Automatisierungstechnik lebt von Daten: Sensoren erfassen physikalische Größen, wandeln sie in elektrische Signale und geben sie weiter an die Steuerung. Dort wird entschieden, welche mechanischen Handlungen über die Aktoren ausgelöst werden sollen. In der Industrieautomation mangelt es nicht an solcher Datenkommunikation. Sie wird in den meisten Fällen mit dem Ziel verfolgt, die Produktion zu gewährleisten. Energieeffizienz und Anlageneffektivität spielen zwar eine Rolle, aber noch längst nicht die, die sie einnehmen könnte. Neben den rein ethischen und ökonomischen Faktoren wurde mit dem neuen Energiedienstleistungsgesetz der Druck auch seitens der Bundesregierung erhöht. Die verpflichtete Großunternehmen dazu, bereits im vergangenen Jahr ein Energieaudit gemäß DIN EN 16247-1 durchzuführen oder ein Energiemanagementsystem gemäß DIN EN ISO 50001 in die Wege zu leiten.Viele versäumten aber die Fristen oder sehen sich nicht in der Pflicht.
Hohe Einsparpotentiale in der Industrie
Gerade für industrielle Betriebe ist das Thema wichtig: Sie verbrauchen hierzulande zusammen fast die Hälfte – nämlich rund 43 Prozent – der elektrischen Energie und sind für ein Drittel der Treibhausgas-Emissionen in Deutschland verantwortlich. Damit ist klar: Der Erfolg der Energiewende ist auch abhängig von der Effizienz der Industrie. Das Umweltbundesamt beziffert das Einsparpotential an elektrischer Energie auf rund 20 Prozent.
Die besten Chancen zu sparen hat, wer Druckluft-, Pumpen- und Lüftungssysteme verbessert, denn etwa 70 Prozent des industriellen Stromverbrauchs entfallen auf elektrische Antriebe und die daran angeschlossenen Aggregate. Laut einer Studie des Heidelberger IFEU-Instituts und des Fraunhofer ISI lassen sich diese Potentiale durch die Verbesserung einzelner Komponenten, etwa des Elektromotors oder der Arbeitsmaschine, oder durch eine bessere Abstimmung der Komponenten sowie die bedarfsgerechte Steuerung und Regelung erschließen. Pumpen und Lüftungssysteme bergen besonders große Potentiale durch den Einsatz drehzahlvariabler Antriebe. Oder ganz simpel gedacht: Auch durch die genauere Auslegung der Anlage für den tatsächlichen Bedarf lassen sich Einsparungen erzielen.
Best Practice: BASF
Wie solche Verbesserungsvorhaben in der Praxis aussehen können, zeigt unter anderem BASF SE am Standort Ludwigshafen. Das Firmengelände am Rhein ist mit rund 10 Quadratkilometern das größte zusammenhängende Chemieareal der Welt. Allein der jährliche Strombedarf liegt bei 6,2 TWh, der jährliche Verbrauch an Prozessdampf bei 18,7 Millionen Tonnen. Um seinen Bedarf zu decken, betreibt das Unternehmen drei eigene KWK-Kraftwerke mit Gas- und Dampfturbinen. Angesichts dieser Größe ist verständlich, warum BASF sich bereits 2011 mit der Einführung eines Energiemanagementsystems nach der DIN ISO 50001 beschäftigt hat. Bis zur Zertifizierung des gesamten Energieeinsatzes am Standort Ludwigshafen hat es schließlich rund zwei Jahre gedauert. Das Energiemanagementsystem ist heute die Basis, auf der das Chemieunternehmen Einsparpotentiale aufdeckt. Der Dampf, der einen Betrieb als Abfall verlässt, wird nun von einem anderen als Energie verwendet; und die Edukte des einen Herstellungsprozesses dienen als Produkte für ein anderes Verfahren. Diese Ansätze sind nicht neu, doch erst die Betrachtung des gesamten Standorts als Verbund und eine zentrale Steuerungsebene, wie es die DIN ISO 50001 fordert, führten dazu, dass mehr und mehr Synergieeffekte sichtbar wurden.
Effizienz und Effektivität verbinden
Energieeffizienz ist das eine, Anlageneffektivität das andere: Mit der systematischen Erfassung und Auswertung ausgewählter Maschinen- und Betriebsdaten lassen sich unter anderem anstehende Wartungsarbeiten zeitlich viel präziser bestimmen.
