Interview Dr. Volker Lindenau von ABB Erfolgreiche Digitalisierung: „Ohne Mut geht man unter“

ABB AG

Dr. Volker Lindenau, Geschäftsführer der ABB Automation Products: „Unternehmen und deren Lenker benötigen zwingend Mut, wenn man eingetretene Pfade verlassen will.“

Bild: ABB
01.09.2021

Die Digitalisierung bewegt die Gemüter… Doch wie bewegt sie mein Geschäft? Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, neue Wege zu gehen, die Menschen mitzunehmen, Neugier in der DNA zu verankern und Silodenken aufzubrechen. Dr. Volker Lindenau, Leiter des Geschäftsbereichs Motion bei ABB in Deutschland, erklärt im Gespräch mit A&D, wie Unternehmen hier agieren müssen.

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Es braucht Mut, neue Wege zu gehen, sich auf Risiken einzulassen. Das gelingt aber nur mit einem entsprechenden Management. Muss sich dieses also als erstes hinterfragen, bevor Digitalisierung nach unten „beauftragt“ wird?

Unternehmen und deren Lenker benötigen zwingend Mut, wenn man eingetretene Pfade verlassen will. Noch viel wichtiger ist aber, dass es bei der Digitalisierung eine moderne Fehlerkultur gibt. Das Management muss untereinander und gegenüber den Mitarbeitern vorleben, dass die Digitalisierung eine Reise auf Wegen ist, die auch mal in die falsche Richtung führen können. Der Irrweg muss als Chance gesehen werden, einen Schritt zurückzugehen und eine andere Richtung einzuschlagen. Also Fehler erlauben, aus Fehlern lernen und idealerweise den gleichen Fehler nicht zwei Mal machen.

Das ist ein guter Punkt, aber nicht leicht umzusetzen… Denn gerade Ingenieurs-getriebene Unternehmen sind Misserfolge nicht gewöhnt!

Das ist kulturell in vielen Unternehmen rund um den Maschinenbau durchaus so verankert. Wird Neues ausprobiert, so sollte dies auch zu 100 Prozent funktionieren – es dauert halt dann nur viel länger. Doch gerade bei der Digitalisierung ist Geschwindigkeit wichtig. Deshalb plädieren wir dafür, Dinge zwar gut zu durchdenken, aber einfach mal auszuprobieren. Lieber – wie schon erwähnt – einen Fehler machen, scheitern, an anderer Stelle weitermachen und aus den Fehlern lernen. Denn wenn wie in der Vergangenheit über viele Jahre die perfekte Lösung entwickelt wird, die dann irgendwann auf den Markt kommt, sind viele Wettbewerber längst schon mit ihren Lösungen präsent.

… und was ist, wenn dem Management der Mut fehlt in neue Modelle wie Subscription für Maschinen zu investieren – weil es ja auch so gut läuft?

Es gibt schon Unternehmen im traditionellen Hardware-Geschäft, die mit Skepsis darauf blicken, ein digitales Geschäft aufzubauen. Doch immer mehr erkennen, dass eine Chance in neuen Modellen wie beispielsweise Subscription liegt. Hier empfehlen wir, nicht alles gleich auf den Kopf zu stellen, keine Maschinen mehr zu verkaufen und nur noch Output pro Stunde zu berechnen. Maschinenbauer können derartige Geschäftsmodelle mit einfach umzusetzenden Abstufungen „antesten“, wie beispielsweise Verfügbarkeitsgarantien oder Versicherungsleistungen für kritische Bauteile/Elemente einer Maschine. Die Kernfrage muss dabei jedoch immer sein, was braucht eigentlich mein Kunde – nicht, wie stelle ich mein Geschäftsmodell so schnell wie möglich um. Solange man keinen Mehrwert für den Kunden beziffern kann, für den er auch Geld ausgibt, machen neue Produkte oder Services wenig Sinn.

