Feldgeräte-Integration wird in der Prozessindustrie heiß diskutiert. Mir scheint, um einiges intensiver als in der diskreten Fertigungsindustrie. Warum ist das so, Herr Schneider?
In den Anlagen der Chemie sind oft tausende Messgeräte verbaut, und die werden immer intelligenter und komplexer. Man muss sie also konfigurieren – und dafür stehen verschiedenste Verfahren zur Verfügung. Damit müssen die Anwender bis heute klar kommen. Und genau da setzt FDI an. Es soll die Integration einfacher und übersichtlicher machen.
Mit FDT/DTM und EDDL hatten bereits zwei Ansätze dieses Ziel. FDI soll sie sozusagen unter einen Hut bringen. Noch ist es in der Entwicklungsphase. Was haben Sie von Anwenderseite wahrgenommen? Wird FDI sehnsüchtig erwartet?
Ich denke schon. Die Endanwender wollen nicht länger mit unterschiedlichen Systemen arbeiten. Jeder Host-Hersteller hatte seinen Favoriten für sein Leitsystem oder sein Asset-Management- oder Parametrier-Tool. Der Anwender ist damit bislang auf die Geräte festgelegt, die das jeweilige System unterstützen. Das wiederum belastet die Gerätehersteller: Wenn sie wollen, dass sich ihre Geräte für alle Systeme eignen, müssen sie hohen Entwicklungsaufwand treiben. Leidensdruck besteht also auf allen Seiten. Das ist wohl der Grund, warum sich alle intensiv darum bemühen, eine Lösung zu finden.
Der Erfolg steht und fällt mit der Unterstützung der Anwenderverbände. Wie steht die Namur dazu?
Mit der Namur haben wir von Anfang intensiv zusammen gearbeitet und unsere Vorstellungen in verschiedenen Sitzungen gespiegelt. Auch von deren Seite ist viel Zeit in die Sache gesteckt worden. Die Zustimmung bekamen wir sehr früh. Viele Forderungen der Namur sind in die Entwicklung eingeflossen, etwa dass die FDI-Packages und die Hosts zertifiziert werden sollen.
Bei der Wireless-Technik würde sich so mancher wünschen, dass die Namur eindeutig für eine bestimmte Technologie plädiert. Wieso funktioniert das bei FDI?
Die Ausgangssituation bei der Feldintegration ist für die Anwender schwieriger. Es existieren eben unterschiedliche Systeme nebeneinander. Und jeder Host-Hersteller hat darüber hinaus EDDL etwas anders interpretiert. Letztlich waren die Systeme herstellerabhängig. Daher ziehen nun alle am selben Strang. Das ist ein Zukunftsmodell: Künftig werden die Feldbus-Nutzerorganisationen und die Hersteller immer wieder Themen finden, die wir gemeinsam voranbringen.
Ein Zukunftsmodell? Da lohnt es sich zu fragen: Was war die größte Hürde – und wie wurde sie überwunden?
Das Schwierigste war der Start. Zwar hatten alle erkannt, dass man etwas tun muss. Aber wie das Projekt angehen, und wer nimmt es in die Hand? Im Falle FDI haben wir fünf Partner, die alle gleichberechtigt sein sollten. Unser Modell der Zusammenarbeit hatte alle Interessen zu berücksichtigen. Da musste jeder ein wenig über seinen Schatten springen. Es war ein schwieriger Prozess, bis das konkrete Ziel feststand: FDI soll auf EDD basieren und zugleich die FDT-Ideen mittragen: mit Hilfe von User-Interface-Plug-Ins. Sobald diese Rahmenbedingungen gesetzt waren, starteten die technischen Teams – das lief ganz gut.
Welchen Stellenwert hat die Feldgeräteintegration für Industrie 4.0?
Sie ist notwendig, ein Building Block sozusagen. Denn Industrie 4.0 und integriertes Engineering funktionieren nur, wenn der Datenaustausch definiert ist. Es ist essentiell, die Daten über den ganzen Lebenszyklus zur Verfügung zu stellen – im Engineering, im Betrieb und in der Wartung. FDI harmonisiert und vereinfacht das.
Welche Rolle spielt FDI für die Profibus-Nutzer? Und welche Rolle spielt Ihre Organisation für die FDI Cooperation?
Die PNO als einer der fünf Eigentümer der FDI Cooperation gestaltet die Technologie mit. Wir kümmern uns darum, dass die Interessen unserer Mitglieder und Anwender berücksichtigt werden. Unser Anliegen war etwa, dass Profinet in FDI spezifiziert wird. Das ist es heute – als einziges Ethernet. Es war uns zudem wichtig, dass unsere Mitglieder leicht Zugang zur FDI-Welt haben. Die EDDL eines Profibus-Geräts sollte relativ leicht in ein FDI Device Package umgewandelt werden können. Und mit dem zurzeit laufenden Beta-Test wollten wir unseren Mitgliedern frühzeitig die Möglichkeit geben, sich auf die Technik vorzubereiten. Darüber hinaus werden wir die Zertifizierung der FDI Packages in den Profibus-Zertifizierungsprozess einbauen, sodass unsere Mitglieder keinen Mehraufwand haben werden.
Wann können wir mit einem Realeinsatz von zertifizierten FDI-Geräten in entsprechenden Leitsystemen rechnen?
Das hängt stark von den Host-Herstellern ab. Wir haben die FDI-Spezifikation in der Version 0.9 Ende vergangenen Jahres veröffentlicht und sind momentan in Reviews in den einzelnen Foundations, um dem Ganzen den letzten Feinschliff zu geben. Ziel ist es, Ende 2014 den IEC-Standard freizugeben. Auch die Erfahrungen aus dem Beta-Test sollen mit in die Spezifikation einfließen. Version 1 der Toolkits für die FDI-Device-Package-Erzeugung soll noch in diesem Sommer freigegeben werden. Ich rechne damit, dass dann die entsprechenden Voraussetzungen in den Engineering-Systemen geschaffen werden und wir zeitnah FDI-Lösungen im Markt sehen. Doch auf die Release-Roadmaps der Hosthersteller hat die FDI-Cooperation keinen Einfluss.
Stehen Siemens und ABB nicht schon in den Startlöchern?
Beide haben schon Prototypen gezeigt. Deswegen gehe ich davon aus, dass das relativ zügig geht.
FDI wurde von vornherein als lebendiger Standard aufgesetzt – das heißt, die Entwicklung wird weitergehen?
Ja, wir sind gespannt auf das Feedback der Anwender. Neue Anforderungen müssen in zukünftigen Versionen der Spezifikation, Tools und Komponenten umgesetzt werden. Das werden wir, die Profibus Nutzerorganisation, gemeinsam mit der Hart Communication Foundation und der Fieldbus Foundation übernehmen. Der Standard wird also leben und gepflegt werden.