Synthese mit Esprit Großer Durchbruch bei Aminosäuren-Herstellung gelungen

Mit dem neuen Forschungsdurchbruch können Aminosäuren künftig in einem neuen Verfahren hergestellt werden.

Bild: iStock, anilakkus
31.03.2023

Ein völlig neuer Reaktionsansatz: Forschenden der Universität Wien gelang der Durchbruch bei der Synthese von a-Aminosäurederivaten – und bieten somit ganz neue Möglichkeiten bei der Herstellung.

α-Aminosäuren und die von ihnen abgeleiteten Verbindungen (Derivate) gehören als Bestandteile aller Peptide und Proteine zu den wichtigsten natürlich vorkommenden Stoffen. Sie spielen – von der Biologie bis zu den Materialwissenschaften – eine essentielle Rolle in einer Reihe wissenschaftlicher Fachgebiete.

Die Synthese von Aminosäuren durch die einfache Addition eines Stickstoffatoms („Aminogruppe“) an ein Säurederivat ist allerdings nicht zuletzt aus stereochemischen Gründen eine beträchtliche Herausforderung. Eine einfache Lösung dieses Problems hat nun eine Forschungsgruppe rund um Chemiker Nuno Maulide an der Universität Wien durch die Entwicklung eines neuen Reaktionsansatzes geliefert, bei dem simple und kommerziell erhältliche Stickstoffquellen eingesetzt wurden. Die Ergebnisse dieser Studie wurden jetzt im renommierten Journal Chem (CellPress) publiziert.

Stickstoff in die α-Position

Eine ideale Lösung für die Synthese von α-Aminosäurederivaten wäre es, wenn man den Stickstoff direkt an die sogenannte α-Position der Carbonylverbindung – das heißt in Nachbarstellung zum Säurerest am selben Kohlenstoffatom – installieren würde. Praktisch stellt dies die Chemiker vor eine Herausforderung.

Diese ergibt sich hauptsächlich aus den – gleichen – Polaritäten (Ladungsschwerpunkten) der beiden reagierenden Atome (Stickstoff, N und Kohlenstoff, C), wie Minghao Feng, Erstautor der Studie erklärt: „Chemische Bindungen werden meist zwischen Bausteinen mit entgegengesetzter Polarität geknüpft – positive und negative 'Ladungen' ziehen einander an. Da jedoch sowohl die meisten Stickstoffquellen, als auch die α-Position eines Carbonyls von Natur aus negativ polarisiert sind, ist es schwierig, eine neue Bindung zwischen ihnen herzustellen, da sie einander abstoßen.“

Umgehe die Polaritäten und lagere um

Um das Problem der gleichen Polaritäten der beiden Reaktionspartner N und C zu umgehen, hat die Forschungsgruppe eine neuartige Umlagerungsreaktion entworfen. Dabei bleiben die Atome des Moleküls zwar gleich, organisieren sich aber anders und weisen daher eine andere Konnektivität (Bindungsnachbarschaft) auf. „Umlagerungen sind ein wirksames Mittel, um neue Bindungen zwischen Fragmenten zu schaffen, die sonst schwierig zu vereinen wären“, erklärt Maulide. Möglich wird diese Umlagerungsreaktion durch den Einsatz von Sulfinamiden, einfachen, kommerziell erhältlichen schwefelhaltigen Stickstoffverbindungen, die sich – genau wie die synthetisierten α-Aminosäuren – durch eine besondere stereochemische Eigenschaft auszeichnen: ihre Chiralität.

Chiralität („Händigkeit“) bedeutet, dass ein Molekül in zwei spiegelbildlichen Formen (Enantiomeren) vorliegt, die miteinander nicht zur Deckung gebracht werden können – und sich daher zueinander wie unsere rechte und linke Hand verhalten. Enantiomere sind also in ihrer Zusammensetzung identisch, können sich aber in ihren chemisch-biologischen Eigenschaften beträchtlich unterscheiden. Durch die experimentelle Kontrolle der Umlagerungsreaktion kann die Synthese des bevorzugten Enantiomers gesteuert und dadurch eine sogenannte „Enantioselektivität“ erzielt werden.

Chiralität von Schwefel zu Kohlenstoff

Für die neu entwickelte Umlagerungsreaktion zur Synthese von α-Aminosäuren konnte die Maulide-Gruppe auf ihre jahrelange Erfahrung mit Chiralitätstransfer-Reaktionen zurückgreifen und die chirale Information des Schwefelatoms des eingesetzten Sulfinamids auf den Kohlenstoff der Carbonylverbindung übertragen. „Durch komplexe quantenchemische Berechnungen konnten wir vorhersagen, wie wir chirale Information von einem Schwefelatom zum gewünschten Kohlenstoffatom der Aminosäure transportieren können“, erklärt Zweitautor Anthony Fernandes.

Maulide weiter: „Diese bahnbrechende und innovative Strategie könnte die Synthese natürlicher wie unnatürlicher α-Aminosäurederivate deutlich vereinfachen und sich daher hervorragend zur Anwendung in der Entwicklung von peptidbasierten Arzneistoffen oder synthetischen Proteinen eignen.“

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