Kugellager müssen belastbar und langlebig sein, da sie sich sehr schnell drehen. Also ist höchste Genauigkeit bei der Produktion erforderlich, denn die Lager sollen ruckfrei und leichtgängig laufen. Ihre Einzelteile müssen nicht nur genau aufeinander abgestimmt, sondern auch auf den künftigen Einsatzzweck ausgelegt sein. Abweichungen dürfen maximal im Mikrometer-Bereich auftreten, was einem Millionstel Meter entspricht: 40-mal dünner als das dünnste menschliche Haar. Bei Standardlagern müssen Gehäuse und Welle in der Regel einen sehr präzisen Passungssitz aufweisen und daher nach dem Urformprozess nachbehandelt werden. Um diesen aufwendigen und kostspieligen Fertigungsschritt künftig zu vermeiden, entwickelte Rollax, Hersteller von Systemkomponenten der Lagertechnik, im Kundenauftrag für einen Zulieferer der Automobilindustrie ein Speziallager für eine Lenksäule. Generell werden alle Rollax-Lager, wie auch das Modell für die Lenksäule, hinsichtlich Bauform und Größe anwendungsspezifisch konstruiert. So ist eine Anpassung an den Bauraum des Anwenders sowie eine Integration von speziellen Features problemlos möglich. Die Lager eignen sich für Anwendungen im Maschinen- und Anlagenbau, bei denen ein hoher Automatisierungsgrad gefragt ist.
Spezialanfertigung mit hohem Toleranzausgleich
Bei Standardlagern aus hartem und reinem 100Cr6-Chromstahl werden Außen- und Innenring des Lagers gedreht, gehärtet und anschließend gehohnt. Sie weisen dadurch eine sehr geringe Reibung sowie eine hohe Präzision auf und eignen sich für hohe Geschwindigkeiten. Jedoch besitzen sie einen gravierenden Nachteil: Die Lager haben feste Größen und benötigen zur einwandfreien Funktion gegenüber Gehäuse und Welle eine bestimmte Passungstoleranz. Im Fall des Speziallagers für die Lenksäule liegt die benötigte Toleranz bei 13 μm bei einer 20 mm-Welle. Winkel- und Koaxialfehler werden gar nicht kompensiert, sodass die umgebenden Komponenten diese aufnehmen müssen. Da es sich beim Gehäuse allerdings um eine Schweißbaugruppe handeln kann oder Gehäuse und Welle bei einem Ur- oder Umformprozess entstanden sein können, ist der Lagersitz derartigen Fehlern unterworfen. Diese müssen normalerweise in einem nachgelagerten Dreh-, Fräs- beziehungsweise Schleifprozess ausgeglichen werden.
Um beim Lager für die Lenksäule auf diesen Aufwand verzichten zu können, musste also ein Speziallager hergestellt werden. „Die Vorgabe war, dass das Lager eine mögliche Misslage der Lenkwelle sowie mögliche Koaxialitätsfehler von Lenksäulengehäuse und Lenkwelle kompensiert“, sagt Patrick Berges, Projektleiter bei Rollax in Bad Salzuflen. „Gehäuse- und Lenkwellentoleranzen sollten so gut wie möglich ausgeglichen werden.“ Das Unternehmen konstruierte daher ein Vier-Punkt-Lager, dessen Außenring tiefgezogen und dessen Innenring in einer besonderen Wellen-Form hergestellt werden, wodurch das Lager deutlich leichter ist, als die gedrehte Variante.
Federndes Material nimmt Abweichungen auf
Diese neue Konstruktion konnte die Winkel- sowie Koaxialitätsfehler von Welle und Gehäuse mehr als im geforderten Maße ausgleichen. Sie fängt Winkelfehler der Lenkwelle bis zu drei Grad ab. Durch die spezielle Werkstoffwahl konnten die Durchmessertoleranzen im Gehäuse vollständig kompensiert werden. Darüber hinaus sorgt die Form des Innenrings dafür, dass die Durchmessertoleranz, beziehungsweise die Rundheit der Lenkwelle, im Zehntel-Millimeterbereich abgefangen wird, ohne die Stützwirkung zu vermindern. Koaxialitätsfehler und Durchmessertoleranzen von Welle und Gehäuse werden also bis zu 0,11 mm abgefangen.
Zusätzlich sind zwei Toleranzringe im Inneren des Lagers aus Elastomeren gefertigt. Das federnde Material unterstützt die Aufnahme von Abweichungen. „Dieses Zusammenspiel von Toleranzausgleichen und gleichzeitig hohen Belastungen umzusetzen, war bei der Konstruktion die größte Herausforderung“, so Berges. „Es gab viele Entwicklungsschleifen, um die geeigneten Materialien und Formen zu finden.“ Für die auf niedrige und mittlere Drehzahlen ausgelegten Lager verwendet der Hersteller zur Kostenoptimierung reine Ur- und Umformteile.
Insgesamt machen die Eigenschaften des neuen Lagers nun eine exakte Passung von Gehäuse und Welle überflüssig. Somit spart sich der Kunde eine Nachbehandlung des Gehäuses und der Welle nach dem Urformprozess. „Es ist kein Drehen und Fräsen oder Schleifen notwendig. Dadurch erzeugt das Lager große Kostenvorteile innerhalb der Applikation“, sagt Berges. Da Rollax bereits sehr früh in die Entwicklung der Lenksäule eingebunden wurde, konnte das Lager außerdem exakt auf Kundenmaß konstruiert werden. „Wir beraten Kunden im Vorfeld einer Entwicklung ausführlich und kostenlos, wie ein Lager aussehen kann, das nicht nur alle Anforderungen am besten in sich vereint, sondern auch besonders kosten- und anwendungsgerecht ist“, so Berges.
Das Unternehmen passt sich also soweit möglich den Bauteilen des Kunden an – im Fall des Vier-Punkt-Lagers beispielsweise an die Maße der Lenkwelle. Bei Katalogware dagegen hätte der Kunde die Konstruktion auf den vorgegebenen Standard abstimmen müssen. Er hätte also bereits im Vorfeld auf bestimmte Freiheiten im Design sowie auf Möglichkeiten der Bauraum- und Funktionsoptimierung seines Systems verzichten müssen.
Anwendungsspezifische Konstruktion
Rollax-Lager sind aufgrund ihrer anwendungsbezogenen Entwicklung in Bauform und Größe variabel. Je nach Kundenwunsch können beim Gehäuse Toleranzen von maximal 0,3 mm und bei der Welle von maximal 0,11 mm ausgeglichen werden. In Abhängigkeit von der Lagergröße lassen sich auch Koaxialitätsfehler von 0,5 mm bis 1,0 mm kompensieren. Bei Winkelfehlern liegt der Wert für reine Metalllager bei einem Grad, bei Modellen mit Elastomer-Überzug bei fünf Grad. Zudem sind mehrere Funktionen in einem kundenspezifischen Lager vereinbar. So besteht die Option, die Reibung des Lagers nach dem Verbau einzustellen. Darüber hinaus können in das Lager Dichtungen integriert sowie Krampen für die axiale Sicherung eingefügt werden, so dass als weitere Einsparung der klassische Sprengring entfallen kann. „Wir bieten unseren Kunden neue Möglichkeiten in der Entwicklung, insbesondere in der Auslegung bezüglich Bauraum und Funktionsintegration“, sagt Berges. „Häufig lohnt es sich, bei einer Neuentwicklung frühzeitig über die Lagerfunktionen nachzudenken anstatt Standards einzuzeichnen.“