Industrie 4.0, Big Data, Cloud Computing und Internet der Dinge ‒ der Digitalisierungsdruck auf Unternehmen wächst und führt zu immer kürzeren Innovationszyklen und komplexeren Produkten. Für die dadurch erforderliche Vernetzung von Geräten, Maschinen und Systemen hat der ZVEI gemeinsam mit seinen Partnern eine Referenzarchitektur beschrieben, genannt RAMI 4.0, und darin OPC UA als Kommunikationsstandard vorgeschlagen.
Die Einführung von OPC UA erfordert jedoch eine fundierte betriebswirtschaftliche Analyse relevanter Kosten- und Nutzenaspekte. Dabei ist zwischen Anbietern und Anwendern zu unterscheiden: Bei den Anbietern handelt es sich um Hersteller von Komponenten, Maschinen oder auch ganzen Anlagen. Die Anwender stammen vorwiegend aus der Produktionswirtschaft, zum Beispiel Anlagenbetreiber im Elektro- und Maschinenbau, sowie aus den Bereichen Energie, Versorgung und chemische Industrie. Unternehmen, die vor der Entscheidung stehen OPC UA für ihre betrieblichen Prozesse zu nutzen, sollten vor der Investition in entsprechende Lösungen einen genauen Blick auf die damit einhergehenden Kosten werfen und mit dem konkreten Nutzen abwägen.
Kosten von OPC UA-Lösungen
Für Anbieter ergeben sich zunächst Investitions- und Entwicklungskosten. Bei Verwendung von OPC UA in eigenen Produkten fallen Lizenzkosten für kommerzielle Toolkits beziehungsweise Software Development Kits (SDKs) sowie Entwicklungskosten für die Anpassung eigener Produkte zur Integration von OPC UA an. Wird kein kommerzielles OPC UA SDK verwendet, ergeben sich höhere initiale Entwicklungskosten. Lizenzkosten können dagegen entfallen. Zudem kommen Pflegekosten für die Schnittstellenkompatibilität hinzu. Müssen bestehende Schnittstellen abwärtskompatibel gehalten werden, entstehen neben Pflegeaufwänden von OPC UA weitere Kosten zur Pflege der bestehenden Schnittstellen. Letztendlich ergeben sich noch Kosten für Weiterbildung, Schulung, Einarbeitung und Beratung von Mitarbeitern. Beratungskosten können für die Auswahl eines passenden SDKs oder die Unterstützung bei der Entscheidung „Make or Buy“ anfallen.
Anwender hingegen müssen als erstes die Einführung neuer Hard- und Software finanzieren. Für die Anschaffung neuer Maschinen, Komponenten und Software mit auf OPC UA-basierten Systemen fallen Kosten an, ebenso bei der Integration in die bestehende Umgebung. Auch die Anpassung bestehender Systeme ist nicht kostenfrei. Sollen vorhandene Softwaresysteme zum Beispiel auf Leit- oder Unternehmensebene weiterverwendet werden, muss gegebenenfalls eine Kompatibilität zu OPC UA hergestellt werden. Für die Umrüstung von Altmaschinen können zu Kosten für Gateways ebenso Anpassungskosten entstehen. Schließlich fallen noch Ausgaben für kontinuierlichen Support inklusive Reparatur und Wartung an.
Nutzen von OPC UA-Lösungen
Für Anbieter steht der Fokus auf der Anwendungsentwicklung: Ein geringerer Aufwand bei der Entwicklung und damit kürzere Time-to-Market ist möglich, wenn die Entwicklung weg von der Schnittstelle hin zur Anwendung ausgerichtet ist. Eine Ersparnis in Konzeption und Umsetzung der Schnittstelle ergibt sich dann, wenn zum Beispiel auf die integrierten Sicherheitsmechanismen eines OPC UA-Toolkits zurückgegriffen werden kann. Zudem können Reifegrade ausgenutzt werden: OPC UA wird bereits in vielen unterschiedlichen Anwendungsfällen produktiv eingesetzt. Anbieter können so von einem hohen Reifegrad und Robustheit des Standards sowie verfügbarer Toolkits profitieren. Auch bestehende Produkte von Drittherstellern können zum Einsatz kommen: Über eine standardisierte Schnittstelle kann mit ihnen kommuniziert werden. Im Bereich der Wartung und Diagnose können marktverfügbare OPC UA-Service-Clients und Tools verwendet werden, um auf Diagnosemeldungen zuzugreifen beziehungsweise Werte zu lesen und zu schreiben.
Ein Nutzen für Anwender liegt in der Interoperabilität. OPC UA ermöglicht die Interoperabilität von Maschinen unterschiedlicher Hersteller durch ein standardisiertes und Industrie-taugliches Kommunikationsprotokoll. Ein Anlagenbetreiber hat dadurch geringere Kosten für die Integration von Maschinen, die auf OPC UA basieren, da teure Protokollkonverter sowie proprietäre Bus-Verkabelungen nicht mehr notwendig sind. Sichere und integre Kommunikation sind ebenfalls integrale Bestandteile von OPC UA. Somit kann ein Anlagenbetreiber sich auf schon vorhandene Mechanismen für die Absicherung durch Verschlüsselung und digitale Signatur der Kommunikation zwischen Maschinen oder Anlagenteilen stützen. Dies bietet Schutz vor unautorisierten Zugriffen auf Maschinen sowie vor Sabotage durch Manipulation von Maschinendaten. Zudem entstehen bei vernetzten, standortübergreifenden Produktionsanlagen häufig Interessenskonflikte zwischen IT- und Fachabteilungen. Sind klassische Automatisierungsprotokolle im Einsatz, ist es oft notwendig die Firewall-Konfigurationen anzupassen, um Produktionsdaten mit anderen Standorten auszutauschen. OPC UA bietet für solche Anwendungsszenarien eine Lösung über webbasierte Mechanismen an, mit denen keinerlei Anpassung der Firewall notwendig ist.
Im Idealfall positiver ROI
Die vorgestellten qualitativen Kosten- und Nutzenaspekte können als Grundlage für eine unternehmensspezifische Investitionsentscheidung dienen. Für ein konkretes Szenario im Unternehmen müssen diese quantitativ mit einer monetären Bewertung hinterlegt werden. Eine Erweiterung und Verfeinerung der aufgeführten Aspekte ist in vielen Fällen zu erwarten und mit Szenario- oder Risikoanalysen möglich. Hierbei ist es sinnvoll, nicht nur den eigenen Bereich, sondern auch den des Wertschöpfungspartners zu betrachten. Nach einer Investitionsrechnung, die die vorgestellten Kosten- und Nutzenkomponenten betrachtet, ergibt sich im Idealfall ein positiver ROI als Entscheidungsgrundlage für die Einführung von OPC UA.