Erhöhte Schwingungen etwa geben Aufschluss darüber, dass an irgendeiner Stelle etwas nicht rund läuft, erhöhte Stromwerte sind an anderem Ort ein markantes Indiz für sich ablagernde Verschmutzungen, Abweichungen in der Temperaturkurve wiederum deuten auf verschlissene Bauteile hin. Unternehmen tun demnach gut daran, einerseits ihre Energiedaten zu erfassen und damit Transparenz in den Prozess zu bringen und andererseits diese Energiedaten sinnvoll mit anderen Medienverbräuchen zu kombinieren.
Transparenz ist also ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg, aber sie ist eben längst nicht alles. Zwar müssen Messdaten in guter Qualität vorliegen, dennoch ist entscheidend, was danach mit ihnen passiert. Eine passende Visualisierung auf der einen und eine folgerichtige Interpretation auf der anderen Seite sind unerlässlich. Denn erst die Betrachtung von Messdaten im passenden Kontext und mit verschiedenen Analyseverfahren lässt die Ableitung angemessener Maßnahmen zur Energieeinsparung zu. Energiemanagementsysteme nach DIN EN 50001 arbeiten auf Grundlage von Methoden und Kennzahlen – letztere dienen dazu, dass das, was gemessen wird, überhaupt vergleichbar wird.
Messdaten vergleichbar machen
Ein wichtiger Vertreter ist der Energy Performance Indicator (EnPI), mit dem energiebezogene Leistungen bewertet werden. In eine ähnliche Richtung geht der Key Performance Indicator (KPI) – eine Kennzahl, die zeigt, in welchem Maß die Organisation ein wichtiges Ziel anhand kritischer Erfolgsfaktoren erreicht hat. Die Overall Equipment Effectiveness (OEE) stellt einen typischen KPI-Vertreter dar, indem er die tatsächliche gegenüber ihrer theoretisch möglichen Auslastung einer Maschine untersucht. Folglich haben in der Fertigungsautomatisierung neben der reinen Produktionsgeschwindigkeit auch Stillstandzeiten Einfluss.
Förderung durch den Bund
Dass Energieeffizienz in der Industrie von Bedeutung ist, zeigt auch ein Blick auf die Fördermittelausgaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi): Knapp 35 Millionen Euro flossen im Jahr 2015 in Forschungsprojekte zur Steigerung der Energieeffizienz in Industrie sowie Gewerbe, Handel und Dienstleistungen. Zusätzlich wurden neue Vorhaben mit einer Förderung von 58 Millionen Euro bewilligt. Mit Blick auf die energieintensiven Branchen unterstützt das BMWi vor allem Projekte zur energetischen Verbesserung von Prozessen und Verfahren sowie zur Entwicklung neuer Anlagenkomponenten. Die geförderten Projekte decken ein breites, technologisches Spektrum ab – vom Maschinen- und Fahrzeugbau, über Elektrotechnik, Feinmechanik und Optik bis hin zu Wärme- und Kältetechnik sowie Industrieöfen und Prozesswärme. Aus strategischer Sicht setzt das BMWi außerdem auf Demonstrationsprojekten und -anlagen, durch die ein schneller Transfer der Forschungsergebnisse in die Praxis sichergestellt werden soll. Nicht nur Forschungsprojekte, auch konkrete Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz werden zum Bund gefördert. Unternehmen können beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausführkontrolle (BAFA) beispielsweise finanzielle Unterstützung zur Einführung eines Energiemanagementsystems oder einer Energiemanagementsoftware erhalten.
Schlechte Performance
Trotzdem tun sich deutsche Industrieunternehmen schwer, in entsprechende Sparmaßnahmen zu investieren. Hemmnisse sind die hohen Anforderungen an die Wirtschaftlichkeit, die sich insbesondere durch die Forderung nach kurzen Amortisationszeiten widerspiegeln, und die Konkurrenz mit Maßnahmen zur Steigerung des Umsatzes oder zur Verbesserung der Produktqualität. Eine Untersuchungen der Internationalen Energieagentur (IEA) hatte bereits 2014 ein mahnendes Ergebnis zu Tage gebracht: Deutschland hinkt insbesondere bei der Steigerung der Energieeffizienz in der Industrie hinter Japan, den USA und anderen europäischen Ländern hinterher. Wie gut, dass die produzierenden Unternehmen in 2016 wieder stärker in Maßnahmen zur Effizienzsteigerung investieren wollen.