Immer dann, wenn Textilien besondere Eigenschaften aufweisen, ist mit großer Wahrscheinlichkeit das Unternehmen CHT Germany involviert. So liefert der Spezialchemikalien-Hersteller zum Beispiel Verdickungsmittel für Textilfarben, damit diese beim Bedrucken der Stoffe nicht davonfließen. Einige Textilien bekommen ein flammenhemmendes Additiv, andere sind dank eines CHT-Produkts wasserdicht oder besitzen temperierende Eigenschaften. Das Unternehmen ist mit seinen Produkten auch in der Teppichproduktion vertreten und entwickelt besondere Klebstoffe für Gummidichtungen in der Automobilindustrie. Mit anderen Worten: Die Produktvielfalt bei dem Hersteller ist umfangreich.
Am Dusslinger Standort von CHT Germany werden jährlich 50.000 Tonnen Spezialchemikalien für den B2B-Markt produziert. In einem Teilbereich der Produktion werden hochviskose Produkte auf mehreren Mischeranlagen – gewaltigen Behältern aus Edelstahl mit speziell designten Rührwerken – hergestellt. Drei Motoren mit bis zu 160 kW und 1.000 Umdrehungen pro Minute in jedem dieser Behälter sorgen dafür, dass der Kesselinhalt effektiv durchmischt wird. „Wir haben ein besonderes Know-how bei der Verarbeitung extremer Viskosität aufgebaut. Üblicherweise erreichen Maschinen dieser Bauart lediglich 70.000 mPas. Durch ein spezielles Anlagendesign können wir bis zu viermal zähere Produkte darauf herstellen. Gleichzeitig – und das ist einmalig – eignet sich das Anlagendesign auch für niedrigviskose Produkte“, erklärt Günther Schätzle, Leiter Technik am Standort Dusslingen, die Besonderheit seiner Produktion. Die mehrstufigen Rührorgane müssen sich während der Verarbeitung immer unterhalb der Flüssigkeit befinden. Angesichts der kraftvollen Motoren könnte es sonst zu Vibrationen und Resonanzschwingungen kommen, die letztendlich die Welle oder das gesamte Aggregat schädigen. Wie kann man jedoch bei den bis zu acht Meter hohen und zwei Meter breiten Behältern immer sicher sein, dass die Rühror-
gane auch mit Flüssigkeit bedeckt sind? Schließlich wechseln nicht nur die Prozessbedingungen täglich, sondern auch die Produkteigenschaften, beispielsweise schwanken Dichte oder Viskosität erheblich. Häufig gleicht der Behälterinhalt mit seinem Schaum und den starken Turbulenzen einem brodelnden Hexenkessel.
Um zu verhindern, dass die Rührwerke im Durchgangsbetrieb liefen oder es zu Resonanzschwingungen kam, fuhr man früher extrem vorsichtig und kontrollierte den Füllstand immer wieder manuell. „Die Behälter waren auf diese Weise jedoch nicht optimal ausgelastet. Zudem haben wir inzwischen stärkere Motoren im Einsatz, so dass die Situation noch einmal brisanter ist“, beschreibt Schätzle die Ausgangssituation. „Unsere erste Lösung bestand darin, Wägezellen unter den Mischbehältern zu installieren. Aber dies ist nicht ideal, denn die Produkte haben unterschiedliche Dichten und der Behälter besitzt einen Kühl-/Heizmantel. Manchmal ist dieser nur mit Dampf gefüllt, wiegt also kaum etwas. Wenn wir Kühlwasser verwenden, kommen ganz schnell +/- 400 kg auf die Waage“, berichtet Pietro Madeo, Automatisierungsingenieur bei CHT.
Eine weitere Problematik: Früher befanden sich die Behälter auf einer Ebene und um sie herum wurde eine Ex-Zone gelegt. Mittlerweile sind die Behälter jedoch in einem anderen Gebäude untergebracht und reichen über mehrere Stockwerke. Beim Einsatz von Wägezellen muss der Behälter aber von den Wänden mechanisch entkoppelt sein. In diesem Fall würde sich die Ex-Zone also über mehrere Stockwerke erstrecken. Das heißt, dass das gesamte Gebäude gemäß ATEX ausgelegt sein müsste – verbunden mit enormen Kosten.
Auf der Suche nach der passenden Lösung
Für Günther Schätzle, der stets darauf bedacht ist, die Produktion noch effizienter zu gestalten, war diese Situation nicht zufriedenstellend. Immerhin wurde sein Unternehmen im vergangenen Jahr als Industrie-4.0-Leuchtturmprojekt ausgezeichnet. „Wir haben etwa 6.000 Produkte, die wir aus 3.000 bis 4.000 Rohstoffen für unsere 9.000 Kunden zusammenstellen. Fast jedes Produkt ist maßgeschneidert. Um unsere Kunden pünktlich und vor allem mit einer durchgängig hohen Qualität zu beliefern, müssen wir unsere Produktion sehr effizient betreiben und jeden Schritt nachvollziehbar gestalten. Deshalb haben wir eine Prozesssteuerungslösung aus der Fertigungs- in die Chemieindustrie transformiert und dabei die besonderen Anforderungen der Chemie berücksichtigt.“ Mithilfe des Prozessleitsystems Aprol von B&R wissen Schätzle und seine Kollegen immer genau, welcher Prozessschritt gerade getätigt wird und ob er problemfrei läuft.
Nicht verwunderlich also, dass Schätzle zum Schutz der Rührwerke eine effektive Lösung suchte und dabei einen etwas anderen Weg einschlug. Eine Füllstandmessung sollte integriert werden, deren Messergebnisse sich direkt auf die Antriebsleistungen der Rührwerksmotoren auswirkte. „Wir brauchen die Füllstandmessung also nicht im Sinne einer Bestandsmessung oder zum Dosieren, denn das geschieht bei uns über eine Negativverwiegung der Rohstoffe. Wir brauchen sie, um unsere Anlagentechnik zu sichern“, erklärt er.
