Visualisierungskonzept für den Ex-Bereich Mehr als die Summe einzelner Teile

Der Panel-PC Polaris ist für die Virtualisierung von Prozessen im Ex-Bereich ausgelegt.

Bild: Bartec, Boehringer Ingelheim
17.08.2017

Das A und O für einen schnelleren Marktzugang von Medikamenten sind flexible und hoch verfügbare Anlagen. Dabei sind die Anforderungen von Pharmaunternehmen an die Prozessvisualisierung im Ex-Bereich sehr hoch. Ein Gesamtkonzept konnte diese nun erfüllen.

Die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten von Boehringer Ingelheim und die damit verbundene Innovationsstärke waren in den vergangenen Jahren die Basis der positiven wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens und haben auch in Zukunft Priorität. Mit dem neuen Technikum für die chemische Entwicklung, das am weltweit größten Forschungs- und Entwicklungsstandort von Boehringer Ingelheim in
Biberach eingeweiht wurde, setzt das Unternehmen ein Zeichen. Auf der geschaffenen Nutzfläche von rund 2.700 Quadratmetern befinden sich Syntheselaboratorien, in denen die Prozessübertragung vom Labor- auf den Großmaßstab bearbeitet wird, sowie komplexe Pilotanlagen, in denen die Produktion der neu entwickelten pharmazeutischen Wirkstoffe erfolgt.

Die Pilotanlage ist mit mehreren Syntheseanlagen in vier Fertigungstrakten mit einem Nennvolumen von bis zu 300 Litern ausgestattet. Wirkstoffchargen für klinische Prüfungen von 10 bis 100 Kilogramm können in der Anlage hergestellt werden. Das flexible Technikum hält ein breites Portfolio an Apparatetechnologien vor und kann ein großes Spektrum an chemischen Verfahren abdecken. Vorrang hat das schnelle Bereitstellen von Wirkstoffen (NCEs) im Entwicklungsumfeld. Zeit ist hier ein entscheidender Faktor, „Faster time to Market“ das Ziel. Die Basisautomatisierung des Technikums entspricht in großen Teilen der einer realen Produktion, jedoch mit höherem Freiheits- und Flexibilisierungsgrad.

Damit ist die Automatisierung einer Pilotanlage nicht gerade mit weniger Engineering-Aufwand verbunden. Dennoch war eine weitere Herausforderung des Projektteams der Wunsch, dies kosteneffizient zu realisieren – was sich umsetzen ließ. Durch Innovationen in verschiedenen Bereichen, die optimal ineinandergriffen, konnte das Pharmaunternehmen schließlich Investitionskosten einsparen. Eine dieser Innova­tionen ist die „Virtualisierung der Visualisierung“, ein zukunftsfähiges Konzept, das entscheidende Vorteile bietet: eine größere Flexibilität, niedrigere Kosten und ein geringerer Platzbedarf. Für die Bedienung der Anlage kamen früher klassische Kernel-based-Virtual Machine-Systeme (KVM) zum Einsatz, heute übernehmen moderne Remote-PC-Lösungen diese Aufgaben.

Eines der Themen, das die Verantwortlichen bei der Planung aber am meisten bewegte, war die IT-Security. Dabei hatte das Projektteam genaue Vorstellungen von Layout und Archi­tektur des Sicherheitskonzepts. Es galt nur noch, das richtige Gerät aufzuspüren. Bei einer Zero-Client-Lösung wurde das Team fündig. Doch die Frage aller Fragen lautete: Lässt sich dieses Bedienkonzept auch im Ex-Bereich realisieren? Gemeinsam mit Bartec, dem Weltmarktführer im Explosionsschutz, entwickelte Boehringer Ingelheim eine Lösung, die nun neue Maßstäbe bei der Prozessvisualisierung in explosionsgefährdeten Bereichen setzt.

Das Besondere an der Lösung ist das Gesamtpaket. Jede einzelne Komponente, wie Zero-Client-Lösung, Remote-PC für Ex-Zone 1, 16:9-Widescreen in Full HD und Standard Microsoft Remote-Desktop-Protokoll (RDP), ist für sich allein Standard und seit Jahren auf dem Markt erhältlich. Der Panel-
PC Polaris von Bartec aber vereint die Summe aller Anforderungen in einem Gerät.

Prozessvisualisierung im Ex-Bereich

Die Virtualisierung eines Prozessleitsystems bedeutet, dass die Anwendung für das Steuern und Beobachten zentral in einem Serverraum läuft. Das RDP-Protokoll wird als einziges zugelassen und wird für die Remote-Funktion verwendet. Die Zero Clients haben dabei nur eine Aufgabe: die Darstellung der virtuellen Maschine. Die Visualisierungsapplikation auf dem Server übernimmt nach Verbindung über das RDP-Protokoll die weiteren Aufgaben. Es handelt sich um reine Client­strukturen ohne Daten-Schnittstellen im Ex-Bereich. Mit den Geräten können die Mitarbeiter nur ihre originäre Arbeit erledigen. Der für das Embedded-System verfügbare En­hanced-Write-Filter (EWF) ist auf den Geräten standardmäßig aktiviert. Er verhindert jeglichen physikalischen Schreibzugriff auf die Systempartition des eingebauten Datenträgers. Sicherheitsrelevante Fragen wie Missbrauch oder Gefahr durch Viren sind bei diesem Gesamtkonzept so gut wie ausgeschlossen.