Muss ich für eine erfolgreiche Digitalisierung mein bisher erfolgreiches Geschäftsmodell auch hinterfragen, wie ich es „zerstören“ kann? Denn mach ich es nicht, macht es künftig jemand anderes…

Ja, absolut! Da komme ich auch auf das Thema Kundennutzen zurück. Ein Kundennutzen kann natürlich sein, dass alles günstiger wird. Doch wenn man ihm dann noch Mehrwert wie Absicherungen gegen Ausfälle bieten kann, so lässt sich darüber zusätzlich Umsatz generieren. Man kannibalisiert sich durch die Digitalisierung also nicht selbst, sondern gewinnt hinzu und stärkt die Kundenbindung – was essenziell wichtig ist. Unternehmen müssen sich immer fragen, investiere ich in die Digitalisierung und neue Geschäftsmodelle oder lasse ich mich von jemanden überholen. Und es darf dabei nie die Kernfrage aus dem Fokus geraten, ob Kunden für den Mehrwert auch bereit sind, Geld zu bezahlen. Das Geschäftsmodell umstellen, nur weil es technologisch möglich ist, halte ich für nicht zielführend.

Sollte das Management die Digitalisierung aber immer sehr mit Bedacht und in kleinen Schritten vorantreiben – um interne Widerstände und Ängste zu nehmen?

Die Vision, wo ich als Unternehmen hinwill, darf gerne groß sein. Nur muss sich das Management bewusst sein, wie viele Schritte dahin benötigt werden und wie groß die Schritte sein dürfen. Beispielsweise sind bei der Einführung einer neuen Software-Plattform oder neuer Prozesse die Schritte automatisch groß, es geht nicht immer in kleinen Etappen. Die Vorbehalte und Ängste der Belegschaft müssen aber berücksichtigt werden, um diese abzubauen und Unterstützung anzubieten – denn der Weg zum Erfolg geht nur gemeinsam.

Brauche ich idealerweise auch „Change Agents“ in jeder Abteilung, die die Digitalisierung verstehen, begeistert sind und den Kolleginnen und Kollegen so die Vorteile nahe bringen können?

Von Change Agents bin ich sehr überzeugt und wir nutzen diese auch selbst bei ABB. Die Frage muss natürlich sein, zu welchem Zweck und in welcher Abteilung. Sollen beispielsweise digitale Produkte in den Markt eingeführt werden und der bisherige Hardware-Vertrieb muss stärker lösungsorientiert und unter Berücksichtigung der Software denken, dann sind Change Agents eine sinnvolle Maßnahme. Das ist zwar nur ein Teilaspekt, trägt aber zu einem schnelleren Verständnis, größerer Akzeptanz und Erfolg einer Veränderung bei.

Für die Digitalisierung muss auch Neugier in der DNA des Unternehmens verankert sein. Ist das auch eine Generationenfrage?

Für mich ist das mehr eine Kulturfrage, wie ich als Unternehmen damit umgehe. Komplett falsch ist der Weg, die Digitalisierung einfach nur zu „verordnen“ – so begeistert man die Belegschaft nicht. Wir haben bei ABB beispielsweise Kollegen, die sind keine Digital Natives, haben nur noch ein paar Jahre bis zur Rente, sind aber mit voller Neugierde dabei, sich auf neue Tools, Produkte und Prozesse einzulassen. Darum ist das für mich keine Generationenfrage, sondern wie ich als Unternehmen und in den Teams mit Veränderungen umgehe. Entscheidend ist, Veränderungen positiv aufzuladen – das Alter spielt meines Erachtens nach eine Nebenrolle.

Neue Wege mit Neugier gehen sagt sich einfach! Doch wie findet man diese… Braucht es hier „Außeneinblicke“ wie beispielsweise durch einen Co-Creation-Prozess?

