Der metallische 3D-Druck aus dem Pulverbett gilt gemeinhin als eine Art Prototyp der additiven Verfahren, denn der additive Aufbau mit dem Laser erlaubt eine enorme Designfreiheit bei gleichzeitig sparsamem Materialeinsatz. Bei genauer Betrachtung stellen jedoch viele Unternehmen fest, dass nach dem Druck noch lange kein fertiges Produkt oder Bauteil vorliegt. Häufig sind umfangreiche Nacharbeiten erforderlich, um die gewünschte Formgenauigkeit zu erhalten, Stützstrukturen zu entfernen oder Designelemente nachträglich anzubringen.
Vom „Halbzeug“ zum einsatzbereiten Bauteil
„Im Grunde ist das additiv hergestellte Teil noch kein Bauteil, sondern eher ein Halbzeug“, erklärt Robin Day, der am Fraunhofer IPT das Arbeitsgebiet der energetischen Strahlverfahren leitet. Am Institut arbeitet er federführend daran, die gesamte Produktionskette zu erschließen, sodass additive Verfahren und Nachbearbeitung aus einer Hand zu einem fehlerfreien und einsatzfertigen Bauteil führen. Die Forschungsarbeiten in diesem Bereich konzentrieren sich deshalb nicht alleine darauf, die Einzelverfahren und ihre Verkettung vorab zu prüfen, einzuschätzen und auf Kostenseite zu kalkulieren: „Wir probieren an geeigneten Demonstratorbauteilen mit unseren eigenen Maschinen und Anlagen direkt aus, was wir uns auf dem Papier und am Computer ausgedacht haben. Denn erst in der realen Verkettung der Produktionsschritte offenbaren sich häufig Stolperstellen, die wir dann gezielt beseitigen“, sagt Robin Day.
Mit der umfangreichen technischen Infrastruktur des Instituts gelingt es den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern seiner Abteilung, die Prozessketten und Kombinationen unterschiedlicher additiver und subtraktiver Verfahren von Anfang bis Ende im eigenen Haus durchzuspielen und physische Hindernisse abzubauen.
In der Kombination lassen sich zudem die Schwächen der jeweiligen Verfahren kompensieren und der Zeit- und Kostenaufwand bis zu einer Serienreife deutlich senken. Das aktuelle Forschungsfeld umfasst daher nicht nur das Pulverbettverfahren, sondern beispielsweise auch das Auftragschweißen von Draht mit Laser und Lichtbogen – jeweils in vielfältigen Kombinationen mit abtragenden Technologien, vom Fräsen, Drehen oder Schleifen bis zum Strukturieren mit dem Laser.
Multi-Technologie-Plattform als Beispiel für flexible und nachhaltige Prozessketten
Ein Ziel des Fraunhofer IPT ist es, in Forschungs- und Entwicklungsprojekten gemeinsam mit der Industrie adaptive und effiziente Fertigungsprozesse und Prozessketten zu entwickeln, die sich unter möglichst geringen Kosten in bestehende Produktionsumgebungen einfügen.
Zu diesem Zweck hat das Institut nun verschiedene Bearbeitungsköpfe für das Laserstrukturieren sowie das Laser- und Lichtbogen-Auftragschweißen in einen handelsüblichen Industrieroboter integriert. Diese Ausstattung erlaubt eine schnelle, präzise und kostengünstige Bearbeitung selbst großer Metallbauteile in einer Aufspannung. Durch den einfachen Wechsel der Bearbeitungsköpfe kombinieren die Aachener Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler additive und abtragende Prozesse in einem vergleichsweise kostengünstigen Gesamtsystem.
Verfahrensvielfalt und Prozesskombinationen am Stand
Auf der Formnext 2023 zeigt das Fraunhofer IPT nun gemeinsam mit zwölf weiteren Fraunhofer-Instituten Beispiele für zahlreiche Prozesse und deren Kombinationen: Konventionelle Verfahren zur Glättung von Oberflächen wie Fräsen und Sandstrahlen, aber auch Gleitschleifen, Stream Finishing, Plasmaverfahren, Laserstrahlstrukturieren, selektives Beschichten und Lackierungen. Das gemeinsame Exponat der Institute bietet den Messegästen in Halle 11.0, Stand D3, einen kompakten Überblick über die Vielfalt der verschiedenen Technologien und lädt zur Diskussion über konkrete Herausforderungen ein.