Wenn ein Gecko die Wände hochklettert, gelingt das durch die große Kontaktfläche der hierarchischen und fibrillären Strukturen seiner Füße mit dem Untergrund. Einen ähnlichen Ansatz hat das Fraunhofer IMWS für die Oberflächen von Polymeren umgesetzt. Diese werden durch Heißprägen in eine hierarchische Struktur gebracht, wobei Prägewerkzeuge aus Aluminiumoxid eingesetzt werden, die zuvor mit einem Laser und durch ein selbstorganisierendes elektrochemisches Verfahren mikro- und nanostrukturiert wurden.
Das Verfahren eignet sich für die Strukturierung unterschiedlicher Kunststoffe wie thermoplastische Elastomere (TPE), thermoplastische Polyurethane (TPU), Polycarbonat (PC), Polymethylmethacrylat (PMMA), Polypropylen (PP) oder Polyethylen (PE). Die Prägewerkzeuge aus Aluminiumoxid lassen sich einfach in bestehende Produktionsverfahren der Kunststoffverarbeitung integrieren. Das Abformen erfolgt bei hohen Temperaturen und niedrigem Druck. Nach dem Auskühlen unter Belastung erfolgt die Entformung durch Abziehen des Polymermaterials vom Prägewerkzeug.
Um den Prozess zu verbessern, wurden vom Fraunhofer-Team die passenden Verarbeitungstemperaturen auf Basis der durch Differenzialkalorimetrie (DSC) erhaltenen Glas-übergangs- und Schmelztemperaturen ermittelt. Die Mikro-/Nanostruktur der Prägewerkzeuge und die damit erzeugte Invers-Struktur der Polymeroberfläche mit feinsten Nanofilamenten wurde mit Rasterelektronenmikroskopie (SEM) untersucht. Auf nassen Oberflächen (Keramik, Glas, Metall) konnte mit der Gecko-Methode eine Erhöhung der Haftkraft um bis zu 85,4 Prozent erreicht werden.
Anwendungsmöglichkeiten vielfältig
Die Oberflächenstrukturen lassen sich durch entsprechend gefertigte Werkzeuge individuell und zielgerichtet anpassen, was eine große Bandbreite an Anwendungsmöglichkeiten eröffnet. Naheliegend sind neue Lösungen für die Verpackungsindustrie zur Verbesserung der Haftung von Klebern und Druckfarben auf Folien, ebenso wie neue Ansätze, mit denen sich das Beschlagen von Kunststoffoberflächen verhindern lässt, etwa in der optischen Industrie.
„Ein großer Vorteil ist auch, dass wir unterschiedliche Oberflächenstrukturen und damit neue Materialeigenschaften erzielen können, ohne zusätzliche Elemente wie Additive oder Beschichtungen einzubringen. So können die Werkstoffe sortenrein bleiben, was das spätere Recycling erheblich vereinfacht“, sagt Dr.-Ing. Andrea Friedmann, Gruppenleiterin „Biofunktionale Materialien für Medizin und Umwelt“ am Fraunhofer IMWS. „Auch langwierige und kostspielige Zulassungsverfahren werden vermieden, weil die Mikro-Nano-Strukturierung auf bereits zugelassenen und chemisch nicht veränderten Materialien erfolgt. So können Unternehmen viel Zeit und hohe Kosten bei der Einführung verbesserter Produkte sparen.“