Die neue europäische Fälschungsschutzrichtlinie (2011/62/EU) schlägt in der Pharmabranche noch immer hohe Wellen. Seit dem 9. Februar 2019 sieht diese Richtlinie verbindlich vor, dass alle verschreibungspflichtigen Medikamente mit einer eindeutigen, über den gesamten Produktions- und Transportprozess hinweg verfolgbaren Kennzeichnung versehen sein müssen. Die entsprechenden Seriennummern werden in eine zentrale europäische Datenbank eingetragen und von den Apotheken vor Abgabe des Medikaments durch Scannen eines Data-Matrix-Codes verifiziert.
Das neue Verfahren soll Verbraucher vor gefälschten Arzneimitteln schützen. Bei Pharmaherstellern hat die Richtlinie jedoch große Umwälzungen in der Produktion zur Folge, da neue Strukturen beziehungsweise Systeme geschaffen werden müssen, um die Kennzeichnung durchzuführen. Besonders gefragt sind dabei sogenannte Track-&-Trace-Systeme.
Obwohl die Einführung und der Startzeitpunkt der neuen Fälschungsschutzrichtlinie bereits seit 2016 bekannt sind, kam erst in den letzten Monaten vor deren Inkrafttreten Schwung in den Markt für solche Track-&-Trace-Systeme. Bei Wipotec-OCS, einem auf Wäge- und Inspektionslösungen spezialisierten Unternehmen, kann man diese Entwicklung nur bestätigen: „Es ist derzeit ein großer Sog im Markt“, erklärt Daniel Anders, Produktmanager für Track-&-Trace-Systeme bei Wipotec.
„Jede Firma, die seit Februar rezeptpflichtige Präparate produzieren und in den Verkehr bringen möchte, muss die Serialisierung der Medikamente gewährleisten können und eine Track-&-Trace-Lösung in ihrer Produktionslinie integriert haben“, so Daniel Anders weiter. Besonders gefragt sind dabei Systeme, die sich schnell und ohne größeren Aufwand in die bestehenden Produktionslinien integrieren lassen und den Produktionsprozess nicht unnötig verlangsamen.
Modulares System für die Pharmabranche
Mit dem Traceable Quality System (TQS) hat Wipotec ein modulares System für den Pharmabereich etabliert, das auf alle länderspezifischen Besonderheiten in der Medikamentenkennzeichnung abgestimmt werden kann. Die TQS-HC-A-Maschine vereint in sich die bei der Serialisierung vorkommenden Prozessschritte des Druckens, des Lesens, des Etikettierens und des Wiegens. Sie ist für Faltschachteln konzipiert, die mindestens 90 Prozent der Medikamentenverpackungen auf dem europäischen Markt ausmachen.
Die Schachteln werden vorne und/oder hinten etikettiert – optional auch auf der Oberseite – und anschließend mit einer Hightech-Wägezelle präzise abgewogen, um sicherzustellen, dass die Schachteln vollständig bestückt sind. Fehlerhafte Produkte werden dabei automatisch aussortiert. Bei Bedarf können zudem Tamper-Evident-Labels aufgebracht werden, um die Verpackungen manipulationssicher zu verschließen.
Angesichts der oft recht langen Produktionslinien legen Pharmakunden großen Wert darauf, dass die Track-and-Trace-Lösung möglichst kompakt ist. „Und nicht nur kompakt, sondern auch insgesamt möglichst unauffällig“, ergänzt Daniel Anders. Tatsächlich führt die neue europäische Richtlinie für Pharmaproduzenten zunächst einmal zu hohen Investitionen und der Bindung von Ressourcen. „Eine komplizierte Anlage, die Abläufe zusätzlich behindert, ist da nicht gefragt“, weiß Daniel Anders. „Die Akzeptanz seitens der Pharmaindustrie ist deutlich größer, wenn sich Track-and-Trace-Maschinen reibungslos ins Gesamtkonzept einfügen – und sich im besten Fall noch ein Zusatznutzen durch die Erweiterung ergibt.“
In der Tat kann eine Track-&-Trace-Maschine Prozesse auch vereinfachen. Beispielsweise lässt sich durch die erhobenen Daten das Warenmanagement wesentlich komfortabler gestalten. „Diese Vorteile werden den Pharmazeuten sicher erst so richtig bewusst, wenn die Umstellung aufgrund der neuen Richtlinie komplett vollzogen ist und sich alles eingespielt hat“, gibt Daniel Anders zu bedenken. „Dann ist es nicht mehr nur eine verordnete Maßnahme, sondern die Hersteller sehen auch den Nutzen für die eigene Produktion.“
Positionsanzeigen für den Formatwechsel
Für einen weiteren, gewichtigen Vorteil von Track-&-Trace-Systemen in der Gesamtlinie sorgt eine kleine, aber überaus bedeutsame Komponente an der TQS-Maschine: die AP05-Positionsanzeigen von Siko, einem auf industrielle Mess- und Antriebstechnik spezialisierten Unternehmen. Mit dieser optional einsetzbaren Anzeige lassen sich zum Beispiel Formatwechsel überwachen.
