Schnellere Taktzeiten, bessere Qualität, höhere Genauigkeit in Verbindung mit einem hohen Individualisierungsgrad - das ist es, was Kunden heute wollen. Der Wunsch nach Losgröße 1 ist für die Hersteller aber nicht so leicht zu erfüllen. In der Vergangenheit wurden hochspezialisierte Lösungen jeweils kundenspezifisch entwickelt, gebaut und qualifiziert. Im Vordergrund stand die technische Lösung, Kosten und Entwicklungszeit waren eher sekundär. Heute sind technisch hochwertige, individuelle und kostengünstige Lösungen bei extrem kurzen Entwicklungszeiten gefragt. Dies lässt sich nur mit Hilfe von modularen Produktkonzepten realisieren.
Im Automobilbau hat man schon früh Plattformstrategien eingeführt. Diese Plattformen sind Vorgänger der Baukästen. Basierend auf einer Plattform entstanden nach außen hin viele individuelle Fahrzeuge. Ein Baukastensystem ist die Weiterentwicklung des Plattformgedankens. Viele fein unterteilte Komponenten oder Module ermöglichen mit minimalem Entwicklungsaufwand maximal flexible Lösungen.
Variables System
Ein Baukastensystem ermöglicht es Herstellern, viele unterschiedliche Produktvarianten anzubieten ohne lange Entwicklungszeiten in Kauf nehmen zu müssen. Ein Baukasten besteht aus einer begrenzten Anzahl von Modulen. Diese lassen sich hinsichtlich der Variabilität in drei Klassen einteilen:
Fixe Module: Diese kommen in unveränderter Form in den Produkten zum Einsatz. Meistens handelt es sich dabei um technisch kritische Komponenten mit einer langen Entwicklungszeit. In diese Gruppe fallen auch Kaufkomponenten aus Herstellerkatalogen, zum Beispiel Stecker.
Variable Module: Bei diesen Modulen sind Modifikationen in einem festgelegten Rahmen möglich. Die Variabilität wird im Definitionsprozess des Baukastens festgelegt und für den Konstrukteur (zum Beispiel Lösungs- oder Konstruktionsprinzip) dokumentiert.
Freie Module: Mit den freien Modulen kann man kundenspezifische Anforderungen realisieren. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um einfache Bauteile wie Anschlussflansche oder Gehäuse. Die Schnittstellen sind durch die fixen und variablen Module vorgegeben.
Baukasten für Antriebstechnik
Der Hersteller Harmonic Drive ist ein Anbieter von hochpräzisen mechanischen und mechatronischen Antriebslösungen für viele Branchen. Die kontinuierliche Weiterentwicklung der Standardprodukte in Verbindung mit zahlreichen kundenspezifischen Lösungen brachte eine Vielzahl von Komponenten hervor. Diese Komponenten wurden klassifiziert, mit einer entsprechenden Dokumentation versehen und sind nun die Basis für den Baukasten SolutionKit. Er ist in verschiedene Modulkataloge unterteilt, wobei jeder Modulkatalog für eine andere Technologie steht.
Kerntechnik des SolutionKit ist das Wellgetriebe. Dieses Getriebe ist spielfrei und ermöglicht eine lebenslange Präzision. Das geringe Gewicht, hohe Untersetzungen in einer Stufe und die hohe Drehmomentkapazität ermöglichen kompakte und leichte Lösungen. Der Modulkatalog Getriebe stellt zehn verschiedene Baugrößen mit je fünf Untersetzungen und einer Drehmomentkapazität von 23 bis 3.400 Nm zur Verfügung.
Mit den weiteren Modulkatalogen Abtriebslager, Einbaumotoren, Bremsen, Motorfeedbacksystemen und dem Modulkatalog E-Komponenten lassen sich einfach und schnell individuelle Lösungen erzeugen. Sonderanforderungen, wie sie beispielsweise in der Luft- und Raumfahrt nötig sind, werden mit Technologiemodulen realisiert. Hierbei handelt es sich etwa um Konstruktionsrichtlinien für Dichtungskonzepte oder Konzepte für eine Minimalmengenschmierung. Diese Flexibilität erfordert allerdings ein entsprechendes Know-how in der konstruktiven Umsetzung der Kombination der einzelnen Module. Themen wie Umwelteinflüsse (Korrosionsschutz, Dichtungskonzept) oder auch eine EMV-gerechte Ausführung (zum Beispiel Schirmkonzept) müssen bei jeder neuen Lösung berücksichtigt werden.
Ein Beispiel eines SolutionKit-Produktes zeigt die Abbildung. Aufgrund des geringen Platzes, der in der Länge gegeben war, sowie weiteren Einschränkungen konnte kein verfügbares Standardprodukt verwendet werden. Der Aktuator basiert auf einem vorhandenen Bauteil, Getriebe und Motor bauen extrem kurz. Steckverbinder und Feedbacksystem wurden exakt an die Kundenanforderungen angepasst. Der konstruktive Aufwand beschränkte sich auf die Modifikation des Motorflanschs und die Neukonstruktion von Gehäuse und Deckel.