Ein altes Sprichwort besagt, dass der Weg zum Erfolg mit Herausforderungen gepflastert ist, und das war auch bei der Kooperation zwischen Erema und Keba nicht anders. Die ersten Gespräche zwischen den beiden Projektteams fanden bereits 2017 statt, der Projektstart war für 2019 geplant, als die globale Marktsituation, die Stimmung und die Anforderungen noch ganz anders waren als heute. Ein bewährtes Mittel, um schwierige Zeiten zu überstehen, sind Motivation und Engagement, die auf beiden Seiten vorhanden waren und zu der Einführung von Keba-Lösungen für die Intarema-Maschinenserie auf der K-Messe 2022 führten.
Erfolgreiches Entwicklungsprojekt trotz Weltkrisen
„Am Anfang waren wir auf der Suche nach einem Steuerungstechnik-Hersteller, mit dem wir unsere Zukunft flexibel gestalten können und der Gesamtlösungen anbietet. Keba war zunächst nicht auf dem Radar, aber nach einigen Recherchen, auch in Gesprächen mit Geschäftspartnern, kristallisierte sich aufgrund der guten Referenzen, der ähnlichen Größe und der Möglichkeit, auf der partnerschaftlichen Ebene auf die Entwicklung zuzugreifen, die perfekte Win-Win-Situation heraus“, erklärt Martin Kienbauer, Head of Automation bei Erema, den Beginn der Zusammenarbeit. „Das hat ganz gut gepasst, und wir haben die Diskussion begonnen und relativ schnell die ersten Ergebnisse gesehen.“ Erema wollte eine völlig neue Hardware bauen und die Software nicht mehr nur „parametrieren“, sondern wirklich programmieren, eine eigene Architektur entwickeln, mehr Freiheiten haben und die eigene Kreativität in die Entwicklung der Softwarekonzepte einbringen.
„Ein großer Pluspunkt für Keba in diesen Jahren war, dass wir uns nicht nur auf technologischer, sondern auch auf menschlicher Ebene gut verstanden haben. Die räumliche Nähe, die Offenheit und die ähnliche Mentalität waren ein weiteres entscheidendes Plus für die erfolgreiche Zusammenarbeit“, so Kienbauer. Die Mentalität erklärt perfekt die „Keba-DNA-Formel“ und definiert sie als eine einzigartige Mischung aus Kreativität, Enthusiasmus, Zielstrebigkeit und Freude an der gemeinsamen Arbeit. Diese Eigenschaften auf beiden Seiten zu finden, ist zweifellos eine Voraussetzung für eine dauerhafte Partnerschaft.
Mit der globalen Supply-Chain-Krise ab 2021 spielten diese Eigenschaften plötzlich eine wesentliche Rolle - gemeinsam mit Kebas Fähigkeit, Produkte dank des agilen Supply-Chain-Managements inklusive der österreichischen Produktionsstätten pünktlich liefern zu können.
Eines der Learnings aus der Krise, nicht nur für Erema, sondern für die gesamte Branche, ist die Überlegung einer Zwei-Lieferanten-Strategie, um einen reibungslosen Dauerbetrieb zu erreichen. Die Entwicklung der letzten Jahre, besonders im Bereich der Automatisierung, hat gezeigt, dass die Beschaffung risikoreicher geworden ist. Für manche Unternehmen ist es definitiv eine neue Realität - sowohl auf der Kunden- als auch auf der Lieferantenseite.
Ein Konzept für die, die groß denken
„Unternehmen werden oft jahrelang darauf getrimmt, so zu denken, wie der Hauptlieferant denkt, und das bringt eine gewisse Inflexibilität mit sich beziehungsweise führt zu blinden Flecken“, meint Kienbauer. „Keba brachte neue Sichtweisen ein und half mit, ein visionäres, bahnbrechendes Projekt zur Entwicklung eines völlig neuen Automatisierungskonzeptes für Erema zu starten“, so Kienbauer weiter.
Der Hauptantrieb für die Entwicklung dieses neuen Konzepts war untypischerweise nicht die Kosteneinsparung. „Kosten sind immer ein Thema, ganz klar, aber uns als technologischen Vorreiter treiben andere Dinge. Der erste Treiber und der absolute Hauptgrund war die Abkehr von der Parametrierung und der Einstieg in die echte Programmierung um die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, also zu programmieren, zu visualisieren, etwas völlig Neues in der Tiefe selbst zu gestalten,“ erklärt Kienbauer.
