Kultur kein zusätzliches CO2 zugeführt wird: Das durch die Fe-Nitrogenase aus dem Stoffwechsel gewonnene CO2 reicht aus, um den Prozess anzutreiben. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass die durch Fe-Nitrogenasen katalysierte CO2-Reduktion in der Natur tatsächlich weit verbreitet sein könnte“, erklärt Niels Oehlmann, Mitautor der Studie.
Durch ihren Einfluss auf die die Verfügbarkeit und der Austausch von Kohlenstoff-Substraten beeinflussen Nitrogenasen wahrscheinlich mikrobielle Gemeinschaften in verschiedenen Umgebungen.
Entscheidend für die Kreislaufwirtschaft
Die Entdeckungen verändern das bisherige Bild von Nitrogenasen als reine N2- umwandelnde Enzyme. Photosynthetische Bakterien wie R. capsulatus, die Lichtenergie nutzen, um Nitrogenasen zur Umwandlung des Treibhausgases CO2 anzuregen, könnten neben ihren Umweltauswirkungen auch für den gesellschaftlichen Wandel hin zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft von entscheidender Bedeutung sein, betont Rebelein. „Die Idee ist, dass wir die Energie des Sonnenlichts, die der Photosyntheseapparat der Mikroorganismen einfängt, in den von der Nitrogenase produzierten Kohlenwasserstoffen zu speichern. In Zukunft wollen wir die Eisen-Nitrogenase weiterentwickeln, um sie für die CO2-Fixierung zu nutzen.“