Die Sicht von außen kann ein Weg sein. Ich würde aber eher sagen, es braucht verschiedene Perspektiven. Wenn ich der Meinung bin, dass Innovationen nur in der R&D-Abteilung entstehen, dann bin ich natürlich in einem gewissen wiederkehrenden Modus gefangen. Hier wäre ein Co-Creation-Prozess, den wir als ABB auch unseren Kunden anbieten, für neue Impulse sehr hilfreich. Als genauso wichtig erachte ich allerdings, Innovationen innerhalb des Unternehmens nicht nur der R&D-Abteilung zu überlassen, sondern auch den Vertrieb, Service oder das Business Development einzubinden. Eine Innovation lebt davon, dass mit unterschiedlichen Denkansätzen, mit unterschiedlichen Erfahrungsschätzen und mit unterschiedlichen Zielsetzungen an einem Thema gearbeitet wird. Dadurch komme ich zu stärkeren und stabileren Ideen, die auch wirklich umgesetzt werden können und auf Anklang beim Kunden stoßen. Wir dürfen nicht einfach nur ein neues, günstigeres Produkt mit weiteren Features entwickeln, sondern etwas, das den Kunden wirklich einen Schritt nach vorne bringt.

Kann ich Innovationen und digitale Lösungen überhaupt noch allein stemmen, oder sollte man besser gleich auf Partner setzen?

Die Frage ist zuallererst, was will ich erreichen und wo liegen meine Kernkompetenzen? Womit kann ich mich bei meinen aktuellen und zukünftigen Kunden differenzieren? Erst dann kann ich bewerten, sind digitalen Fähigkeiten meine Kernkompetenz oder bekomme ich diese besser über Partner oder als Dienste eines größeren IT-Unternehmens abgebildet. Die Zusammenarbeit mit Partnern sehen wir bei ABB als einen wichtigen Weg, denn bei der Komplexität digitaler Lösungen lässt sich nicht mehr alles nur intern machen. Unsere Kernkompetenzen wollen wir jedoch gerne weiterhin allein hegen, pflegen und weiterentwickeln. Jedes Unternehmen sollte herausarbeiten, welche USPs machen mich gegenüber meinen Marktbegleitern erfolgreich und wo benötige ich Unterstützung. Dann kann ich entscheiden, ob ich dafür Partner benötige oder besser in den Personal- und internen Kompetenzaufbau rund um das Thema Digitalisierung investiere.

Ist Antriebstechnik das einfachste und beste Mittel ist, um in die Digitalisierung einzusteigen, egal ob für einen Maschinenbauer oder einen Anlagenbetreiber?

Superlative würde ich hier weglassen, aber die Antriebstechnik ist sicherlich ein effektives Mittel, weil sich damit viele Hebel gleichzeitig bewegen lassen. Durch digitale Antriebstechnik weiß der Maschinenbauer und Anlagenbetreiber nicht nur was gerade passiert, wann zukünftige Probleme oder Ausfälle sich andeuten, sondern er kann auch die Auslegung und damit die Energieeffizienz einer Maschine beziehungsweise Anlage deutlich optimieren. Der Kundennutzen und der ROI sind durch die Digitalisierung der Antriebstechnik daher sehr schnell zu quantifizieren und realisieren.

Warum sollen Industrieunternehmen ABB als Partner für die Digitalisierung wählen?

Bei der Digitalisierung der Antriebstechnik betrachten wir uns als Innovationsführer. Wir haben ein tiefes Verständnis für die Applikationen im Maschinenbau, wie wir mit unserem digitalen, aber auch konventionellem Portfolio einen Mehrwert für den Kunden schaffen können. Aber wir sind nicht nur ein Antriebstechnikhersteller. Mit den Lösungen und Services von ABB können wir Kunden ganzheitlich bei der digitalen Transformation unterstützen. Wir helfen Industrieunternehmen auf ihrem Weg der Digitalisierung von der Ideenfindung bis zur Umsetzung und darüber hinaus mit Services und Support.

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