Die umgesetzten Konzepte basieren auf der Keba-Automatisierungsplattform Kemro X, in einem dezentralen Hardwarekonzept liegt der Schwerpunkt im systematischen Aufbau einer modularen Maschinenarchitektur. Die Idee dabei ist, eine zentrale Steuerung durch mehrere kompakte Steuerungen aus der skalierbaren KeControl-C5-Steuerungsfamilie zu ersetzen, um mehr Flexibilität für Kundenanforderungen zu etablieren. Optionale Peripherieeinheiten können einerseits eigenständig agieren, oder aber integrieren sich nahtlos in eine Erema-Gesamtanlage. Moderne Softwarestrukturen der Kemro-X-Plattform sowie state-of-the-art Technologien wie OPC UA Pub/Sub unterstützen diesen Lösungsansatz. Zukunftssicherheit in Technologie und Programmierung, die Offenheit der Entwicklung eigener Services auf Steuerungsebene sowie die Integration in das Erema-Bluport-Portal – die EdgeDevice-Lösung – sind ebenfalls essenzielle Bestandteile der Architektur.
Als Visualisierungsgerät kommt ein modernes Multitouch-HMI-Panel der KeTop-AP500-Serie zum Einsatz. Der große 21.5“-Multitouch-Bildschirm mit einem leistungsstarken Windows-10-IoT-Betriebssystem bietet genug Freiraum für effiziente und moderne Bedienung – bei Großanlagen werden mehrere dieser Bildschirme genutzt.
Ein Benefit dieses HMI-Ansatzes besteht darin, zukünftig auch auf mobile Geräte der KeTop-Familie zugreifen zu können – ein Umstand, der vor allem bei den immer größer werdenden Erema-Anlagen sehr interessant erscheint.
„Es war nicht klar, ob das Projekt zu 100 Prozent so ausfallen würde, wie ich es mir vorgestellt habe, aber es war mir wichtig, dass man ein bisschen über den Horizont hinausschauen kann und groß denkt“, so Kienbauer. Ein weiterer Faktor für den Erfolg des Entwicklungsprozesses war die hervorragende Kommunikation und Offenheit auf beiden Seiten - die Teams gingen „all-in“ und scheuten auch keine Konflikte oder unangenehmen Themen anzusprechen.
Der menschliche Faktor als Unterscheidungsmerkmal
Eine Sache, die keiner der Anbieter von Automatisierungslösungen jemals automatisieren kann, ist die Chemie zwischen den Menschen. Selbst in der heutigen Zeit, in der viele Menschen sich dabei ertappen, an manchen Tagen mehr mit KI-Assistenten als mit Familienmitgliedern zu sprechen, ist die Pflege der Unternehmenskultur, ihrer „DNA“, und der Aufbau persönlicher Beziehungen innerhalb einer Organisation sowie zu den Kunden ebenso wichtig wie die Entwicklung der neuesten Spitzentechnologien.
Kienbauer dazu: „Technische Dinge sind alle wichtig, aber man kann sie irgendwie nachholen. Was ich mindestens genauso wichtig finde, ist, dass man sich immer melden kann, wenn man etwas braucht, dass man anrufen kann, dass man sich auf Partner verlassen kann, dass man respektvoll miteinander umgeht, dass man sich gegenseitig wertschätzt. Das zeigt für mich eine gewisse Qualität.“ Keba und Erema haben sich gut verstanden - nicht nur die geschäftlichen und technologischen Ziele, sondern auch die Werte, die persönliche Motivation und den Wunsch, unglaubliche Innovationen zu schaffen - und zwar im gesamten funktionsübergreifenden Projektteam, vom Top-Management über das Vertriebs- und Produktmanagement bis hin zu den Ingenieuren und Softwareentwicklern. „Es geht um mehr als eine Kunden-Lieferanten-Beziehung. Ich sehe es als eine Partnerschaft, von der beide Seiten profitieren, weil wir technologisch voneinander lernen können. Im HMI-Bereich haben wir zum Beispiel verstanden, dass wir unsere Software-Architektur anders aufbauen müssen und davon profitieren können,“ ergänzt Kienbauer.
Erfolgsrezept für die Kreislaufwirtschaft: Jeder sollte bei sich selbst anfangen
Wenn man das Thema Recycling und Kreislaufwirtschaft anschneidet, sollte man in der Diskussion über die Fähigkeiten von Maschinen und Technik hinausgehen. Laut Kienbauer gibt es kein allgemeingültiges Rezept, wie man die aktuellen Probleme lösen und global erfolgreich sein kann, aber eines ist klar: Jeder sollte bei sich selbst anfangen.
Für Erema geht es nicht nur um die Anzahl der produzierten und verkauften Maschinen, sondern darum, was mit ihnen geschieht und welchen Beitrag sie leisten können. Auch wenn das Unternehmen für seine Kunststoffrecyclinganlagen und -maschinen bekannt geworden ist, gibt es noch andere Unternehmen in der Erema-Gruppe, die eine eigene Rolle auf Eremas Weg zur Schließung des Kreislaufs der Wirtschaft spielen. Zum Beispiel, das Unternehmen Plasticpreneur hat sich zur Mission gesetzt, weltweit einen erschwinglichen Zugang zum Kunststoffrecycling in kleinem Maßstab zu schaffen, von denen die lokalen Gemeinschaften ökologisch, sozial und wirtschaftlich profitieren können.
