Anlagenbau & Betrieb Flexibilität in der Produktion

Prinzip des Variosys mit Sara: In einem speziellen Isolator können einzelne Produktionsmodule nach dem Lock-and-Key-Prinzip eingebaut werden.

Bild: Bausch+Ströbel
01.09.2016

Ob Ampullen, Karpulen, Vials oder Einmalspritzen, das Umrüsten einer Anlage ist mit Zeit- und Kostenaufwand verbunden. Ein sehr flexibles System ermöglicht nun verschiedene Objektarten mit unterschiedlichen Abfüllvolumina zu verarbeiten und das ohne lange Umrüstzeiten.

Biotechnologische Arzneimittel sicher und effizient zu verarbeiten, stellt neue Anforderungen sowohl an die produzierende Biotechbranche als auch an Spezialmaschinenhersteller bei der Konstruktion und dem Bau von entsprechenden Produktionsanlagen. Der wachstumsstarke Markt fordert flexible, pharmagerechte und vor allem platzsparende Systeme. Auch die Wirtschaftlichkeit und die einfache Bedienung sind entscheidende Faktoren.

Parenterale Arzneimittel aus biotechnologischen Wirkstoffen werden zum Beispiel häufig in kleinen und kleinsten Chargen, bis hin zur Losgröße 1 produziert. Daraus resultiert, dass der Produktionsprozess häufig angepasst werden muss. Die Darreichungsformen wie Fertigspritzen, Vials, Karpulen und Ampullen und die Füllvolumina wechseln bei diesen speziellen Präparaten sehr oft.

Die Produktion von Medikamenten erfolgt in der pharmazeutischen Industrie auf Anlagen, die in der Regel für eine Objektart – Ampullen, Karpulen, Vials oder Einmalspritzen – ausgelegt sind. Die Produktionsanlagen sind fest in die Produktionsräume integriert. Die sterilen und kontaminationsfreien Produktionsbedingungen werden durch den Einsatz von Barrieresystemen (RABS – Restricted Access Barrier Systems) erreicht. Auch durch den Einsatz eines Isolators (ein in sich geschlossenes, abgedichtetes System, das fest mit der Maschine verbunden ist) kann die Sterilzone exakt auf den kleinstmöglichen Bereich, in dem Sterilität erforderlich ist, begrenzt werden. Eine Umstellung der Produktion auf andere Objektgrößen erfolgt durch Formatteile und ist mit einem gewissen Zeit- und Kostenaufwand verbunden. Für große Chargen ist eine solche Lösung optimal: Sie erlaubt es, pharmazeutische Mittel in großer Geschwindigkeit und entsprechend den GMP-Anforderungen (Good Manufacturing Practice) und den FDA-Richtlinien (Food and Drug Administration) zu produzieren. Zur Produktion von Kleinchargen und biotechnologischen Präparaten müssen die selben Anforderungen und Richtlinien erfüllt werden, jedoch ist eine andere Herangehensweise notwendig.

Produktionsmodule jederzeit austauschbar

Hier ist ein sehr flexibles System gefragt, das erlaubt, verschiedene Objektarten mit unterschiedlichen Abfüllvolumina zu verarbeiten – und das in schneller Folge ohne lange Umrüstzeiten. Ein solches platz- und zeitsparendes System hat nun der süddeutsche Spezialmaschinenhersteller Bausch+Ströbel zusammen mit dem Isolatorenspezialisten Skan entwickelt: Variosys. Passgenaue Produktionsmodule werden mit einem kompakten Isolatorsystem verbunden und abgedichtet. Sie sind jederzeit austauschbar – einfach, pharmagerecht und sicher. Dieses neuartige Produktionssystem wurde im April 2016 auf der New Yorker Interphex bereits mit dem „Biotech Innovation Award 2016“ ausgezeichnet.

Der Dosierprozess erfolgt in einem speziellen Isolator, der die Produktion unter Bedingungen der Reinraumklasse A ermöglicht. Produktionsmodule für die Verarbeitung unterschiedlicher Packmittel können nach dem „Lock-and-key“-Prinzip eingebaut werden – sei das nun eine Anlage zur Verarbeitung von Ready-to-use-Objekten wie Einmalspritzen, Vials oder Karpulen im Nest, oder eine Füll- und Verschließmaschine zur Verarbeitung von Vials, Ampullen oder Karpulen, die als Bulkware zur Verfügung stehen. Einbau bedeutet hier konkret, dass das jeweilige Produktionsmodul ganz einfach wie ein Arbeitstisch aus dem Isolator herausgefahren und durch ein anderes ersetzt werden kann. Für die sichere und gasdichte Verbindung von Isolator und Produktionsmodul sorgt eine spezielle aufblasbare Dichtung.

