Wer in der Farbmischung bei der BASF Coatings in Würzburg unterwegs ist, bemerkt vor allem den gleichmäßigen und ruhigen Rhythmus, in dem die Lacke in den Prozessbehältern gemischt und konditioniert werden. In jedem dieser Behälter kann hier gleichzeitig jeweils eine Lackcharge abgemischt werden – und es ist diese ruhige Bewegung der Mischer, die den Takt auf Prozessebene bestimmt. Unternehmerisch haben die Prozesse jedoch eine deutlich höhere Schlagzahl: Der Standort Würzburg ist ein Kompetenzzentrum für Basislacke im weltweiten Netzwerk des Unternehmensbereichs Coatings der BASF.
Über 50 Millionen Fahrzeuge tragen bereits heute die BASF-Wasserbasislacke „Made in Würzburg“. Jede Lackcharge muss sehr hohe Anforderungen an die Prozesstransparenz und Prozessdokumentation erfüllen, und gleichzeitig stellt die BASF in Würzburg auch eine große Bandbreite an unterschiedlichen End- und Zwischenprodukten her, sodass im Werk vielfältige Prozessvarianten für die verschiedenen Produkte genutzt werden.
Prozesstransparenz als Basis für Verbesserungen
Um mögliche Fehlerquellen bei der Identifizierung der Behälter auszumerzen, entschied sich die BASF in Würzburg, die Prozess- und Chargendaten statt über Papieraufträge möglichst automatisch und digital zu erfassen und zu handhaben, um so auch die nötige Prozesstransparenz für Analysen und Optimierungen zu schaffen. Dazu startete das Unternehmen vor einiger Zeit ein umfangreiches Projekt, zu dem die Modernisierung der Prozessleittechnik mit Simatic PCS 7, die Implementierung von Opcenter Execution Process, eines modernen Manufacturing Execution Systems (MES), und als weiterer wichtiger Teil im Bereich der Farbmischung die Implementierung und Installation eines Echtzeit-Funkortungssystems gehörte. Mit diesem Lokalisierungssystem sollte die Position der verschiedenen Prozessbehälter erfasst und dokumentiert werden.
Die Anforderungen an dieses System ergeben sich unmittelbar aus den Anforderungen an die Prozesse: Die Behälter, in denen der vorproduzierte Lack in die Farbmischung kommt, haben unterschiedliche Größen und sind aus Metall mit einer stark reflektierenden Oberfläche, sodass eine Funkortung in dieser Umgebung sehr anspruchsvoll ist. Trotzdem sollte das Ortungssystem in der Lage sein, die Position der Behälter möglichst genau und in Echtzeit zu erfassen – und sich dabei leicht und mit wenig Hardware und Verdrahtungsaufwand in die vorhandene Prozessumgebung integrieren lassen. Unter diesen Gesichtspunkten bewertete die BASF mögliche Ortungssysteme. Am Ende entschied sich BASF für ein Echtzeit-Funkortungssystem, das sowohl die Forderung nach einer genauen Lokalisierung der Behälter als auch nach einer großen Reichweite und damit einem geringen Verdrahtungsaufwand erfüllen konnte.
Die Premiere für das Lokalisierungssystem
Realisiert wurde das neue Lokalisierungssystem gemeinsam mit Siemens. „Für Siemens sprach neben den technischen Aspekten der Lösung auch, dass wir so nur einen Lieferanten für das gesamte Projekt mit Prozessleitsystem, MES und das Lokalisierungssystem haben. Das reduziert die Anzahl der Schnittstellen und die Projektrisiken – wichtig, da wir mit dem Lokalisierungssystem im Prozessbereich bei der BASF eine Vorreiterrolle wahrnehmen“, sagt Jan Bass, der bei der BASF Coatings in Würzburg für das Engineering im Bereich Elektrotechnik und Prozessleittechnik verantwortlich ist.
Für Bass liegen die Vorteile des Lokalisierungssystems in Würzburg aber vor allem im Bereich der Flexibilität und der einfachen Installation. Mit dem Lokalisierungssystem können wir die Gateways und die Verkabelung außerhalb des Ex-Bereichs installieren.