Laut Kienbauer gibt es immer noch häufige Missverständnisse bei der Wahrnehmung von Kunststoffen als Material. Kienbauer: „Viele Menschen denken, dass Kunststoffe in jeder Hinsicht nur schlecht sind und dass das Leben ohne Kunststoffe besser wäre.“ Er räumt ein, dass die Müllverschmutzung ein globales Problem ist und dass es viel Raum für Verbesserungen gibt. „Für uns sind zwei Dinge wesentlich. Erstens, dass wir hungrig nach neuen Innovationen bleiben, und zweitens, dass der Endkunde weiß, was mit dem Produkt, das er kauft, in Bezug auf das Recycling gemacht werden kann, damit die Sachen nicht einfach weggeworfen werden,“ so Kienbauer.
Aktuelle Trends auf dem Recyclingmarkt
Trotz der schwierigen globalen Marktsituation scheinen Investitionen in Recyclinganlagen „in“ zu sein, denn der Umsatz von Erema ist in den letzten Jahren gestiegen, zum Teil aufgrund neuer günstiger EU-Vorschriften und der EU-Politik insgesamt, aber auch aufgrund neuer Kundenstrukturen auf dem Markt. In der Vergangenheit gab es viele kleine Recyclingunternehmen, die alles in Eigenregie, lokal und in kleinem bis mittlerem Umfang erledigten.
In letzter Zeit interessieren sich jedoch bekanntere und global agierende Unternehmen für die Produkte von Erema, und auch andere Lösungen für das Recycling von Folienproduktionsabfällen oder Chemikalien sind im Kommen. Globale Marken wie Coca-Cola haben sich zum Ziel gesetzt, bis 2025 einen Recyclinganteil von 50 beziehungsweise Prozent bei Kunststoffflaschen zu haben (Quelle: Packaging Gateway, 2023) - und andere bekannte Marken folgen dem Trend, recycelte Kunststoffe in die Produkt-/Verpackungsrezepte aufzunehmen. Diese vom Verbrauchermarkt vorangetriebenen Trends haben Auswirkungen auf den weltweiten Absatz von Recyclingmaschinen.
Da die überwiegende Mehrheit der Kunststoffprodukte, einschließlich Verpackungen, auf allen Kontinenten lokal hergestellt wird, steigt die Nachfrage nach Recycling-Kunststoffgranulat und Maschinen zu seiner Herstellung vor allem in Europa, Süd- und Nordamerika, Afrika sowie in Asien.
Wenn steigende Qualitätsanforderungen motivieren
Steigende Qualitätsanforderungen sind eine weitere Herausforderung, die Kienbauer aber auch als Chance sieht. „Jede Qualitätsverbesserung, die wir erreichen, bedeutet, dass das Granulat höchstwahrscheinlich in neuen Produkten eingesetzt werden kann, und es bietet eine breitere Basis für neue Anwendungen.“
Jede Produktgruppe eines jeden Herstellers hat ihre eigenen Vorstellungen von Qualität, Bedürfnisse und Schwerpunkte. Wasserflaschen haben andere Qualitätsanforderungen als Shampoo Flaschen oder Verpackungen für Käse oder Schinken. Mit dem stetigen Anstieg der Qualitätsanforderungen steigt auch der Aufwand, interne Prozesse zu überdenken und neu aufzusetzen als auch mit flexibleren Lieferanten zusammenzuarbeiten, was Kienbauer und sein Team aber nicht abschreckt. „Deshalb ist es eine große Herausforderung, die mich motiviert, mehr zu tun und bin froh, dass es Geschäftspartner wie Keba gibt, die Fortschritt ermöglichen und Bedürfnisse unserer Branche verstehen.“
Die Zukunft von Erema und Keba
Auch wenn uns die Ereignisse der letzten Jahre gelehrt haben, dass weit in die Zukunft planen immer schwieriger wird, können Keba und Erema doch einige Pläne aufstellen. Nächste konkrete Schritte sind, neben der Einführung der bestehenden Lösungen für die Intarema-Maschinenserie und Peripheriegeräte (zum Beispiel das Filtrationsgerät), eine kontinuierliche Zusammenarbeit bei Technologiethemen und Weiterentwicklungen, sowie eine Analyse der Einsatzmöglichkeiten von KeTop-Wireless-HMIs. Darüber hinaus wird weiter überlegt, wie Kemro X, die offene Steuerungsplattform der Keba, verwendet werden kann um sämtliche Technologien und Benefits selbst direkt in die Steuerung einbringen zu können.