Nachhaltige Energieeffizienz Leckageortung in Europas modernster Kraftzellstofffabrik

Für das bloße Auge nicht erkennbar: Über diese defekte Verschlussschraube am Stellantrieb entweicht Druckluft.

Bild: Thomas Warschburger, Mader
31.08.2018

Als eine der modernsten Kraftzellstofffabriken Europas hat sich die Zellstoff- und Papierfabrik Rosenthal dem Zukunftsthema Nachhaltigkeit und Energieeffizienz verschrieben. Um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben, investierte der Lieferant bereits in umweltschonende Produktionsverfahren und rückt nun auch die Optimierung des Druckluftprozesses in den Fokus: Das Unternehmen will seinen Druckluftbedarf durch die Ortung und Beseitigung von Druckluft-Leckagen deutlich reduzieren.

Bis zu 360.000 Tonnen Kraftzellstoff jährlich erzeugt die Zellstoff- und Papierfabrik Rosenthal (ZPR) für die Papier- und Tissueindustrie. Erst komplexe chemische Produktionsverfahren ermöglichen die Gewinnung des hochwertigen Langfaserzellstoffs aus Sägewerkshackschnitzeln – ohne Druckluft, die als Instrumenten-, Sperr-, Spül- und Arbeitsluft genutzt wird, undenkbar. Eine zentrale Druckluftstation versorgt das 860.000 Quadratmeter große Firmenareal mit Druckluft. Zwei in Summe rund vier Kilometer lange Rohrleitungen aus Edelstahl verteilen die von drei Turbokompressoren erzeugte Druckluft an rund 8.200 Stellglieder und Antriebe in den angrenzenden Produktionshallen.

„Mit der Investition in drei Turbokompressoren der Marke Compair mit jeweils 300 Kilowatt machten wir den ersten Schritt in Richtung zukunftsorientierte Druckluftversorgung“, erzählt Thomas Herzog, verantwortlich für die Instandhaltung der betrieblichen Druckluftanlage und Bereichsingenieur für die Zellstofferzeugung. Der bewusste Umgang mit Druckluft sei auch zuvor ein Thema gewesen: „Der langjährige Technische Leiter, der zwischenzeitlich in Rente ist, ließ in Produktionspausen schon immer ‚Hörtests‘ durchführen, um pfeifende Leckagen zu finden und diese zu beseitigen.“

Druckluft im Fokus

Mit dem Ersatz der in die Jahre gekommenen Schraubenverdichter aus den Jahren 1976 und 1984 und der festen Installation von Volumenmessgeräten zur ständigen Überwachung und Dokumentation des Druckluftverbrauchs, rückte Druckluft noch stärker in den Fokus. Bald wurde klar, dass einer der drei Kompressoren, der ursprünglich als Redundanz gedacht war, länger und häufiger im Einsatz war, als geplant. Grund dafür war der wechselnde, hohe Druckluftbedarf in einigen Produktionsbereichen.

„Vom ersten Lösungsansatz, einen Druckluftspeicher als Puffer einzusetzen, kamen wir ab, weil der Behälter enorm groß hätte sein müssen, um das gewünschte Ziel zu erreichen“, erinnert sich Herzog. „Mit der Reduzierung des Luftverbrauchs durch die Beseitigung von Leckagen bleibt eine höhere Restkapazität der Anlage, dies verringert die Größe des Speichers natürlich beträchtlich“ So entschied man sich schließlich dazu, einen Dienstleister zur professionellen Leckageortung zu beauftragen. Die Wahl fiel auf den Druckluft- und Pneumatikspezialisten Mader. „Es hat alles gepasst. Das erste Gespräch, das Leistungsangebot der Firma Mader und schließlich das konkrete Angebot für die Leckagemessung zum Festpreis haben uns überzeugt“, sagt Thomas Herzog, der gemeinsam mit Tobias Albert, Leiter Technik bei ZPR, die finale Entscheidung für die Beauftragung traf.

Die Probe aufs Exempel

Wichtig für ZPR war, dass als Entscheidungsgrundlage für die weitere Vorgehensweise neben der Ortung, Markierung und Dokumentation der Leckagen auch eine ausführliche wirtschaftliche Bewertung erfolgt. „Wir wollten zunächst einen Testlauf durchführen, um zu sehen, ob sich eine Ausweitung auf den gesamten Standort überhaupt lohnen würde“, erläutert Herzog. Da Mader die Leckageortung auch bei laufender Produktion anbietet, war schnell ein passender Termin gefunden.

