Der Go-live ist noch nicht lange her. Wie blicken Sie auf die Zeit zurück?
Ich würde sagen, hinter uns liegt eine sehr, sehr aufregende Zeit. Zwar setzen wir das MES Hydra und das WMS viadat schon seit einigen Jahren in unserer Fertigung ein. Doch über eine neu geschaffene Schnittstelle kommunizieren die beiden Systeme nun erstmals direkt miteinander und nicht mehr über unser ERP von SAP. Anfangs war ich gespannt, ob wir alles umsetzen können, was wir uns vorgenommen haben. Wir haben es geschafft. Das macht mich sehr stolz!
Welche Vorteile bringt die direkte Kommunikation zwischen einem MES und einem WMS mit sich?
Nach den ersten Wochen kann ich sagen, dass wir jetzt die volle Transparenz im Lager und im Shopfloor haben und genau wissen, wo sich welche Ware befindet. Bisher waren die Teile in unserer Produktion eher in einem schwarzen Loch. Wir wussten, was reingeht und bekamen am Ende auch ein fertiges Produkt heraus. Aber was an welchem Arbeitsplatz wie lange liegt, war nicht klar. Heute wissen wir das und können analysieren und nächste Handlungsschritte ableiten, um unsere Produktion noch effizienter zu machen. Ich würde daher sagen, der direkte Austausch zwischen den Systemen hat uns auf dem Weg zur Smart Factory einen riesigen Schritt vorangebracht. Mit der Vorreservierung von Beständen für die Fertigung stellen wir außerdem sicher, dass wir immer das richtige Material in der richtigen Menge verfügbar haben, um unsere Aufträge pünktlich abzuarbeiten. Dafür tauscht Hydra mit unserem WMS und unserem ERP-System Informationen aus, stößt automatisch Arbeitsgänge an oder eskaliert, wenn die Ware nicht verfügbar ist. So behalten wir immer den Überblick und können uns auf das Wesentliche, nämlich die Produktion unserer Komponenten konzentrieren. Was ein weiterer großer Vorteil ist.
Wie sind Sie bei der Einführung vorgegangen?
Unsere Produktionsabläufe sind hochkomplex. Wir fertigen Vakuum- und Mechanikkomponenten für die Halbleiterindustrie, zur Chipherstellung, Beschichtung von Optiken und Brillengläsern, Forschungs- und Entwicklungszentren. Kein Bauteil ist wie das andere, denn wir entwickeln für unsere Kunden individuelle Lösungen. Deshalb haben wir uns zunächst unseren Fertigungsprozess genau analysiert. Bei uns gibt es keine typische Fließbandarbeit. Ein Bauteil kann vom Fräsen zum Schweißen, wieder zum Fräsen und zurück zum Schweißen gehen. All das mussten wir bei der Planung berücksichtigen, um ein perfektes Zusammenspiel zwischen allen am Produktionsprozess beteiligten Systemen zu ermöglichen und eine noch engere Verzahnung von Produktion und Logistik zu erreichen. Da war uns schnell klar, dass alle Systeme direkt miteinander kommunizieren und selbst Aktionen auslösen müssen. Schließlich wollten wir eine vollautomatische Produktionslogistik. Um ein perfektes Zusammenspiel zu gewährleisten, haben wir genau festgelegt, welche Informationen das MES, WMS oder ERP an welches System übergibt. Dafür haben wir jedem System eine eigene Rolle zugewiesen.
Interessant. Welches System hat welche Rolle? Und wie funktioniert das Ganze im Zusammenspiel?
Mit unserem ERP-System generieren wir die einzelnen Aufträge. Diese werden bei der Freigabe des Fertigungsauftrags an Hydra übertragen. Hydra kennt die Komponenten der Bauteile und weiß, an welchem Arbeitsplatz diese zum Einsatz kommen. Über unsere Bedarfsreservierung in Hydra fragen wir im WMS die Bestände oder die Bedarfe bis zu drei Monate im Voraus ab. Wenn die Materialien verfügbar sind, werden sie fest reserviert und können nicht mehr für einen anderen Auftrag verwendet werden. So stellen wir sicher, dass alle Teile verfügbar sind und wir unsere Waren pünktlich fertigstellen können. Zwei Tage vor dem Produktionsprozess gibt das ERP außerdem ein Signal an das WMS, mit der Aufforderung, die Waren zu einem bestimmten Zeitpunkt an einer bestimmten Maschine zur Verfügung zu stellen. Daraufhin generiert das WMS vollautomatisch einen Kommissionierauftrag. Unsere Mitarbeiter in der Logistik packen daraufhin die Komponenten in eine Kiste mit einer eindeutigen ID-Nummer und unsere fahrerlosen Transportsysteme bringen die Waren direkt an die Maschine, wo ein Werker sie zur Verarbeitung entgegennimmt und den Auftrag anmeldet. Dazu muss der Werker die Kisten lediglich abscannen. Sobald die Komponenten bearbeitet wurden, weist der Mitarbeiter an der Maschine die Zwischenbauteile einer Kiste zu und generiert so einen neuen Transportauftrag im WMS, der ein fahrerloses Transportsystem losschickt. Dieses holt das Bauteil ab und bringt es entweder zum nächsten Arbeitsplatz oder in unser Pufferlager. Dieses perfekte Zusammenspiel zwischen den Systemen zu beobachten und zu sehen, wie alle Rädchen perfekt ineinandergreifen, beeindruckt mich. Das WMS meldet dem ERP außerdem die Verbräuche. So wissen wir, welche Waren sich im Lager befinden und können wirklich realistisch planen.
Was erhoffen Sie sich für die Zukunft?
Wir erwarten eine starke Rüstzeitoptimierung sowie eine erhebliche Verbesserung unserer Produktionszeiten. Schließlich sind jetzt mit dem Start des Arbeitsvorgangs alle Materialien an der Maschine verfügbar, wir können unsere Suchzeiten reduzieren und Liegezeiten weiter optimieren. Außerdem ist unser Verwaltungsaufwand deutlich geringer. Die direkte Kombination von WMS und MES bringt damit viele Vorteile mit sich und wir sind gespannt auf weitere Effekte. Lassen Sie uns dazu am besten noch einmal in einem halben Jahr sprechen.
Was würden Sie sagen, wie weit sind Sie auf Ihrem Weg zur Smart Factory?
Nun ja, wenn wir uns das Vier-Stufen-Modell von MPDV ansehen, dann sind wir auf der dritten Stufe und können bei uns von einer selbstregelnden Fabrik sprechen, in der unsere Mitarbeiter als Problemlöser fungieren. Mit der Vernetzung von Produktion und Logistik haben wir außerdem wesentliche Teile von Stufe vier, der funktional vernetzten Fabrik, umgesetzt. Ich würde also sagen, wir sind auf einem sehr guten Weg. So kann es weitergehen! Ich freue mich auf viele weitere spannende neue Projekte.