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Leitsystem für Beschichtungsanlage Glänzende Aussichten

Bild: Thyssen Krupp Steel Europe
22.05.2016

Verzinkte Stahlbleche spielen eine große Rolle in der industriellen Fertigung, beispielsweise beim Automobilbau. Eine bewährte Methode, die Bleche vor Rost zu schützen, ist der Auftrag einer Zinkschicht im Feuerverzinkungsverfahren. Die Anlagen dazu sind komplex und stellen hohe Anforderungen an ein modernes Leitsystem.

Die Feuerbeschichtungsanlage 2 ist eines von zurzeit acht Aggregaten dieses Typs bei der Thyssen Krupp Steel Europe. Sie ist rund 300 Meter lang und weist eine Jahreskapazität von etwa 440.000 Tonnen verzinktem Stahlblech aus. Die Produkte gehen hauptsächlich in die Automobilindustrie. Seit 1964 ist die Anlage in Betrieb – hat jedoch über die Jahre zahlreiche Modernisierungen und Verbesserungen erfahren.

Bis zu drei Kilometer lange Stahlbänder, aufgewickelt auf Coils, werden am Einlauf zu einem Endlosband verschweißt. Dieses bewegt sich dann mit bis zu 120 Metern pro Minute durch die Anlage. Direkt nach dem Einfädeln passiert es zuerst einen Ofen, in dem Verunreinigungen verbrannt und das Band rekristallisiert wird. Danach wird es der Temperatur des Zinkbades angeglichen. Dies ist für eine optimale Verbindung des Zinküberzugs mit dem Blech notwendig. Das Blech muss ohne Luftkontakt direkt in das Zinkbad eintauchen, andernfalls würden sich Oxidierungen auf der Bandoberfläche bilden, auf denen das Zink nicht haftet. Nach dem Verzinken prüfen Mitarbeiter optisch die Qualität des Überzugs, bevor das Band getrocknet, geglättet und auf Kundenwunsch an den Rändern beschnitten und/oder beschichtet wird. Die fertigen Bänder werden wieder als Coils aufgerollt und für den Versand vorbereitet. Um die starke Nachfrage der Kunden zu bedienen, läuft die Anlage im Dauerbetrieb 24 Stunden an sieben Tage in der Woche. Die einzigen Unterbrechungen sind turnusmäßige Wartungsschichten alle zwei bis drei Wochen. Da die Feuerbeschichtungsanlage ein Engpassaggregat ist, werfen ungeplante Stillstandzeiten den Produktionsplan empfindlich durcheinander. Das Vorlager würde sich in kürzester Zeit füllen und die Produktion weiterer Coils in den Walzwerken müsste gestoppt oder ausgelagert werden. Noch gravierender wären die Auswirkungen jedoch am anderen Ende der Prozesskette: Die verarbeitenden Firmen halten selbst kaum noch Pufferlager vor, weil sie die benötigten Materialien Just in Time bestellen. Diese Lieferungen an die Automobilhersteller könnten nicht mehr rechtzeitig bedient werden, was dort wiederum zu Engpässen führen würde.

Ein Leitsystem im Wandel

Für die Anlagenverfügbarkeit ist das Leitsystem von entscheidender Bedeutung. Ohne den Überblick aus der Leitwarte kann eine derart hochtechnisierte Anlage nicht betrieben werden.
Die vorhandene Visualisierungslösung konnte technisch nicht erweitert werden, es kam teilweise zu Störungen. Thyssen Krupp entschied sich daher zu einer grundlegenden Modernisierung und teilweisen Neulösung mit der Möglichkeit, das System zukünftig zu erweitern. Folgendes Umsetzungskonzept lag dem Projekt zugrunde:

  • Um den Dauerbetrieb sicherzustellen, bleiben die Automatisierungskomponenten an der Anlage zunächst bestehen.

  • Nutzen von Virtualisierung, um von Betriebssystemzyklen weniger abhängig zu sein.

  • Redundanter Aufbau des Leitsystems und Zugriff von über 27 Bedienstationen und über das Intranet.

  • Offenheit für zukünftige Modernisierungen.

  • Zeitgemäße Analysen für Anlagenverfügbarkeit, Produktivität, Energieverbrauch und Qualität.

  • Bereitstellung der Produktionsdaten aus Gründen der Rückverfolgbarkeit über einen langen Zeitraum.

