Interview über 3D-Druck von Verschleißteilen „Mehr Kosteneffizienz“

igus GmbH

Tom Krause leitet den Geschäftsbereich Additive Fertigung bei Igus.

Bild: Igus
20.11.2018

Schnell und günstig kleine Losgrößen oder Prototypen produzieren – ein typisches Szenario für 3D-Druck. Noch einfacher wird die Verwendung, wenn sich über Online-Konfiguratoren in wenigen Schritten komplexe Bauteile konfigurieren lassen. Oder wie wäre es mit einer Spritzgussform aus dem 3D-Drucker? Was mit additiver Fertigung heute schon möglich ist und wann sich welches Verfahren lohnt, erläutert Tom Krause, Leiter Geschäftsbereich Additive Fertigung bei Igus, im Gespräch mit A&D.

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Igus ist vor einigen Jahren als Material­anbieter für 3D-Druck eingestiegen. Wie kam es zu dieser Geschäftsidee?

Igus zeichnet sich durch seine hohe Expertise bei Kunststoffen aus, die speziell für Anwendungen geeignet sind, wo es Reibung und Bewegung gibt - denken Sie an unsere Energieketten oder Gleitlager. Da war der Schritt von unserer Kunststofffertigung für Spritzguss hin zu Filamenten für 3D-Druck sehr naheliegend. Darum bieten wir seit 2014 erste Filamente an und bauen seitdem den Bereich 3D-Druck kontinuierlich mit Materialen und Services aus.

Jetzt gibt es eine Unzahl von Anbietern für Filamente. Worauf hat sich Igus spezialisiert?

Natürlich fokussieren wir voll auf unser Kerngebiet der Verschleißteile. Dementsprechend basieren auch unsere 3D-Druck-Materialen auf speziellen Kunststoffen, die mit Festschmierstoffen versetzt sind und auf minimale Reibung und geringen Verschleiß bei bewegten Anwendungen optimiert sind. Hier besitzen wir auf dem Markt ein klares Alleinstellungsmerkmal.

Und wie kam es zu dem Schritt, 3D-Druck als eigenen Service anzubieten?

Der Bedarf an Verschleißteilen ist bei unseren Kunden definitiv immer vorhanden, allerdings haben die Unternehmen ja meist nicht selbst 3D-Druck-Technik im Haus. Deshalb bieten wir diesen Service an. Wir bekommen von unseren Kunden viele Anfragen, ob wir speziell angepasste Teile von beispielsweise Zahnrädern oder Gleitlagern für sie anfertigen können – von Losgröße 1 bis hin zu Kleinserien. In der Vergangenheit war dann die Entscheidung ob Spritzguss lohnt oder die Fertigung aus Halbzeugen mit Drehen und Fräsen erfolgt. Und das kostet Zeit und Geld! Mit unserem 3D-Druck-Service ermöglichen wir die von Igus gewohnten schnellen Lieferzeiten auch bei Sonderwünschen.

Ein erfolgreicher 3D-Druck-Service funktioniert aber nur mit einen ausgeklügelten Webservice und Konfiguratoren, korrekt?

Das ist richtig! Über einen Webservice können Kunden einerseits ihre Druck-Dateien hochladen, es erfolgt ein automatischer Machbarkeits-Check mit direktem Feedback oder Verbesserungsvorschlägen. Wenn man aber an Zahnräder denkt, dann ist das schon sehr aufwändig zu konstruieren. Und deshalb haben wir Konfiguratoren für Zahnräder und Gleitlager, die wir ständig ausbauen. Wir wollen Kunden Arbeit abnehmen, so dass selbst komplexe und individuelle Zahnräder sehr einfach und schnell generiert werden. Beispielsweise geben sie Parameter wie Anzahl der Zähe, Zahnmodul und Zahnbreite an und der Konfigurator generiert ihr Modell.

Angefangen hat Igus mit Filamenten und 3D-Druck im FDM-Verfahren. Für den 3D-Druck-Service und Kundenaufträge setzen Sie aber zunehmend auf die SLS-Technik. Was sind die Gründe?

