Simulation beschreibt chemische Abläufe Mathematik digitalisiert die Penicillin-Produktion

Der TU Wien ist es gelungen, die chemischen Abläufe in einem Bioreaktor im Detail zu analysieren und mit Gleichungen zu beschreiben.

Bild: TU Wien
27.03.2018

Der Technischen Universität Wien ist es gelungen, das komplexe Wachstumsverhalten der Organismen in der Penicillin-Produktion am Computer in Echtzeit zu simulieren. Dadurch lassen sich nun auch Parameter ermitteln, die gar nicht direkt gemessen werden können. Sandoz nutzt die Erkenntnisse nun, um den Herstellungsprozess besser zu kontrollieren.

Seit Jahrtausenden nutzt der Mensch Mikroorganismen, um chemische Reaktionen ablaufen zu lassen – etwa beim Bierbrauen. Doch die biochemischen Verfahren sind kompliziert. Viele Reaktionen laufen gleichzeitig ab und beeinflussen einander, zahlreiche Parameter spielen eine Rolle und nicht alle lassen sich direkt messen.

Forscher an der Technischen Universität Wien arbeiten daran, solche Prozesse trotz aller Schwierigkeiten im Detail zu untersuchen. In Kooperation mit dem Pharmahersteller Sandoz haben sie nun einen Herstellungsprozess für Penicillin analysiert und am Computer umfassend nachgebildet.

Fundiertes Wissen löst die Black Box ab

Manche chemische Reaktionen sind ganz einfach zu durchschauen: Wenn man Wasserstoff mit Sauerstoff verbrennt, entsteht Wasser – auf eindeutig vorhersagbare Weise, in exakt vorherberechenbarer Menge. Doch wie berechnet man, mit welcher Geschwindigkeit ein Pilz unter den sich ständig ändernden Bedingungen im Bioreaktor wächst und produziert?

„Lange Zeit betrachtete man solche Prozesse als Black Box, die man nicht wirklich verstehen kann, die man nur mit viel Erfahrung gut zu nutzen lernt“, sagt Prof. Christoph Herwig, der am Institut für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und technische Biowissenschaften der TU Wien die Forschungsgruppe für Bioprozess-Technologie leitet. „Unser Ansatz ist ein anderer: Wir wollen die chemischen Abläufe in einem Bioreaktor im Detail analysieren und die Gleichungen aufstellen, die diese Abläufe beschreiben.“ So entsteht ein mathematisches Modell, das die Abläufe im Bioreaktor genau abbildet.

Unmessbares messen

„Viele Parameter, die für den Ablauf des Prozesses wichtig sind, kann man gar nicht direkt messen, etwa die Wachstumsrate der Mikroorganismen“, erklärt Julian Kager, der im Rahmen seiner Dissertation mit Sandoz zusammenarbeitet. „Genau deshalb ist ein umfassendes mathematisches Modell so nützlich: Wir verwenden die Daten, die beim Herstellprozess in Echtzeit zugänglich sind – etwa die Konzentrationen verschiedener Substanzen im Bioreaktor, und nutzen unser Modell, um am Computer auszurechnen, in welchem Zustand sich der Prozess aktuell aller Wahrscheinlichkeit nach befindet.“ Auf diese Weise lassen sich auch die Parameter berechnen, die man nicht messen kann. Das Rechenmodell kann dazu verwendet werden, die Nährstoffversorgung der kultivierten Zellen während des laufenden Prozesses optimal einzustellen.

Rechenmodelle und die Algorithmen für die industrielle Anwendung bereit

So kompliziert und vielschichtig wie der Bioprozess selbst ist auch das Gleichungssystem, das ihn mathematisch beschreibt. „Das Gleichungssystem beschreibt ein nichtlineares dynamisches System. Winzige Variationen der Anfangsbedingungen können große Auswirkungen haben“, erklärt Kager. „Daher kann man auch nicht einfach per Hand eine Lösung ausrechnen, man muss relativ aufwändige Computersimulationen durchführen, um das System zu beschreiben.“

Die Rechenmodelle und die Algorithmen, die an der TU Wien entwickelt wurden, wendet Sandoz nun für seinen Penicillin-Herstellungsprozess an. „Wir freuen uns sehr, dass unsere Grundlagenforschung so rasch den Weg in die industrielle Anwendung gefunden hat, und dass unser Ansatz des biochemischen Modellierens nun dabei hilft, eine automatisierte Regelung des pharmazeutischen Produktionsprozesses zu ermöglichen“, sagt Julian Kager.

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  • Julian Kager im Labor an der TU Wien

    Julian Kager im Labor an der TU Wien

    Bild: TU Wien

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