Durch die Standardisierung der Produktionsmodule bietet Variosys eine große Produktionsflexibiltät, denn es stehen für jede Objektart optimierte Module zur Verfügung. So können je nach Ausführung nahezu alle in der Pharmazie üblichen Primärpackmittel wie Flaschen, Vials, IV-Bags, Karpulen und Ampullen als Bulkware oder Ready-to-use-Objekte in Nestern und Tubs verarbeitet werden. Auch die Verarbeitungsweise der Produkte ist sehr vielfältig. Die Produktionsmodule stehen sowohl für eine manuelle Produktion, eine halbautomatische Produktion als auch für eine vollautomatische Produktion mit einer Leistung von bis zu 6.000 Objekten pro Stunde zur Verfügung. Das System findet bereits in vielen Bereichen der Biotechnologie und der Pharmazie Anwendung und es wird kontinuierlich weiter entwickelt, so sind weitere Module zum Beispiel für den Produktansatz, für die Durchführung von Sterilitätstest und so weiter denkbar.

Darüber hinaus sorgen unterschiedliche Dosiersysteme für größtmögliche Flexibilität. So können zum Beispiel für die Dosierung von pulverförmigen Produkten Schneckendosieraggregate eingesetzt werden. Bei der Dosierung von Flüssigkeiten werden Peristaltikpumpen, Drehkolbenpumpen oder das Zeit-Druck-Dosiersystem zur schonenden Verarbeitung der Produkte eingesetzt. Damit flüssige Arzneimittel möglichst ohne Verlust verwertet werden, steht eine spezielle Ausführung des Dosiersystems zur Verfügung – Advancedfill. Bei diesem System muss maximal das letzte Objekt verworfen werden, das Anfahren der Maschine erfolgt verlustfrei und das Leerfahren verlustarm.

Sicheres Ein- und Ausschleusen von Material

Speziell bei der Verarbeitung von biotechnologischen Produkten, die nicht selten hoch wirksam sind, ist der Einsatz von Single-use-Lösungen von Vorteil. Sowohl produktführende als auch produktberührende Teile werden als Single-use-Lösung angeboten, hiermit sind Kreuzkontaminationen sicher ausgeschlossen. Eine WIP-Reinigung (Wash in Place) des Arbeitsbereichs der Maschinenmodule sowie eine spezielle Luftführung im Isolator ermöglichen es außerdem gefahrlos, hoch wirksame beziehungsweise toxische Produkte zu verarbeiten.

Variosys kann durch konforme Komponenten erweitert und zu einer vollständigen Produktionslinie ausgebaut werden. Eine weitere Systemkomponente ist die schnelle Schleuse Sara. Sie ermöglicht das sichere und effektive Ein- und Ausschleusen von Material in beziehungsweise aus dem Isolator. Eine vollautomatische Dekontamination mit Wasserstoffperoxid (H2O2) erfolgt in kürzester Zeit und dauert im Schnitt nur etwa 15 Minuten. Ready-to-use-Objekte werden mit der automatischen Tub-Unpacking-Machine (TUM) und einem Modul zur Deckel- und Vliesentnahme dem Verarbeitungsprozess zugeführt. Für die vollautomatische Verarbeitung von Bulkware-Objekten stehen zudem eine Reinigungsmaschine sowie ein Depyrognisations-/Sterilisationstunnel zur Verfügung. Mithilfe eines Gefriertrockners kann die Produktionslinie zur Herstellung von gefriergetrockneten Produkten erweitert werden.

Produktion kleiner Chargen

Für die Produktion kleinerer Chargen steht mit Variosys ein platz- und zeitsparendes System zur Verfügung, das sich schnell umrüsten lässt. Verschiedene Komponenten lassen sich individuell kombinieren. Neue Produktionsanforderungen können durch Umstellung der Module oder weitere Komponenten leicht realisiert werden. Der Qualifizierungs- oder Validierungsaufwand ist bei diesem System, dank der Standardisierung, gering. Variosys ist nach dem Prinzip „Plug and Play“ an andere Produktionsstandorte übertragbar und dort schnell einsatzbereit. Ein entscheidender Vorteil, um mit Neuentwicklungen schnell auf dem Markt präsent zu sein.

Bildergalerie

  • Schnell umrüstbar: Passgenaue Produktionsmodule werden mit einem kompakten Isolatorsystem verbunden und abgedichtet.

    Schnell umrüstbar: Passgenaue Produktionsmodule werden mit einem kompakten Isolatorsystem verbunden und abgedichtet.

    Bild: Bausch+Ströbel

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