Schwierige Ausgangsbedingungen fürs Messen
So weit, so gut! Die Umsetzung in die Praxis war jedoch nicht ganz so einfach, was in erster Linie an der besonderen Einbausituation im Behälter lag. Darin befinden sich nicht nur drei unterschiedliche Rührwerke und ein umlaufendes Schaberelement, die alle als Störgeometrien die Messung behindern, sondern auch turbulente Oberflächen, wechselnde Temperaturen, schnell wechselnde Dichten und Viskosität, Dampf, Staub, Anhaftungen, etc. – Bedingungen also, die zuverlässige Messungen des Füllstandes deutlich erschweren.
Beim Umzug der Rührwerksbehälter in ein neues Produktionsgebäude, wollte man in diesem Zuge gleich eine elektronische Differenzdruckmessung installieren. Kurz nach dem Umzug stellte sich jedoch heraus, dass dies aufgrund der starken Dichte- und Temperaturunterschiede der Produkte nicht funktionierte. „Damals kam der Vegapuls 64 auf den Markt, genau zur richtigen Zeit“, erinnert sich Madeo. Das berührungslos messende Radarfüllstandmessgerät zeichnet sich durch eine extrem hohe Fokussierung und große Dynamik aus. Dadurch misst es sehr zuverlässig, trotz Ablagerungen, Schaum, Einbauten und unabhängig von Dichteschwankungen.
Insgesamt verlief die Zusammenarbeit mit Vega zur Zufriedenheit aller, wie Günther Schätzle betont, obwohl er nicht verhehlt, dass der Vega-Service am Anfang einiges optimieren musste, bis eine stabile Messung vorlag. „Wir füllen zum Beispiel Rohstoffe ein, die stark schäumen. Es kommt zu Ablagerungen, die Rührwerke und die Mischer sorgen für gewaltige Turbulenzen – das allein ist schon schwierig für eine präzise Füllstandmessung. Und bei uns wechseln ja auch noch die Prozessbedingungen ständig“, ergänzt Schätzle. Aber: Es vergingen keine zwei Wochen, bis der Vegapuls 64 installiert war, saubere Messergebnisse vorlagen und die Daten ins System Aprol integriert wurden.
Bewertung der Messsicherheit
Mittlerweile misst das Gerät stets sicher den Füllstand. Selbst bei zugeschalteten Rührwerken wird immer noch ein sehr gutes Signal mit hoher Messsicherheit erzeugt. Werden beispielsweise schäumende Stoffe eingefüllt, wird das Nutzsignal des Füllguts auf die gleiche Größe wie das Störsignal des Rührflügels gedämpft. Dadurch wird sporadisch die Höhe des Rührflügels als Füllstand ausgeben. In der Regel wird jedoch gleich ein Entschäumer hinzugegeben, so dass kurz darauf wieder ein sehr gutes Füllstandsignal vorhanden ist. Wird der Behälter bei der Reinigung überfüllt und alle Rührwerke sind eingeschaltet, kommt auch der beste Sensor an seine Grenzen. Dann gibt das Gerät das letzte Messsignal als Füllstand aus, bis die Behälterentleerung gestartet oder die Rührwerke gestoppt werden. Danach folgt der Sensor dem Füllstand wieder. Da die Füllstandmessung für die Sicherheit der Anlagenkomponenten so wichtig ist, wünschte sich Schätzle zudem eine Beurteilung der Qualität des Messsignals, also eine Angabe der Messsicherheit in Prozent. Diese Werte stehen bei den Radarsensoren als HART-Variable zur Verfügung. Daher erfolgt nun die Auswertung der Messsignale mit einem zweikanaligen Vegamet 625.
Das Team im Betrieb erhält auf den Monitoren zwei Angaben: Zum einen wird der Füllstand des Behälters angezeigt. Dieser Wert dient dann für die Steuerung der Drehzahl der Rührwerke. Außerdem erhalten die Mitarbeiter eine Prozentangabe, mit der sie die Messsicherheit beurteilen können. Bei übermäßiger Schaum- und Staubbildung oder ungewöhnlichen Ablagerungen sinkt die Prozentangabe, und das Team kann Gegenmaßnahmen einleiten, etwa eine Reinigung oder die Zugabe eines Entschäumers. Alle Messwerte werden im Leitsystem Aprol zur Prozessteuerung eingelesen. Niedrige Messsicherheiten führen auch zu automatischer Abschaltung oder zu Anpassungen der Maschinenbetriebsparameter, begleitet von Alarmen für das Personal. So ist es nicht mehr zwingend nötig, die Anlagen ständig im Auge zu behalten. Sie melden sich von alleine bei Problemen mit dem Füllstand.
Fazit: Seit Sommer 2017 liefert der Vegapuls 64 zuverlässig sowohl den Füllstand in den Produktionsanlagen als auch eine Prozentangabe über die Messsicherheit dieser Messung. Beide Messwerte fließen direkt in das Prozessleitsystem ein, das die Geschwindigkeit der Rührwerke individuell steuert. „Mit den Sensoren von Vega ist es uns erstmals gelungen, den Füllstand bei allen Betriebszuständen zu ermitteln, wir können im Prozess viel dichter an die Prozessgrenzen fahren und am Ende den Füllgrad in den Apparaten erhöhen, was zum wirtschaftlicheren Betrieb der Produktion führt“, fasst Schätzle den Einsatz der Sensoren zusammen.