Positionserfassung sorgt für Prozesssicherheit
Jeder der Prozessbehälter wird jetzt über einen Simatic-RTLS4030T-Transponder identifiziert und lokalisiert. Dazu sind 36 Simatic-RTLS4030G-Gateways in der Halle installiert, über Scalance Industrial Ethernet Switches mit dem Locating Manager vernetzt und in das überlagerte MES integriert. Die Gateways besitzen innerhalb von Gebäuden eine Reichweite von bis zu 30 m und ermöglichen es, die Transponder über den Ultra-Wideband-Standard (IEEE 802.15.4-2015 HRP UWB) auf bis zu 30 cm genau zu orten. Die Planung und Installation des Systems übernahm dabei Siemens. Für Bass war das einer der entscheidenden Faktoren für die erfolgreiche Implementierung: „Gerade die Netzwerktechnik war für mich an der Stelle noch Neuland und daher war die gute Unterstützung durch Siemens inklusive eines Leitfadens für die Auslegung wirklich hilfreich.“
Mit Hilfe dieser guten Vorarbeit arbeitet das Lokalisierungssystem seit der Inbetriebnahme wie geplant zuverlässig und ohne Probleme. Dadurch profitiert die BASF von einer echten Positionserfassung, die nicht nur die An- oder Abwesenheit eines Behälters an einer vorgegebenen Position erkennt, sondern auch Informationen darüber liefert, wo welcher Behälter steht und ob er auch richtig unter dem Befülltrichter an der Decke platziert ist. So macht das Funkortungssystem die Abläufe prozesssicherer und spart den Mitarbeitenden unnötige Wege und Aufwand.
Schon jetzt viele Vorteile im Betrieb
Aktuell plant Bass bereits die nächsten Erweiterungen des Lokalisierungssystems. „Wir möchten die Positionserfassung auf zwei weitere Gebäude ausdehnen: Die Reinigung der Prozessbehälter und den Bereich, in dem die Behälter mit der Grundmischung befüllt werden. Auch dabei wird uns wieder Siemens unterstützen.“
Doch schon jetzt zieht er ein durchweg positives Fazit. Mit dem Lokalisierungssystem können die Mitarbeitenden jetzt einfach aktuelle und genaue Daten zur Position des jeweiligen Behälters erhalten und wissen jederzeit, ob der richtige Mischer an der richtigen Position steht, ohne dazu vor Ort am Behälter sein zu müssen. Das MES-System visualisiert die Ortung und führt eine Plausibilitätsprüfung durch. Die entsprechenden Daten werden automatisch erfasst und dokumentiert, sodass die BASF die Chargendaten aus dem MES jetzt erheblich einfacher plausibilisieren kann. Das spart zusätzliche Kontrollen.
Dabei fügt sich das Lokalisierungssystem gut in die bestehende Umgebung und die Abläufe ein: Die Gateways sind unauffällig unter der Decke installiert, die Transponder werden dank der guten Reichweite gut zugänglich an der Seite des Behälters angebracht. Dadurch ist die Lösung sehr nutzer- und wartungsfreundlich. Und nicht zuletzt ist das System auch noch einfach an neue Anforderungen anzupassen: „Wenn ich etwa einen Stellplatz verändere, muss ich dazu das Lokalisierungssystem lediglich neu programmieren – und eben keine neue Hardware installieren oder neue Kabel ziehen. Das spart uns 50 Prozent des Arbeitsaufwands und dadurch Zeit und der Kosten. Dazu kommt dann noch der Prozess für die Genehmigungen, wenn wir Systeme in Ex-Bereichen neu installieren – und hier sprechen wir über ein Vielfaches des Aufwands, den wir jetzt haben.“
Die automatische Positionserfassung, die transparent, präzise und flexibel arbeitet, unterstützt nicht nur die Anwender bei ihren Aufgaben, sondern schafft auch die Basis für die weitere Digitalisierung der Prozesse bei der BASF. Der volle Nutzen des Lokalisierungssystems wird sich für die BASF in einigen Monaten einstellen, wenn auch das Gesamtsystem läuft. Bass ist sich sicher: „Dann werden wir die bessere Prozesstransparenz und Prozessdokumentation auch für weitergehende Maßnahmen im Bereich der Qualitätssicherung und Prozessoptimierung nutzen.“