Kai-Uwe Hess ist mit diesem Beitrag im A&D-Kompendium 2020 als einer von 100 Machern der Automation vertreten. Alle Beiträge des A&D-Kompendiums finden Sie in unserer Rubrik Menschen .
Die Erwartungen an die vierte industrielle Revolution sind groß. Viele Entscheider versprechen sich durch die Innovationen der Industrie 4.0 ein höheres Wachstumspotenzial und deutliche Kostensenkungen, ihr Blick richtet sich vorrangig auf die technischen und operativen Chancen.
Doch der Weg dahin ist weit. Um diesen Erwartungen gerecht zu werden, müssen Unternehmen in Deutschland ihre Investitionen in Industrie 4.0-Technologien nicht nur deutlich steigern, sondern bündeln, um eine umfassende Integration aller Technologien zu erreichen. Die Industrie steht damit vor Aufgaben, die in der Folge der Corona-Pandemie keineswegs kleiner geworden sind.
Herausforderung der Kakofonie
Eine zentrale Herausforderung ist die Kakofonie, die an vielen Standorten des produzierenden Gewerbes, aber auch in der chemischen und der Automobilindustrie, erklingt. Die Gründe dafür sind vielfältig. Bislang werden Industrieanlagen durch operative Technologien (OT) gesteuert, die darauf ausgerichtet sind, die dauerhafte Verfügbarkeit und den verlässlichen Betrieb der Maschinen sicher zu stellen.
Der zunehmende Automatisierungsdruck führt jedoch zu einer wachsenden Vernetzung der physischen Anlagen. Informationstechnologien (IT), die in der Produktion bislang kaum eine Rolle spielten, werden wichtiger, vor allem im Zusammenspiel mit der OT. Mittelfristig wird es zu einer Verschmelzung beider Technologien kommen, auch wenn viele Unternehmen für diese Konvergenz und die damit einhergehende zunehmende Komplexität noch nicht bereit sind.
Denn Automatisierungs-Technologien sind vielfach und verständlicherweise auf die Anlagen eines Anbieters ausgerichtet. Die verschiedenen Herangehensweisen der OT-Anbieter, ihre unterschiedlichen Ziele, Traditionen und Kulturen stellen so manchen Chief Innovation Officer (CIO) vor erhebliche Herausforderungen. Oft erschwert dies die Umsetzung integrierter und umfassender Automatisierungsstrategien, so dass aus einer Produktionsstraße schlimmstenfalls ein Flickenteppich der Automatisierung wird.
Für Deloitte und für mich ganz persönlich ist entscheidend, die heterogenen Automatisierungstechnologien zusammenzuführen. Sie müssen als Services standardmäßig nutzbar sein, damit es für den Betreiber einer Produktionsstraße in absehbarer Zeit keine Rolle mehr spielt, welche Anlage von welchem Hersteller stammt. Einzellösungen stellen ein nicht unerhebliches Risiko dar. Und die Verantwortung für diese Risiken ist nicht immer klar zugeordnet oder über verschiedene Dienstleister verteilt.
Integriertes IT- und OT-Umfeld
CIOs müssen daher an vielen Stellen erhebliche Überzeugungsarbeit leisten. Sie sind gefragt, wenn es darum geht, einen Chief Supply Chain Officer, einen CEO oder auch einen Vorstand zu überzeugen, dass moderne OT-Systeme eine wichtige Voraussetzung sind für erfolgreiche Industrie 4.0-Initiativen. Sie sind in der Lage, die Gesamtkosten für Wartung, Support und abhängige Systeme deutlich zu reduzieren, wenn sie auf ein integriertes IT- und OT-Umfeld zurückgreifen können.
Sechs Schritte sind entscheidend, um diese Integration zu erreichen:
eine klare Katalogisierung der digitalen Infrastruktur
eine umfassende Analyse der Assets am Fertigungsstandort
eine Inventur der Möglichkeiten zur Datenanalyse
eine Risikoanalyse sowie entsprechende Notfallpläne
die detaillierte, operative Planung der Übergangsphase
eine ehrliche Analyse der möglichen Konnektivität
Denn wenn Produktionsdaten in Echtzeit analysiert werden können; wenn Wartungspausen präzise vorhergesagt werden und wenn der Austausch zwischen IT und OT nicht mehr zu elementaren Verständigungsschwierigkeiten führt, haben wir mit den Instrumenten der Automatisierung die Zukunft entscheidend und zu unser aller Vorteil verändert.