  • Geringer Schulungsaufwand für das Bedienpersonal durch Anlehnung an das gewohnte Erscheinungsbild.

Voraussetzung für die Realisierung einer solch komplexen Aufgabenstellung war die Auswahl eines Systemintegrators mit entsprechendem Automatisierungs-Know-how.

Komplexe Strukturen sicher handhaben

Den Zuschlag für die Durchführung des Projekts bekam die Firma Focus Industrieautomation. Das Konzept wurde folgendermaßen festgelegt: Als Leitsystem setzt focus auf das Scada-System Simatic WinCC V7, dessen Skalierbarkeit auch die Implementierung zukünftiger Funktionserweiterungen der Feuerbeschichtungsanlage erlaubt. Die Nutzung der Software und der benötigten Optionen in einer virtuellen Umgebung wird von Siemens bereits während des Systemtests geprüft und bestätigt, somit war der Systemintegrator hier auf der sicheren Seite. Das Leitsystem soll so ausfallsicher wie möglich sein: aus diesem Grund wird es auf einem redundanten Server laufen. Als zentrales Langzeit-Datenarchiv entschied man sich für den Simatic Process Historian – ebenfalls wieder in einer virtuellen Umgebung. Als Engineering-Station für das Leitsystem kommt ein Industrie-PC Simatic IPC547E zum Einsatz, damit unabhängig vom Produktivbetrieb Anpassungen am WinCC-Projekt vorgenommen und getestet werden können. Focus hatte auch die Frage zu klären, wie die bestehenden Automatisierungskomponenten mit dem Kommunikationsprotokoll Modbus Plus an das neue Leitsystem mit Profinet angebunden werden. Dafür werden in zwei weiteren Rack-PC Simatic
IPC547E jeweils eine Modbus-Plus-Kommunikationskarte über den PCI-Bus gesteckt. Als Bedienstationen kommen größtenteils industrietaugliche Simatic Thin Clients zum Einsatz. Die Datenübertragung zu den Clients übernehmen Lichtwellenleiter, um die Einwirkung elektrischer Störungen durch die vielen Antriebe der Anlage auszuschließen. Abgerundet wird das neue Leitsystem durch eine USV, die im Fall eines Stromausfalls die Anlage in einen sicheren Zustand bringt.

Fristgerechte Umsetzung nach Plan

Nachdem die technischen Rahmenbedingungen definiert waren, ging Focus an die Umsetzung. Dabei flossen auch zusätzliche Features in das neue Leitsystem ein. So wurden beispielsweise die Bedienbilder deutlich entschlackt, gleichzeitig sorgen dezent eingefügte Animationen für eine intuitivere Erfassung des Prozesses. So ist nun sichtbar, an welcher Stelle sich der Übergang zwischen zwei Bändern in der Anlage befindet. Dies ist eine Schwachstelle der Endlosbänder und erfordert beim Durchlauf durch die Anlage immer besondere Aufmerksamkeit. Über Zugangsberechtigungen wird definiert, welcher Bediener an welcher Station Warn- beziehungsweise Fehlermeldungen sieht. So hat jeder Bediener nur genau die Meldungen auf dem Monitor, die ihn und seinen Produktionsbereich betreffen. Der Fernzugriff auf die Anlage wird heutigen Sicherheitsmaßstäben gerecht und erfolgt über eine vorher aufzubauende VPN-Verbindung. Schließlich ist die Anlage auch über eine serielle Kopplung direkt an das ERP-System von Thyssen Krupp angeschlossen, so dass die Anlagendaten unternehmensweit zur Verfügung stehen. Damit sind die Produktions- und Qualitätsdaten jedes einzelnen Coils zentral verfügbar und können im ERP-System zugeordnet werden. Dadurch sind jetzt detaillierte Langzeitauswertungen möglich, die bereits zu Verbesserungen an der Anlage geführt und die Produktivität erhöht haben.

Bildergalerie

  • In der Leitwarte laufen alle Fäden der Feuerbeschichtung zusammen. Durch die übersichtliche Darstellung haben die Mitarbeiter jederzeit alle Informationen im Blick.

    In der Leitwarte laufen alle Fäden der Feuerbeschichtung zusammen. Durch die übersichtliche Darstellung haben die Mitarbeiter jederzeit alle Informationen im Blick.

    Bild: ThyssenKrupp Steel Europe

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