Wir haben ja auch mit Fused Deposition Modeling FDM, also der Schmelzschichtung wie bei einer Heißklebepistole, angefangen, weil es ein einfaches und günstiges Verfahren ist. Aber der Vorteil beim selektiven Lasersintern SLS ist, dass sich der Laser mit rund fünf Metern pro Sekunde bewegt. Das heißt, er ist um den Faktor 100 schneller wie der Druckkopf im FDM-Verfahren. Und während beim FDM immer auf einer Platte gedruckt wird, können beim Lasersintern die gedruckten Teile übereinandergestapelt werden. So lassen sich über Nacht beispielsweise mehrere tausend Teile direkt produzieren. Denn bei SLS ist ja das nicht aufgeschmolzene Pulver die Stütze der Bauteile, während mit FDM oft ein mitgedrucktes Stützmaterial notwendig ist. Letzteres kostet Material und Zeit für eine Nachbearbeitung. Außerdem bietet das Lasersintern eine höhere Festigkeit und Genauigkeit.

Verwendet Igus für den Druck von Bauteilen überhaupt noch das FDM-Verfahren?

Rund neunzig Prozent der Teile fertigen wir für unsere Kunden inzwischen im SLS-Verfahren. Sind höhere Temperaturen oder eine bessere Chemikalienbeständigkeit gefragt, dann kommen aber nach wie vor unsere FDM-Filamente zum Einsatz.

Wie sieht es denn mit den Materialeigenschaften und der Festigkeit von 3D-Druck gegenüber klassischem Spritzguss aus?

Wird beim SLS-Druck dasselbe Material wie beim Spritzguss verwendet, hängt es natürlich von der Lage ab. Wenn ich das Bauteil flach drucke, erreichen wir dieselbe Festigkeit wie im Spritzguss. Geht das Bauteil beim Druck aber primär in die Vertikale, so ist die Festigkeit rund acht Prozent niedriger; beim FDM-Verfahren sehen die Werte nochmals anders aus. Wir müssen auch bedenken, dass beim Spritzguss viel mehr Materialien zur Verfügung stehen, wie beispielsweise faserverstärkter Kunststoff - das gibt es im SLS-Verfahren nicht. Nach wie vor bietet der Spritzguss auch eine noch mal höhere Präzision.

Bis zu welchen Stückzahlen produzieren Sie denn Kundenaufträge typischerweise im 3D-Druck, wann gehen Sie auf Spritzguss über?

Bei einem Bauraum von 220x170x300 Millimetern lassen sich pro SLS-Anlage zum Beispiel 5000 Gleitlager mit einem Innendurchmesser von 10 Millimetern innerhalb von 30 Stunden fertigen. Und das ist dann natürlich sehr günstig. Je größer die Buchse, desto weniger bekomme ich in einem Durchgang aus dem Drucker, umso teurer wird die Stückzahl. Im Endeffekt lässt sich sagen, 3D-Druck lohnt sich immer bei kleinen Bauteilen mit weniger als fünf Gramm Gewicht oder je komplexer das Produkt wird. Bei Spritzguss reden wir üblicherweise von anderen Losgrößen ab 10.000 Stück aufwärts.

Jetzt bieten Sie für Kunden aber auch die Möglichkeit an, Spritzgussformen in 3D-Druck zu fertigen. Wann lohnt das?

Durch unsere hohe Expertise beim Spritzguss und bei der additiven Fertigung können wir immer das ideale Verfahren für unsere Kunden anbieten. Und Spritzguss bietet bei der Materialwahl und Festigkeit immer noch mehr Möglichkeiten. Aber die Produktion von Spritzgussformen ist aufwendig, teuer und dauert lange. Per 3D-Druck liefern wir dem Kunden Bauteile aus diesen Formen innerhalb weniger Tage, bei bis zu 80 Prozent geringeren Kosten. Allerdings ist die Lebensdauer der gedruckten Spritzgussformen begrenzt. Bei sehr einfachen Teilen bekommen Sie mehrere Tausend Stück aus der Form, bei komplexen Teilen und speziellem Material hält die Form oft auch nur für zwanzig Stück durch.

Wird der 3D-Druck das traditionelle Fertigungsverfahren bei Igus die nächsten Jahre zunehmend verdrängen?

In erster Linie wird 3D-Druck viel die mechanische Fertigung verdrängen. Und ich kann mir auch vorstellen, dass es ein Stück weit den Spritzguss verdrängt. Aber da gibt es Stand jetzt natürlich noch Nachteile bezüglich der Präzision und Festigkeit sowie der Kosten, wenn es um sehr hohe Stückzahlen geht. Die rasante Weiterentwicklung der additiven Fertigung wird die erwähnten Stückzahlen allerdings ebenso rasant nach oben treiben die nächsten Jahre, so dass sich die Grenzen zunehmend verschieben.

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