Ein optimierter Formatwechsel hilft, den Chargenwechsel zwischen verschiedenen Packungsgrößen zu erleichtern. Da der Trend zu kleineren Chargen – und damit auch zu häufigeren Wechseln – geht, müssen alle Aggregate meist mit zwei Achsen verstellbar sein. In einer TQS-Maschine können zum Beispiel insgesamt bis zu 13 AP05-Anzeigen verbaut sein, die dafür sorgen, dass Umstellungen schnell, kontrolliert und prozesssicher ablaufen.
Die elektronischen AP05-Anzeigen sind busfähig und lassen sich in die Maschinensteuerung integrieren. Von dort werden die neuen Soll-Werte für die nächste Faltschachtelgröße (die in einer Rezeptliste für jedes Produkt hinterlegt sind) an die Positionsanzeige übertragen, in deren Display sie als aktueller Ist-Wert erscheinen. Stimmen Ist- und Soll-Wert überein, so springen die integrierten LED-Leuchten der Positionsanzeige auf Grün. Andernfalls sendet die LED rotes Licht aus, um zu signalisieren, dass die Position noch nicht erreicht ist.
Erst wenn alle LED-Anzeigen grün aufleuchten, ist die Maschine wieder betriebsbereit – und nur dann lässt sich der Produktionsbetrieb wieder prozesssicher aufnehmen. Auf diese Weise lassen sich falsche Einstellungen vermeiden und der Bediener erkennt anhand der LED-Leuchten, welche Verstellpunkte noch angepasst werden müssen. Darüber hinaus wird Ausschuss so auf ein Minimum reduziert.
Bezüglich der erhöhten Prozesssicherheit erklärt Produktmanager Daniel Anders: „Die sichere Reproduzierbarkeit der Einstellungen ist uns wichtig, damit jede Charge die gleiche präzise Codierung und gegebenenfalls Versiegelung erhält wie die vorherige. Dies ist durch die AP05-Anzeigen gewährleistet.“
Ein weiterer Vorteil: Die Umrüstzeiten bei einem überwachten Formatwechsel sind dank der AP05-Positionsanzeigen wesentlich kürzer. So kann der Arzneimittelhersteller bei diesem sekundären Prozess wertvolle Zeit einsparen und sich stattdessen vermehrt der aufwendigen Line-Clearance und Dokumentation widmen, die im Pharmabereich aus Qualitäts- und Sicherheitsgründen vonnöten sind.
Anzeigervariante ist stets nachrüstbar
Bisher waren die TQS-Maschinen standardmäßig mit mechanischen Siko-Positionsanzeigern ausgestattet, um die Ist-Position der Achsen anzugeben. Die überwachte elektronische Anzeigervariante AP05 ist anbaukompatibel und kann daher jederzeit nachgerüstet werden. Der allererste Einbau elektronischer Siko-Anzeigen bei der TQS-HC-A-Maschine kam durch einen Kundenwunsch ins Rollen. Und da Wipotec seine Ursprünge im Sondermaschinenbau hat, sind spezifische Kundenwünsche der Normalfall: „Wenn ein Unternehmen beispielsweise herzförmige Beutel produzieren möchte, dann bauen wir ihm eine Maschine dafür“, sagt Produktmanager Daniel Anders. „Und ab dem Moment ist es dann auch ein Standardprodukt bei uns.“
Die neu mit AP05-Anzeigen bestückten TQS-Maschinen überzeugten schnell auch weitere Wipotec-Kunden von den Vorzügen der elektronischen Positionsanzeigen. Die Reproduzierbarkeit der Einstellungen, eine erhöhte Prozesssicherheit und eine Reduktion der Rüstzeiten rechtfertigen die zunächst höhere Investition gegenüber der mechanischen Standardvariante. Doch Moritz Müller, Produktmanager bei Siko, ist überzeugt: „Wenn die größten Umwälzungen bezüglich der Fälschungsschutzrichtlinie erst einmal vollzogen sind, werden noch mehr Pharmahersteller auf die Vorzüge eines geführten und prozesssicheren Formatwechsels zurückkommen.“