Definitiv ist die Luftfahrtindustrie eine jener Branchen, die besonders hohe Qualitätsansprüche an die eingesetzten Bauteile und Komponenten stellt. Unmittelbar nachvollziehbar ist das bei Triebwerken: selbst kleinste Fehler können folgenschwere Ausfälle nach sich ziehen. Im Zuge ihres Fertigungsprozesses durchlaufen Triebwerks- und Turbinenbauteile Rissprüfanlagen, wie sie Rhode + Wagner Anlagenbau in Ebersbach-Neugersdorf östlich von Dresden herstellt.
Das im Jahr 2009 gegründete Unternehmen hat sich auf die Konzeption, Planung, Konstruktion und Fertigung von kompletten Anlagen für die Oberflächenbe- und entschichtung, Abwasserbehandlung, Wasseraufbereitung sowie auf Warentransportsysteme exakt nach Kundenwunsch spezialisiert. „Unsere Kunden müssen sich absolut darauf verlassen können, dass Prüfanlagen aus unserem Haus Mängel wie Risse, Lunker sowie andere, den geforderten Qualitätsnormen widersprechende Sachverhalte sicher und zuverlässig detektieren“, erläutert Holger Wagner, Geschäftsführer des Unternehmens.
Prüfen auf Herz und Nieren
Die rund dreißig Meter lange, circa fünfzehn Meter breite und bis zu sieben Meter hohe Rissprüfanlage besteht aus mehreren Arbeits- und Prozessbereichen mit neun Bearbeitungskabinen. Hinzu kommen diverse Zuführungen sowie von Robotern bediente Sprühbereiche zum Benetzen von Bauteilen. Horizontal über der Anlage installierte Kran- und Applikationssysteme befördern die Turbinenbauteile mit Gewichten bis zu 500 Kilogramm und Durchmessern von bis zu eineinhalb Metern von Station zu Station.
In der ersten Kabine besprüht ein Roboter die Bauteile mit einem fluoreszierenden Eindringmittel. Anschließend werden diese in die abgedunkelte Kabine des Transportwagens gehoben, wo ein industrielles Kamerasystem die Prüflinge von allen Seiten ablichtet. Mithilfe von UV-Licht kontrollieren die Anlagenbediener in diesem Schritt die vollständige Benetzbarkeit der Bauteile. In den anschließenden Kabinen folgen diverse Spül-, Trocken- und qualitative Auswerteprozesse, die selbst feinste Haarrisse unter UV-Licht sichtbar machen. Am Ende der Prüfstrecke erscheinen die Bauteile mit einer detaillierten Prüfdokumentation. Zur Endmontage gelangen nur jene Triebwerksteile, die die geforderten Kriterien zu einhundert Prozent erfüllen. Das von Rhode + Wagner automatisierte Prozessverfahren gilt als überaus zuverlässig. Mit automatisierten Sonderlösungen in der Luftfahrtbranche ist der sächsische Mittelständler seit über zehn Jahren als zuverlässiger Partner unter anderem bei MTU Aero Engines gelistet.
Bediener- und Maschinensicherheit im Fokus
Typischerweise verfügen verkettete Anlagen über betriebs- und wartungsbedingte Zugänge, Zuführungen und Klappen. Neben den Ansprüchen an eine effiziente Automatisierungslösung genießt die Sicherheit für Mensch und Maschine bei Rhode + Wagner höchste Priorität. Als Anlagenhersteller ist das Unternehmen verpflichtet, eine Risikobeurteilung durchzuführen und das Sicherheitskonzept zu erstellen. Über das Konformitätsbewertungsverfahren und die CE-Kennzeichnung wird am Ende dokumentiert, dass die Anlage sämtliche erforderlichen Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG erfüllt.
Seit Gründung des Sondermaschinenherstellers ist Pilz mit Automatisierungs- und Sicherheitstechnik in Anlagen von Rhode + Wagner vertreten. Als Pilz Ende 2018 der Geschäftsführung neue Produkte und innovative Sicherheitslösungen vorstellte, stand das Konzept der Rissprüfanlage bereits in Grundzügen. Im Detail stand die Aufgabe an, sämtliche Zuführungs- und Zugriffsbereiche so abzusichern, dass Gefahren für das Bedien- und Wartungspersonal ausgeschlossen sind.
Vor allem sollte eine intelligente Lösung gefunden werden, die den jeweiligen Bedienern individuelle und aufgabenspezifische Betriebsartenwahl- und Zugangsberechtigungen zuweist. „Als Pilz uns PITmode fusion vorstellte, war uns sofort klar, dass wir mit diesem modular aufgebauten Betriebsartenwahl- und Zugangsberechtigungssystem sämtliche vom Kunden gestellten Safety- und Industrial Security-Vorgaben sowie unsere Vorstellungen von einem effizienten, bedienerfreundlichen Anlagenkonzept auf ideale Weise erfüllen können“, erinnert sich Holger Wagner.
