Wer sich in den letzten Jahren ein zentrales MES aufgebaut hat und damit viele der „historisch gewachsenen“ Strukturen ablösen konnte, hat dafür sicherlich viel Zeit und Geld investiert und vermutlich auch viel Anerkennung geerntet. Dennoch haben sich die Anforderungen an die Fertigung seitdem immer weiter gesteigert:
Kürzere Durchlaufzeiten
Ausschuss reduzieren
Forderung nach immer weniger Stillständen
Verbesserte Transparenz durch OEE und über Werke hinweg
Nutzung von Shop-Floor-Daten für erhöhte Outputs
Losgröße 1
Nachhaltigkeit
Auf die Frage, wie diese Ziele in Zukunft erreicht werden sollen, spielen die führenden Beratungshäuser und Softwareanbieter dieselbe Melodie: Es geht nicht ohne Cloud! Auch eine Studie von LNS Research1 zeigt, dass 41 Prozent der produzierenden Unternehmen an die Notwendigkeit einer digitalen Transformation glauben, um in den nächsten 3 bis 5 Jahren noch relevant am Markt bleiben zu können.
Über das Beste hinaus
Aber woran liegt das? In vielen produzierenden Unternehmen wurden die Grenzen des Möglichen im Bereich der linearen Effizienzsteigerung so gut wie ausgeschöpft. An allen offensichtlichen Stellschrauben wurde bereits so lange gedreht, dass weitere Verbesserungen kaum möglich scheinen. Es ist, als würde man an eine undurchdringliche Decke aus Stahlbeton stoßen.
Um die nächste Stufe der Effizienz erreichen zu können, braucht es fortgeschrittene Technologien wie Machine Learning und Analytics-Werkzeuge, die über das für den Menschen erkennbare hinaus gehen und neue Potenziale aufdecken zu können. Dann sind auf einmal wieder 30, 50 oder sogar 70 Prozent Effizienzsteigerung möglich.
Auch die großen Anbieter von Business-Applikationen, wie zum Beispiel SAP fahren die Strategie ihre Innovationen zuerst in ihren Cloud Produkten verfügbar zu machen. Einmal pro Quartal werden neue Funktionen in der Wolke aufgespielt und sind sofort, ohne Installation und Wartungsfenster bereit zur Anwendung. Erst im Nachhinein – wenn überhaupt – werden sie in ihrem Pendant in der On-Premise-Version nutzbar gemacht.
Die Schlussfolgerung aus dem bereits Gesagten ist, dass kein Weg um Cloud-Dienste herumführt, sofern die Prophezeiungen von Marktteilnehmern und Marktforschern eintreffen, was sehr wahrscheinlich ist. Sollen deswegen alle jetzigen Systeme rausgeschmissen werden?
Die Antwort ist: „Nein“. Allerdings ist dafür eine klare Cloud-Strategie notwendig, die ab sofort greift und langfristig ausgerichtet ist. Dabei ist es nicht zwingend notwendig zu 100 Prozent auf die Cloud zu setzen, was in den meisten Fällen ja ohnehin nicht praktikabel ist. Daher empfehlen wir mit einer hybriden Architektur zu starten, die schon jetzt Vorteile aus der Cloud für die bestehende (MES-)Systemlandschaft verfügbar macht.
Hybride Architektur
Eigentlich ist eine hybride Architektur überhaupt nichts neues. Eine Hybrid Cloud bedeutet eigentlich nur, dass ein Unternehmen einen Teil seiner IT-Ressourcen On-Premise, also lokal betreibt, während ein anderer Teil in der Cloud läuft. Nutzen Sie zufällig Office 365 in Ihrem Unternehmen?
Falls sie gerade mit „Ja“ geantwortet haben, dann herzlichen Glückwunsch, sie haben bereits Erfahrung mit einer hybriden Architektur. Im Bereich der Manufacturing Execution Systems heißt das, den operativen Teil On-Premise zu belassen, aber Analyse- und Optimierungslösungen in der Cloud zu fahren.
Aller Anfang ist schwer? Muss nicht sein!
Es ist sicherlich keine gute Idee seine Systeme an den produktionskritischen Stellen lahmzulegen und munter drauflos zu experimentieren. Genau deswegen sollte zu Beginn an einer Linie und einem Proof-of-Concept gestartet werden, der geeignet ist, schnell Erfahrungen zu sammeln, aber auch echte Mehrwerte für das Unternehmen produziert. Außerdem ist es ratsam, sich nicht völlig allein auf die Reise zu begeben. Ein Ökosystem aus starken und agilen Partnern ist eine der Schlüsselkomponenten für eine schnelle und erfolgreiche Projektumsetzung.
Ein gutes Beispiel ist die Anwendung, die End-of-Line-Qualitätskontrolle, dank Künstlicher Intelligenz zuverlässiger und effizienter zu machen.
Der Clou an diesem Vorgehen ist, dass sich der eigentliche Produktionsablauf kein bisschen ändern musste, nur der kritische End-of-Line-Test wurde mit aktuellsten Cloud-Diensten verbessert. Der Prüfer nutzt spezialisierte Sensorik, um Vibrations- und Geräuschdaten vom Prüfplatz einzufangen und in Bilddaten umzuwandeln. Diese Daten werden zunächst vom MES empfangen und per IoT-Gateway in die Cloud hochgeladen, wo die Daten gesammelt werden (Data Lake). Ein Machine Learning Service aus der Google Cloud greift zyklisch auf diese Daten zu und trainiert damit ein Predictive-Quality-Modell.
Dieses Modell wird nach jedem Trainingslauf auf eine Edge-Applikation, also sehr nah am Shop Floor, zur Verfügung gestellt. Einem Prüfer wird nun in Echtzeit eine Entscheidung für OK oder Nicht-OK geliefert und seine Arbeit wird um ein Vielfaches erleichtert.
Der beste Startpunkt war gestern, der zweitbeste heute
Der entscheidende Vorteil an der Herangehensweise aus dem Beispiel ist zum Einen der schnelle Umsetzungs-Erfolg auf dem Shop Floor selbst, welches nun einfach und skalierbar mehreren Linien ausgerollt werden kann. Zum Anderen auch das Know-how, wie zum Beispiel die richtigen Services gefunden werden und der Shop Floor an die Cloud angebunden wird. Das Wissen ist nun langfristig und für weitere Innovationen im Unternehmen vorhanden.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass eine hybride Architektur ein ausgezeichneter Startpunkt ist, um die ersten Schritte in Richtung Cloud zu gehen. Auch wenn der beste Zeitpunkt, um in die Cloud zu starten sicherlich schon ein paar Jahre zurück liegt, ist der zweitbeste Zeitpunkt heute. Ab jetzt gilt mit starken Partnern zu lernen, ein Ökosystem aufzubauen und eine hybride Architektur als Sprungbrett in eine langfristige Cloud-Strategie zu nutzen.