Thomas Warschburger, Produktmanager Drucklufttechnik, und Milan Stojkovic, Servicetechniker, waren fünf Tage mit der Suche, Dokumentation und Analyse von Leckagen mit Hilfe von Ultraschalltechnik beschäftigt, denn der „kleine“ Testlauf umfasste eine 4.000 Quadratmeter große Produktionshalle. „Das riesige, stadtähnliche Firmengelände und die zum Teil in 60 Metern Höhe liegenden Messstellen waren schon etwas Besonderes“, erinnert sich Warschburger.

Als „besonders“ stellte sich auch das Ergebnis der Suche heraus: Die Spezialisten von Mader fanden mehr als 200 Leckagestellen, über die stündlich ein Druckluftvolumen von 343 Kubikmeter (343.000 Liter) verloren geht. „Diese Menge erzeugt etwa ein Kompressor mit 37 Kilowatt innerhalb einer Stunde. Anders ausgedrückt: Die CO2-Menge, die dabei ausgestoßen wird, entspricht der Emission eines VW Golf, der 26 Mal die Erde umrundet“, erläutert Warschburger. „Wir wussten, dass Leckagen zu finden sein würden, dass das Ausmaß aber so groß sein würde, hat uns alle überrascht“, sagt Thomas Herzog.

Als besonders problematisch wurden die Stell- und Regelventile, von denen rund 5.400 zur Steuerung von Antrieben im Einsatz sind, eingestuft. „Untersucht wurden die Ventile in unterschiedlichen Regelpositionen. Es stellte sich heraus, dass Leckagen teilweise nur in bestimmten Ventilstellungen auftreten“, berichtet der Instandhalter. Als Ursache hierfür wurde der extreme Verschleiß der Dichtungen innerhalb der Ventile identifiziert. „Das hängt mit der ölfreien Instrumentenluft zusammen, die ZPR einsetzt, die Dichtungen werden dadurch schneller porös und undicht“, sagt Warschburger.

„Eine Möglichkeit die Langlebigkeit der Dichtungen zu erhöhen, wäre der Einsatz von Druckluftölern an relevanten Positionen. Die Leckagerate könnte so längere Zeit niedrig gehalten werden.“ Darüber hinaus empfiehlt Warschburger in solchen Fällen die engmaschige Überwachung des Druckluftverbrauchs: „ZPR tut hier bereits sehr viel. An neuralgischen Punkten im Druckluftsystem sind stationäre Volumenstrommessgeräte eingebaut, die Aufschluss über Veränderungen im Druckluftverbrauch geben und somit schnelle Reaktionen etwa bei plötzlich auftretenden Leckagen erlauben.“

„Wir werden weitermachen!“

Der Erfolg des Test-Projekts spricht für sich und Thomas Herzog ist sich sicher: „Wir werden weitermachen. Immerhin wurde erst ein Bruchteil des gesamten Produktionsstandorts untersucht.“ Doch zunächst steht für ihn die Organisation der Leckagebeseitigung an der Tagesordnung, denn die soll sein Team selbst vornehmen: „Im Bereich der Instandhaltung sind allein 70 Personen beschäftigt, die Kapazität haben wir also“, erläutert Herzog. „Da wir die gefundenen Leckagen generell markieren und sehr genau dokumentieren, ist es auch für internes Personal kein Problem sie wiederzufinden und zu beseitigen“, sagt Thomas Warschburger. Durch die bereits installierten Volumenstrommessgeräte kann ZPR zudem den Erfolg der Leckagebeseitigung genau kontrollieren und dokumentieren. „Eine prima Sache, gerade weil ZPR nach DIN EN ISO 14001 und 50001 zertifiziert ist und die Werte somit direkt in die Dokumentation für das Energie- und Umweltmanagementsystem einfließen können“, so Warschburger.

Bildergalerie

  • Über rund vier Kilometer Edelstahl-Rohrleitungen wird die Druckluft auf dem weitläufigen Firmengelände verteilt.

    Über rund vier Kilometer Edelstahl-Rohrleitungen wird die Druckluft auf dem weitläufigen Firmengelände verteilt.

    Bild: Thomas Warschburger, Mader

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