Nina Defounga ist mit diesem Beitrag im A&D-Kompendium 2020 als einer von 100 Machern der Automation vertreten. Alle Beiträge des A&D-Kompendiums finden Sie in unserer Rubrik Menschen .
Differenzierung ist heute Kernfokus erfolgreicher Unternehmen. „Früher waren wir allein am Markt. Heute ist unser Produkt Commodity: Preiskampf. Wir wollen da raus!“, so der Geschäftsführer eines Textilmaschinenherstellers. Obwohl die Motivation groß ist, fehlt oft wahres Commitment für Innovation. Aus Visionen werden inkrementelle Optimierungen oder Projekte versanden ganz. Grund sind die typischen Widersprüche beim Thema Innovation.
Die meisten kennen das Innovators Dilemma nach Clayton Christensen: Tagesgeschäft vs. Zukunft. Mitarbeiter werden an Ergebnissen im Tagesgeschäft gemessen. Auch die Mitarbeiter, die Innovationen schaffen sollen. Oft fehlen einfach gute Kennzahlen für Innovation. Linie und Projekt stehen immer im Konflikt. Der Fokus fehlt. Man versucht beides zu schaffen. „Wir müssen das eine tun ohne das andere zu lassen.“ Insbesondere, wenn die Innovation noch kein Geld bringt. Der „Game-Changer“ soll am besten nach Feierabend entstehen.
Die Verbreitung agiler Methoden erzeugt ein zweites Dilemma. Das Führungsdilemma: Top-Down vs. Bottom-Up. Hierarchie wird als Hemmnis für Innovation gesehen: Bloß keine Vorgaben machen. Deshalb setzen viele Unternehmen auf Graswurzelbewegungen: „Die Mitarbeiter sollen Innovation selbständig vorantreiben. Wir wollen da nichts erzwingen.“ Doch die Ergebnisse sind ernüchternd. Fehlende Erfahrung und begrenzte Eigenmotivation führen zu mittelmäßigen Ideen: Wieder keine Innovation.
Expertise und Wissen erzeugen Scheuklappen
Die Tastenabteilung bei Nokia ist Inbegriff des Erfahrungsdilemmas. Wo gezielt an der Perfektion der Taste gearbeitet wird, denkt niemand an den Touchscreen. Expertise und Wissen erzeugen Scheuklappen. „Das haben wir nie so gemacht! Das haben wir immer so gemacht!“ Gerade erfahrenen Mitarbeitern fehlt oft das Vertrauen in neue Ansätze. Doch ein Haufen unerfahrener Neulinge schafft auch keine Weltneuheit. Besonders nicht in komplexen Systemen der B2B-Industriewelt.
Naheliegend scheinen oft kursierende Ansätze wie Digitalisierung, Industrie 4.0, IIoT und Additive Fertigung. Doch der gewünschten Differenzierung kommen Unternehmen damit selten näher. Vielmehr muss der Fokus sein, Kundenprobleme zu erkennen und auf neuartige Weise zu lösen: Innovation! Natürlich kann Digitalisierung hier ein Weg sein. Muss aber nicht.
Innovation bleibt Führungsaufgabe
Für Innovation muss die Geschäftsführung voranschreiten und das Risiko übernehmen: Dem Kunden verletzlich gegenübertreten, lösungsoffen über die Zukunft sprechen und Dinge tun, die heute noch bedrohlich erscheinen. Viele Geschäftsführer scheuen diese Verantwortung. Die Mitarbeiter können diese Bürde erst recht nicht tragen. Innovation bleibt Führungsaufgabe! Mit entsprechender Beteiligung der Mitarbeiter. Eine gemeinsame Sprache für Innovation kann der erste Schritt sein. „Endlich hat keiner mehr ein schlechtes Gewissen beim Begriff Innovation. Weil alle wissen, was von Ihnen erwartet wird. Und was nicht“, bestätigt der Innovationsleiter eines globalen Industriedienstleisters.
Konkret helfen ambitionierte Innovationsziele: 30 Prozent des Umsatzes aus neuen Geschäftsfeldern – dreifacher Marktanteil – das innovativste Image der gesamten Branche. Ein Produktmanager bringt es auf den Punkt: „Uns ist klar geworden, dass Innovation kein leeres Buzzword mehr ist. Das Unternehmen will hier wirklich vorankommen.“ Doch am Ende zählt nur der Erfolg. Oder wie ein Entwicklungsleiter sagt: „Unser Leuchtturmprojekt hat ein brennendes Kundenproblem gelöst. Damit haben wir Glaubwürdigkeit für Innovation: Im Unternehmen – und in der Branche.“