Ein komplexes Prozessleitsystem nach allen Regeln der IT-Security abzusichern, bindet viele interne Ressourcen. Jede Komponente, die ein Ingenieur zyklisch anfassen muss, kostet Geld. Das von Boehringer Ingelheim und Bartec gemeinsam ausgearbeitete Security-Konzept erfordert hingegen, aufgrund des Geräte-Designs und der Systemarchitektur, kein regel­mäßiges Patchen. Dies spart Kosten und senkt den Total Cost of Ownership (TCO). Die schlanken Panel-PCs, deren Intelligenz außerhalb des Ex-Bereichs sitzt, erleichtern darüber hinaus die Instandhaltung. Denn so lassen sich notwendige Wartungs­arbeiten teilweise im Nicht-Ex-Bereich vornehmen. Zudem erlaubt die mobile Konstruktion einen einfachen Ortswechsel und eine schnelle erneute Konfiguration, was sich wiederum positiv auf die Verfügbarkeit auswirkt.

Weiteres wichtiges Kriterium für den Betreiber: Alle Mitarbeiter sollten mit identischen Panel-PCs arbeiten und im gesamten Technikum, unabhängig von der Art der Anlage, über ein einheitliches Look & Feel verfügen. Insgesamt sind 17 Polaris Zero Clients mit Touchscreen in Zone 1 und Zone 2 an zwölf Synthesereaktoren, vier Zentrifugen und Trockenschränken sowie an drei Hydrierern installiert – einige als Wandeinbau, zum Großteil jedoch als mobile Lösung. Das Terminal haben Kunde und Lieferant in enger Zusammenarbeit gemeinsam entworfen und für den Einsatz auf engem Raum maßgeschneidert. Der Edelstahlwagen besitzt eine optimale Arbeitshöhe, eine Schublade für notwendiges Arbeitsmaterial und bietet genügend Fußfreiheit. Die integrierte Lösung gibt dem Betreiber den Raum, den er für ein effizientes Arbeiten benötigt.

Wäre es nach den Automatisierungsspezialisten gegangen, wäre die Wahl auf ein großes 24-Zoll-Display mit Full HD im 16:9-Format gefallen. Auch das wäre für das Bad Mergentheimer Unternehmen umsetzbar gewesen, das alle drei klassischen Größen 12, 17 und 24 Zoll im Portfolio hat. Doch im Technikum steht jeder Komponente ein begrenzter Platz zur Verfügung. Der Betrieb entschied sich daher für eine kleinere Variante. 70 Zentimeter Außenmaß und kein Zentimeter mehr war das Maximum, was dem Projektteam zugestanden wurde. Schnell war daher klar, dass nur die 17,3-Zoll-Monitore in­frage kommen. Für eine sichere Touch-Bedienung auf kleinerem Bildschirm wurde eigens eine Zoomfunktion in die Visualisierung integriert. Sie erlaubt es, wichtige Bereiche zu vergrößern und damit die Anlage sicher zu bedienen.

Zero Client als Gesamtpaket

Bei Neuanlagen und bei Anlagenmodernisierungen kommt der Virtualisierung von Prozessleitsystemen immer mehr Bedeutung zu. Damit steigen aber auch die Anforderungen an die Bedienung. Mit Bartec arbeitet Boehringer Ingelheim bereits seit den Anfängen der Prozessvisualisierung im Ex-Bereich zusammen. Auf der Suche nach einem zukunftsfähigen Konzept für das neue Technikum konnte der Weltmarktführer im Explosionsschutz erneut überzeugen. Das Ergebnis: Ein nach den Wünschen des Kunden entwickelter Zero Client, der alle Anforderungen des Pharmaunternehmens in sich vereint.

Bis heute können nur die Bad Mergentheimer mit dem Polaris Zero Client ein solches Gesamtpaket anbieten. Doch die Lösung dürfte sich schnell als Standard etablieren, denn sie kann mit niedrigen Investmentkosten, hoher Verfügbarkeit und großer Flexibilität punkten. Bei der Prozessvisualisierung in Verbindung mit der Bedienung in explosionsgefährdeten Bereichen hat sich das Projektteam von Boehringer Ingelheim auf jeden Fall den Titel „First Mover“ verdient.

Weitere Informationen zu Bartec finden Sie im Business-Profil auf Seite 16.

Bildergalerie

  • Auf komplexen Pilotanlagen produzieren Mitarbeiter von Boehringer Ingelheim neu entwickelte pharmazeutische Wirkstoffe.

    Auf komplexen Pilotanlagen produzieren Mitarbeiter von Boehringer Ingelheim neu entwickelte pharmazeutische Wirkstoffe.

    Bild: Bartec

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