Wer was darf, muss sicher geregelt sein
Verkettete Anlagen stellen unterschiedliche Anforderungen an das Bedienpersonal: Nicht jeder Mitarbeiter, der Zugang zur Maschine hat, muss und darf über sämtliche Bedien-, Eingriffs- und Änderungsoptionen verfügen. Der Bediener hat andere Aufgaben und Berechtigungen als ein Maschineneinrichter oder Servicemitarbeiter. PITmode fusion bietet höchste Flexibilität für die funktional sichere Betriebsartenwahl sowie für die Regelung der Zugangsberechtigung an Maschinen und Anlagen: Es vergibt individuell festlegbare Betriebsartenwahl- und Zugangsrechte und vereint damit Safety und Industrial Security Funktionen in einem System.
Das System besteht aus codierten RFID-Schlüsseln, der Ausleseeinheit PITreader, einem integrierten Webserver sowie der sicheren Auswerteeinheit Safe Evaluation Unit (SEU). Mit PITmode fusion lässt sich ein komplexes, sicheres Berechtigungsmanagement vollumfänglich lösen. Dafür wird der Schlüssel in der Ausleseeinheit PITreader eingelesen und angelernt. Über den integrierten Webserver werden die Berechtigungen gemanaged: So lässt sich mit den RFID-Schlüsseln und PITreader ein gruppenbasiertes Berechtigungsmanagement realisieren. Damit werden die unterschiedlichen Freigaben nicht an einzelne Personen, sondern an ganze Gruppen mit denselben Zugriffsrechten übertragen, was den Administrationsaufwand deutlich vereinfacht.
Mit diesem effizienten Berechtigungsmanagement können mehrere mechanische Schlüssel in einem RFID-Schlüssel zusammengefasst werden und der Anwender muss keine unterschiedlichen Schlüssel oder Zugangskarten verwalten. Aufgrund der Trennung der einzelnen Komponenten ist PITmode fusion flexibel in das Design bestehender Bedienpulte integrier- und mit vorhandenen Tastern kombinierbar.
Keine Chance für Manipulation
Mit PITmode fusion erhalten Personen aufgabenbezogen individuell beschriebene RFID-Transponder-Schlüssel mit entsprechend angepasster Zugangsberechtigung und Maschinenfreigabe. Damit können sie ausschließlich die ihnen zugedachten Aufgaben ausführen, jedwede andere Zugangs- und Eingriffsabsicht wird verwehrt und der Manipulationsschutz so gewährleistet. Das minimiert die Risiken und erhöht den Safety- und Industrial Security-Standard einer Anlage signifikant.
Anlagenbetreiber können bis zu fünf sichere Betriebsarten definieren und die entsprechenden Rechte an das befugte Personal vergeben: zum Beispiel Automatikbetrieb, manuelles Eingreifen unter eingeschränkten Bedingungen oder Servicebetrieb. Steckt der Bediener seinen Schlüssel und wählt die gewünschte Betriebsart an, so erfolgt ein Vergleich zwischen vorhandener Berechtigung auf dem Schlüssel und der angeforderten Betriebsart. Bei einer Freigabe gibt der LED-Multicolor Ring am PITreader „grünes Licht“ und schaltet die SEU funktional sicher um. Fehlbedienungen, Manipulationen, Gefährdungen für den Bediener und Schäden an der Maschine sind damit praktisch ausgeschlossen.
Sichere Sensorik als Sicherheitsverbündeter
Darüber hinaus sind das sichere Schutztürsystem mit Prozesszuhaltung PSENslock sowie das sichere Schutztürsystem PSENmlock mit mechanischer Zuhaltung von Pilz integrierte Bestandteile des Sicherheitskonzeptes. Während PSENslock sichere Stellungsüberwachung mit Prozesszuhaltung in einem bietet, ist PSENmlock dank sicherer Verriegelung und sicherer Zuhaltung für den Personen- und Prozessschutz bis zur höchsten Sicherheitskategorie einsetzbar.
In der Rissprüfanlage dient PSENslock zur Positionssicherung: Im Zuge der Materialzufuhr prüft der Schalter, ob die notwendige Haltekraft des Elektromagneten aufgebaut wurde und somit der Beladewagen feststeht. Für die sichere Überwachung inklusive der sicheren Zuhaltung von 14 Schutztüren sorgt das Schutztürsystem PSENmlock: Es garantiert die sichere mechanische Zuhaltung zum Schutz der Personen im unmittelbaren Umfeld. PSENmlock eignet sich besonders für den Einsatz an Maschinen mit gefährlichem Nachlauf, bei denen eine sichere Zuhaltung bis PL d oder gar PL e notwendig ist.
Rhode + Wagner schätzt den flexiblen, einfach adaptierbaren Ansatz von PITmode fusion: „Damit garantieren wir unseren Kunden Anlagen mit modernster Sicherheitstechnik. Gleichzeitig profitieren diese von der höheren Verfügbarkeit ihrer Maschinen“, stellt Holger Wagner fest. Aus diesem Grund sollen künftig sämtliche Anlagen, in denen zwischen unterschiedlichen Steuerungsabläufen und Betriebsarten umgeschaltet werden muss, mit dem innovativen Betriebsartenwahl- und Zugangsberechtigungssystem von Pilz ausgestattet werden.