Als Unternehmen des deutschen Mittelstands legt J.A. Becker & Söhne großen Wert auf Qualität und Sicherheit. Zur Wartung der Kompressoren fährt in Abstand von festen Zeitintervallen ein Servicetechniker zum Anwender; international übernehmen ausgebildete Servicepartner diese regelmäßigen Wartungen.
Falls zwischen den Wartungsintervallen eine Störung auftreten sollte, steht den Kunden eine Servicehotline zur Verfügung, über die die meisten Probleme gelöst werden können. Andernfalls wird ein Servicetechniker zum Kunden entsandt. In Ausnahmefällen kann es sogar durchaus vorkommen, dass dieser bis nach China reisen muss.
Predicitve Maintenance steigert Effizienz
Mit den Möglichkeiten des industriellen IoTs sah der Kompressoren-Hersteller die Chance, Wartungen noch effizienter zu gestalten. Durch vorausschauende Wartung, der sogenannten Predictive Maintenance, sollte erkennbar werden, wann ein Servicetechniker Maßnahmen am Kompressor vornehmen muss.
Dass durch dieses flexible Wartungsintervall nicht nur die Kundenzufriedenheit, sondern vor allem auch die Verfügbarkeit der Kompressoren steigt, war bereits bekannt. „Ob auch für unsere Produkte flexible Wartungsintervalle, die sich am tatsächlichen Zustand des Verdichters orientieren, realisierbar wären, konnte uns allerdings niemand sagen“, erinnert sich Alexander Kraus, Geschäftsbereichsleiter Kompressoren bei J.A. Becker & Söhne.
Das Unternehmen begab sich also auf die Suche nach einer Lösung, mit der sich die Daten der Kompressoren für eine überschaubare Investition und innerhalb eines begrenzten Zeitrahmens testen ließen. Fündig wurde J.A. Becker & Söhne bei Endian, einem Cybersecurity-Anbieter auf dem Gebiet Industrie 4.0.
Mit dem Proof of Concept Kit (PoC-Kit) ist es möglich, den Mehrwert der Digitalisierung anhand der eigenen Maschinendaten zu überprüfen. Dafür muss der Kunde lediglich seine Maschinen mit dem Internet verbinden und Endian übernimmt die restlichen Schritte des Projekts. „Damit entfällt die typischerweise aufwendige und kostenintensive Startphase von Industrie-4.0-Projekten“, sagt Raphael Vallazza, CEO von Endian.
Schnell und sicher in die Industrie 4.0
Grundlage für jedes PoC-Projekt ist die Definition der Ziele und Anforderungen. Die standen bei J.A. Becker & Söhne bereits fest: Das Unternehmen wollte die Machbarkeit von Predictive Maintenance überprüfen.
Folglich startete das Projekt gleich bei Schritt zwei, der festlegt, welche Maschinen vernetzt und welche Daten gesammelt werden. Der Hersteller entschied sich für die Anbindung von Hochdruck-Kompressoren, die zum Beispiel bei Industrieanwendungen für das Abfüllen von Stickstoff in Druckflaschen zum Einsatz kommen.
Diese Hochdruck-Kompressoren verdichten das Gas in mehreren Stufen. Das Verhältnis der verschiedenen Drücke zueinander sowie die Temperaturen lassen unter anderem Rückschlüsse auf eventuelle zukünftige Störungen zu. Demnach galt es, folgende Werte zu erfassen: die Liefermenge, den Enddruck, die Temperatur sowie die Leistungsaufnahme des Elektromotors.
Abhängig von der Anwendung erfolgt die Auslieferung der Kompressoren entweder mit oder ohne Steuerung. Die Anbindung des PoC-Kits an die Steuerung von J.A. Becker & Söhne gelang über das eingesetzte Gateway, das Endian 4i Edge 313 4G.
Dieses industrielle IoT-Gateway ist in der Lage, unterschiedliche Maschinenprotokolle auszulesen. Bei den Kompressoren handelte es sich um den Standard Modbus RTU. Liegen unterschiedliche Protokolle vor, so wandelt das Gateway sie in ein einheitliches MQTT-Protokoll für die Übertragung über das Internet um.
Sobald J.A. Becker & Söhne die entsprechenden Kompressoren mit dem Gateway verbunden hatte, wurden die Daten über 4G an die zentrale PoC-Plattform übertragen, und das Service-Team von Endian konnte das erste Dashboard zur Datenanalyse einrichten. Innerhalb von zwei Wochen ab Projektstart war die Testumgebung für den Kompressoren-Hersteller einsatzbereit.
Mit dem Projektstart ließ sich sofort der erste Nutzen erkennen: „Im Start-Dashboard konnten wir sehen, dass die erforderliche automatische Entlastung des Kompressors nicht gegeben war, die Leitung wurde nicht komplett drucklos“, so Benjamin Siegl von der Abteilung Entwicklung und Konstruktion bei J.A. Becker & Söhne. Jeder Kompressor geht nach 45 Minuten Arbeit in eine vierminütige Ruhephase, um angesammeltes Kondensat in den Abscheidern zu entfernen. Verbleibt Druck in der Leitung, so führt das zu einer höheren Leistungsaufnahme und auf Dauer auch zu einem höheren Verschleiß. Die Ursache konnte sofort beseitigt werden, sodass der Kompressor reibungslos arbeitete.
Erfolgskriterium: IT-Sicherheit
Die Kompressoren produzieren Drücke von bis zu 400 bar und verdichten je nach Einsatzzweck explosive Stoffe wie Erdgas. Sicherheit ist deshalb ein zentrales Qualitätsmerkmal bei J.A. Becker & Söhne. Mit der Vernetzung der Kompressoren gilt es, sie gleichzeitig gegen Cyberattacken zu schützen. Auch die Daten müssen während der Übertragung an das Internet vor Manipulation und Diebstahl sicher sein.
Alle Maschinen, Daten und Verbindungen sind während des gesamten Testzeitraums durch die IT-Security-Technologien von Endian abgesichert. So sorgen die umfangreichen Sicherheitsfunktionen der Gateways für den Schutz von Maschinen und Anlagen, beispielsweise durch eine integrierte Firewall, ein Intrusion Detection System (IDS) und Antivirus-Software. Eine VPN-Verschlüsselung sichert die Datenverbindungen.
Damit der Kunde jederzeit die Hoheit über seine Daten behält, kann er auswählen, in welcher Umgebung er die IoT-Plattform hostet: entweder in der sicheren und zuverlässigen Cloud-Umgebung von Endian, beim Kunden selbst oder einem Systemhaus seiner Wahl. „In der verbleibenden Testphase wollen wir noch genauer definieren, welche Daten für unser Ziel tatsächlich relevant sind“, sagt Siegl abschließend. „Sobald wir uns in diesem Punkt sicher sind, werden wir das Projekt ausbauen.“